In Bali gab er den Umweltaktivisten, zurück in Deutschland hat sich Sigmar Gabriel zum Cheflobbisten der heimischen Automobilindustrie gewandelt. Ihre mögliche Abwanderung in Schwellenländer kann er jetzt der Androhung der EU-Komission, hohe CO2-Emissionen zu bestrafen, anlasten.
Noch in Bali bei der Klimakonferenz konnte es Sigmar Gabriel nicht verbindlich genug haben. Mit einigem Furor griff er die Bremser an, die klare Minderungsziele beim Treibhausgas blockierten. Kaum zu Hause, bekommt der Bundesumweltminister nun eine Verbindlichkeit um die Ohren gehauen, die ihm die Zornesröte ins Gesicht treibt. Hinter den Vorschlägen der EU-Kommission für Strafzahlungen, die die Autohersteller bei zu hohem CO2-Ausstoß zahlen sollen, wittert er nur noch „einen Wettbewerbskrieg“ in der Autobranche zugunsten der italienischen und französischen Autohersteller, zulasten der Deutschen.
Es mag so sein. Gabriels harte Reaktion zeigt aber auch eines: Der Regierung des Klima-Musterknaben Deutschland dürfte langsam dämmern, dass die eigenen, immer schärferen Vorgaben beim Klimaschutz eben doch einschneidende Konsequenzen haben können. Die deutsche Autoindustrie zählt schließlich zu den bedeutendsten Wachstumsmotoren des Landes. In bestimmten Segmenten, den „Spritfressern“, erfreut sie sich überwiegender Weltmarktanteile. Anteilsmäßig schlagen sie – und ihre Emissionen – nur geringfügig zu Buche, der Kampf gegen sie als Hauptfeind ist also eher symbolischer Natur. Doch der Klimaschutz lebt nun einmal von symbolischen Waffen, vom Eisbären bis „Fünf Minuten Licht aus“.
Gabriel und Merkel können vielleicht froh sein, dass nicht sie selbst es sind, sondern die ferne EU-Kommission, die im Namen des Klimas die Freude der Deutschen am Auto trübt – mit der Konsequenz auch von Arbeitsplatzverlusten und langsamerem Wachstum. Es wäre aber blauäugig anzunehmen, dass die hohen Minderungsziele, wenn sie umgesetzt werden, keine Verwerfungen im Konkurrenzgefüge mit sich bringen würden. Dies vor allem, wenn energieintensive Industrien bei den erwartbaren Preissteigerungen in Schwellenländer ohne Minderungsziele abwandern. Aber vielleicht übernimmt diese konkrete Arbeit wieder die EU, und Gabriel kann weiter seine Minderungsziele erhöhen. Verbindlich, versteht sich.
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