Der Volkswagen-Konzern (VW) hat offenbar enger mit der Polizei in der chinesischen Autonomieregion Xinjiang kooperiert, als bislang bekannt – obwohl dort muslimische Minderheiten stark unterdrückt werden. Das berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ mit Bezug auf die sogenannten China Cables. So wird ein Leak von geheimen Dokumenten der chinesischen Regierung bezeichnet, die die systematische Verfolgung und Unterdrückung der Volksgruppe der Uiguren in Umerziehungslagern in Xinjiang belegen.
Nach Angaben der „Süddeutschen Zeitung“ hatte VW 2013 bei der Eröffnung eines Werks in Urumqi, Hauptstadt der Autonomieregion, ein Abkommen mit der Bewaffneten Volkspolizei abgeschlossen, die in der Nähe des Werks eine Kaserne unterhält. Im Rahmen der Zusammenarbeit habe VW der Polizei-Einheit zwei Fahrzeuge, vermutlich Geländewagen, überlassen. Autos, mit denen die Polizei möglicherweise Menschen abgeholt und in Internierungslager deportiert hat. Außerdem seien mit der Volkspolizei gemeinsame Feste sowie die „patriotische Ausbildung“ und „militärisches Training“ für neue VW-Mitarbeiter vereinbart worden.
Laut „tagesschau.de“ hat VW dementiert, dass ein militärisches Training tatsächlich stattgefunden hat. Die Schenkung von zwei Autos habe der Konzern allerdings bestätigt. Eine Anfrage zum genauen Inhalt der Vereinbarung mit der Bewaffneten Volkspolizei habe VW trotz mehrfacher Nachfragen unbeantwortet gelassen. Auch das Land Niedersachsen, das mehr als elf Prozent der Unternehmensanteile der Volkswagen AG hält, habe mehrere Anfragen zu den Vorwürfen gegen VW ignoriert.
Das Engagement von VW in Xinjiang war von Anfang an umstritten. Als der Vertrag für den Werksneubau in Urumqi 2012 im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel unterzeichnet wurde, gab es zwar noch kein umfassendes System von Umerziehungslagern, aber die Volksgruppe der Uiguren wurde bereits systematisch überwacht und diskriminiert. Entsprechend vernichtend fiel die Kritik von Menschenrechtsgruppen, etwa der in München ansässigen Exil-Organisation „Weltkongress der Uiguren“, aus. Ein weiterer Vorwurf lautet, das Werk in Urumqi sei grundsätzlich unrentabel, und VW habe es nur eröffnet, um im Gegenzug etliche neue Fertigungen an Chinas Ostküste aufmachen zu dürfen. Diese These vertraten u.a. im November dieses Jahres drei Autoren der „Süddeutschen Zeitung“.
VW-Chef Herbert Diess hatte noch im April auf der Shanghaier Automesse behauptet, ihm sei von den chinesischen Lagern, in denen nach Expertenschätzungen mehr als eine Million Uiguren interniert sind, „nichts bekannt“. Mittlerweile heißt es beim Konzern, man sei sich „der Lage in der Region bewusst“. VW sei bemüht, „einen Beitrag zur Entwicklung der Region und zum Zusammenleben der dortigen Volksgruppen zu leisten“.