Wenn ein Politiker auf Umgangssprache umschaltet, dann ist entweder Wahlkampf oder er will sich aus anderen Gründen beim Volk anbiedern. Denn normalerweise äußern sich Politiker nicht in Umgangssprache, sondern in einem Jargon, der dazu dient, die Wirklichkeit auf Parteikurs zu bringen. Dieser Jargon stellt Vokabeln wie Schuldenbremse, Wachstumsbeschleunigung und Bildungsoffensive bereit, mit denen man Staatsbankrott und Schulnotstand umschreiben und zugleich davon ablenken kann. Äußerungen in Umgangssprache sind die ultimative Form von Herablassung eines Politikers; er gibt gewissermaßen augenzwinkernd zu verstehen, daß er sehr wohl weiß, was unter der dicken Schicht von Floskeln liegt, mit denen er tagein, tagaus zugange ist.
Wir haben uns an diese Form von Zweisprachigkeit längst gewöhnt. Wir wissen: Sprache gibt nicht nur die Dinge wieder, sondern schafft sie um und kann sie sogar zum Verschwinden bringen. Zum Beispiel alle Unbill des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens: die ungerechten Besitzverhältnisse auf dieser Erde, die kapitalistische Verknechtung der arbeitenden Massen, der furchtbare Wolfsinstinkt, mit dem der Mensch den Menschen anfällt – das läßt sich eher verbal bemänteln als real beseitigen. Und weil das so ist, hat sich eine ganze lexikalische Industrie herausgebildet, die unser Reden und Schreiben filtert, auf daß wir die Dinge bei immer harm- und schmerzloseren Namen nennen, bis nichts mehr weh tut und niemand weiß, was eigentlich gemeint ist.
Krieg zum Beispiel gibt es seit 1945 nicht mehr. Der Begriff ist gebannt, weil Völkerrechtler darauf beharren, daß Krieg zwischen souveränen Staaten erklärt werden müsse. Für die militärischen Kämpfe, die trotzdem stattfinden, gibt es kein Wort. Bis vor kurzem befand sich unsere Armee in Afghanistan im „Stabilisierungseinsatz“, inzwischen heißt das Geschehen offiziell „bewaffneter Konflikt“. Umgangssprachlich könne man allerdings von Krieg reden, sagte jetzt unser Verteidigungsminister – und zeigte damit, daß diesem asymmetrischen Krieg auch eine Asymmetrie der Benennung entspricht.
Guttenbergs Bemerkung über Umgangssprache verrät insofern einen Umgang mit Sprache, der die Lage unserer Soldaten ganz direkt erschwert. Denn weil nur mit linguistischen Verrenkungen über ihren Auftrag, ihre Arbeit und ihre Ergebnisse gesprochen wird, läßt sich die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit des Einsatzes kaum überzeugen. Es gibt in der Tat gute Gründe dafür und dagegen; die Verlogenheit des politischen Diskurses ist jedenfalls ein Grund dagegen.