Henryk M. Broder / 03.02.2018 / 13:09 / Foto: Pixabay / 23 / Seite ausdrucken

Und ewig wabert der Widerstand

Zum internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar hat der Präsident des Deutschen Fußballbundes, Reinhard Grindel, an die Rolle des deutschen Fußballs während der 12 NS-Jahre erinnert. Er sagte: „Auch der Fußball hat versagt.“ Nirgendwo habe sich Widerstand gegen den Ausschluss von jüdischen Spielern geregt, weder in den Vereinen, noch beim DFB. Heute dagegen gehe der Fußball „einen ganz anderen Weg“, er trage zur Integration bei und engagiere sich gegen Antisemitismus und Rassismus.

Nun wäre es in der Tat seltsam, wenn der deutsche Fußball heute etwas Anderes anstreben würde, als einen Beitrag zur Integration zu leisten. Noch seltsamer wäre es, wenn immer noch jüdische Spieler diskriminiert würden. Was der Präsident des Deutschen Fußballbundes sagen wollte, war vermutlich: „Wir haben aus der Geschichte gelernt!“ Aber muss man das, 73 Jahre nach dem Ende des Dritten Reiches, noch immer betonen?

Offenbar ja, denn der Kampf gegen die Nazis wird umso heftiger geführt, je länger die NS-Zeit vorbei ist.

Eine besondere Rolle kommt dabei den letzten noch lebenden „Zeitzeugen“ zu, die in den Zeugenstand gerufen werden, um auf die Parallelen zwischen damals und heute hinzuweisen.

Die Grünen haben zu ihrem Parteitag eine 94 Jahre alte Holocaustüberlebende eingeladen, die dann in einer kurzen Rede genau das sagte, was ihre Gastgeber hören wollten:

„Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um an das Erinnern zu erinnern. Ich muss mit Betroffenheit feststellen, dass die alten Mittel wieder gebraucht werden..., in diesem Fall ist es wohl das Flüchtlingsproblem. Früher hat man gesagt: ‚Die Juden sind an allem schuld’, heute sind es die Flüchtlinge…“

Man kann es einer 94 Jahre alten Holocaust-Überlebenden nicht übelnehmen, wenn sie, vom Rampenlicht geblendet, Unsinn redet. Man muss es aber den Grünen verübeln, dass sie ein Opfer der Nazis instrumentalisieren und missbrauchen, um die absurde These zu belegen, die „Flüchtlinge“ seien die Juden von heute.

Das ist nur noch obszön. Aber es ist eben die Begleitmusik zum antifaschistischen Engagement der Nachgeborenen, die das Versprechen vom Tausendjährigen Reich ernst nehmen. Seit 1933 sind 85 Jahre vergangen. Wir haben noch 915 Jahre des Widerstandes vor uns.

Zuerst erschienen in der Züricher Weltwoche

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Leserpost

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Dirk Jungnickel / 03.02.2018

Die Grünen schrecken vor nichts zurück, wenn es darum geht, die Antifa - Keule zu schwingen. Ihr Öko - Fanatismus scheint nicht mehr recht zu greifen, nun instrumentieren sie die Flüchtlingsfrage, um Deutschland in die Nähe des Dritten Reichs zu rücken. Die “915 Jahre des Widerstands” möchte ich meinen Nachfahren nicht zumuten. Es sei daran erinnert, dass es für den Bundestag eine Sperrklausel, auch Fünfprozenthürde,  genannt gibt. 

Karla Anders / 03.02.2018

Lieber Herr Broder, Sie sähen schwarz,  so sagten Sie mal anlässlich einer Veranstaltung zu Frauenrechten und muslimischer Einwanderung. Die gleichen hirnrissigen Verrenkungen (also extremer (medialer) Fokus auf “me too” & Co, bei gleichzeitiger Verdrängung echter Not z.B. von Frauen in der Zuwanderer"community”) werden auch beim Thema Judenfeindlichkeit von uns verlangt - Stichwort kognitive Dissonanz. Als Lehrerin u.a. in den sog. Integrationskursen weiß ich, wovon ich spreche: “unser Feind Israel”, “Kindermörder”, “Warum habt ihr denn nicht alle Juden damals ...?” usw.usf. hört man von den Zuwanderern aus muslimischen Ländern - bei gleichzeitiger maximaler Verdrängung durch ignorante Kollegen, und mitunter grenzenlosem (!) Verständnis und klammheimlicher Zustimmung! Sie sprachen vom “Tatbestand der Nötigung”  - und Sie treffen damit mal wieder den Punkt. Diese schwachsinnigen Diskussionen, vor allem über Themen, die wir schon lange hinter uns haben, werden uns aufgedrängt, verschwenden unsere Energie - und ich frage mich: Cui bono?

Ilse Polifka / 03.02.2018

Ebenso geschehen bei A. Will. Auch hier wurde eine Überlebende des Holocaust übel mißbraucht. Es war einfach widerlich.

Helge-Rainer Decke / 03.02.2018

Herr Broder, warum setzen Sie den Begriff Zeitzeuge in Gänsefüßchen? Ist die 94 Jahre alte Holocaust-Überlebende etwa keine Zeitzeugin? Warum soll die 94 Jahre alte Dame Ihrer Meinung nach mit Bezug auf die Flüchtlinge Unsinn geredet haben? Jedenfalls vermisse ich eine plausible Erklärung für diese Behauptung.. Die Zuspitzung, „die Juden sind an allem Schuld, heute sind es die Flüchtlinge“, trifft doch in Teilen des Pudels Kern der ultrarechten Szene. In Erinnerung an die Befreiung des KZ Auschwitz hat eine andere Holocaust-Überlebende, die 92 Jahre alte Anita Lasker-Wallfisch, im Bundestag im Kern auch nichts anderes gesagt und noch etwas hinzugefügt: ...“für uns haben sich die Grenzen damals hermetisch geschlossen und nicht wie hier geöffnet. Dank dieser unglaublich generösen, mutigen, menschlichen Geste, die hier gemacht wurde.” ☝️

Dietmar Schmidt / 03.02.2018

Lieber Herr Broder, wie immer schafssinnig erkannt und daraus den richtige Schluss gezogen. Danke hierfür. Die Grünen Brüder und Schwestern haben nicht nur die alte Dame missbraucht sondern auch noch pauschalisiert. Es sind nicht alle Flüchtlinge gleich gut und gleich schlecht. Die schwierige Sachaufgabe ist jetzt zu organisieren wer bleiben kann und wer nicht. Mit Pauschalisieren ist da niemanden geholfen. Manchmal habe ich so den Eindruck, dass hier der Horizont bei den Grünen nicht ausreicht. Leider. Gruß D. Schmidt

Georg Dobler / 03.02.2018

Sehr geehrter Herr Broder, Heute-Journal vom 31.01.2018, die 92-jährige Holocaust-Überlebende Frau Anita Lasker-Wallfisch redet im Deutschen Bundestag und liest ihre Rede von einem Manuskript ab. Auszüge daraus:  Nachrichtensprecherin: “Die Ausgrenzung Anderer darf nicht mehr passieren, meint Lasker-Wallfisch und lobt die Rolle Deutschland in der Flüchtlingskrise” Frau Lasker-Wallfisch spricht: “Für uns haben sich damals die Grenzen hermetisch geschlossen und nicht wie hier geöffnet, dank dieser unglaublich generösen, mutigen, menschlichen Geste die hier gemacht wurde.” Klatschen, Kameraschwenk zur AfD-Fraktion. Sprecherin: “An dieser Stelle klatscht die AfD-Fraktion geschlossen nicht mit.” Nach Beendigung der Rede Bilder der sich erhebenden Beifall gebenden Abgeordneten. Sprecherin: “Am steht der Bundestag; und er steht komplett. (...)”. Darf man so etwas ganz vorsichtig “Instrumentalisierung” nennen oder verbietet dies der Respekt vor der alten Dame, der unser aller Respekt und unsere Würdigung unbedingt zusteht?

Helmut Driesel / 03.02.2018

Johannes Gross hat auch dem Herrn Höfer seinerzeit Komplimente gemacht, die Böswillige heute breit grinsend zitieren könnten. Es ist doch so, dass die deutschen Nachgeborenen, nicht nur die Linken, es immer abgelehnt haben, in den judenfeindlichen Ideologien eine Massenbewegung zu sehen, die zwar in Deutschland seinen Schwerpunkt hatte, aber rund um den Globus reichte. Es ist doch nur einzusehen, dass die Weltwirtschaftskrise den damaligen Ideologen das propagandistische Vorhaben überaus leicht machte. Das müssen sich die Juden auch selber eingestehen. Nicht so, wie es die mittlerweile berüchtigte KGH in ihrer Zeit als Präses der Evangelischen Kirchen forderte: “Wir Christen dürfen nie wieder zusehen, wie so etwas geschieht.” Ich halte das für noch perverser, als wenn sich heute gut abgesicherte Unverbesserliche an irgendwelchen Devotionalien aus der Dunklen Epoche aufgeilen.

Dr. Susanne Kautz / 03.02.2018

.... ja und obszön ist nicht nur der sich selbst verbietende vergleich von flüchtlingen in der jetztzeit in deutschland und verfolgten juden aus der zeit des nationalsozialismus sondern auch, dass mit einem enormen aufwand betriebene radikale wegsehen vor den real existierenden problemen. wenn “ahmad” wie alice im wunderland in einem klassenzimmer der 6 klasse einer realschule in deutschland “aufpufft” erwacht er in einer welt die ihn in den meisten fällen überfordern muss. gleichberechtigung, gewaltfreiheit in der schulischen erziehung und bildung, indivduelle entfaltungsmöglichkeiten etc.  wahlfreiheiten wohin man blickt. er soll in 2 jahren (dann läuft seine sprachförderung aus) so gut deutsch lernen und sich in eine kultur einfinden die seine eltern ihm nicht vermitteln können weil sie ohne vorsprung vor einer mammutaufgabe stehen und diese womöglich nicht erlegen können. differenzierungen zerplatzen an den klippen der wirklichkeit. alles wird in einen gutmenscheneintopf gestopft und heraus kommt was gequirrltes. ps: letzte woche stand an unserer tafel im klassenzimmer das wort “jude” . die kinder können keinen geschichtlichen kontext erstellen weil sie noch zu jung sind aber aus der dunklen grundierung einer mit diskriminierenden bildern handlagenden erziehung ahnen sie, dass es ein schimpfwort ist…...

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