Peter Grimm / 23.01.2019 / 16:30 / Foto: Tomasz Sienicki / 28 / Seite ausdrucken

Übung für die Stromsperre bei Windstille?

Vollmundig gab die Bundesrepublik einst den Vorreiter in Sachen Energiewende. Und eigentlich sind nahezu alle politischen Entscheidungsträger und medialen Meinungsbildner der Überzeugung, unser Land müsse diese Vorreiterrolle weiterhin spielen. Das politische Führungspersonal müht sich ja auch nach Kräften, die Bürger zum Erreichen der ehrgeizigen Ziele zu zwingen, die man sich zur Rettung des Klimas gesetzt hat. Sie haben beschlossen, dass die deutschen Energieverbraucher mit Strompreisen in Rekordhöhe auch noch das unrentabelste Windrad und Solardächer in Schattenlage subventionieren. Alle anderen Arten der Stromerzeugung haben inzwischen ohnehin schon etwas Anrüchiges. Wer sich zu ihrer Notwendigkeit bekennt, wird angeklagt, die Zukunft des Planeten den schnöden eigenen Interessen opfern zu wollen. Doch auch die Verkünder der schönen neuen Energiewelt haben noch im Hinterkopf die Vorstellung, dass eine gewisse Versorgungssicherheit irgendwie gebraucht wird, was dem radikalen Abschaffen und Verbieten des Alten und Überkommenen gewisse Grenzen setzt.

Allerdings müssten die Energiekommissare stärker durchgreifen, schließlich erreicht ausgerechnet ihr Vorreiterland die selbstgesetzten „Klimaziele“ nicht. Trotz innovativer Ideen der Grünen-Vorsitzenden gibt es aber immer noch keine Möglichkeit, den Wind- und Sonnenstrom in notwendigen Größenordnungen zu speichern, um ihn in windstiller Dunkelheit an einem Winternachmittag den Verbrauchern anbieten zu können. Nun erst die Arbeit an der Entwicklung technischer Lösungen anzugehen und auf deren Resultate zu warten, ist für ergebnisorientierte Verantwortungsträger, die sich heutzutage meist eher als Sozialingenieure verstehen, schwer vorstellbar. Man kann schließlich auch die Menschen umerziehen. Sollen die doch endlich den Strom bitte dann verbrauchen, wenn er da ist und nicht, wenn sie glauben, dass sie ihn benötigen. Man kann sein Leben auch nach den Möglichkeiten politisch-korrekter Stromlieferungen organisieren, oder?

Ein Jahr kostenloser Strom

Ein Vorreiter dieses Umerziehungswerks sind die Wuppertaler Stadtwerke (WSW). Optimistisch erklären sie:

„Deutschland meistert die Energiewende – Sonne und Wind liefern schon jetzt ein Drittel unseres Stroms. Allerdings liefern Sonne und Wind naturgemäß mal mehr, mal weniger Strom. Wäre es da nicht besser, den Strom immer dann zu verbrauchen, wenn viel davon da ist und er dementsprechend günstig ist? Zum Beispiel dann Wäsche zu waschen, wenn der Wind weht? Oder den Akku zu laden, wenn die Sonne scheint?“

Den Weg zur Lösung sehen die Stadtwerker in dem Forschungsprojekt „WSW: Wuppertal spart Watt“, natürlich gefördert von der Europäischen Union. 500 Wuppertaler Stromverbraucher, die mit einem Stromzähler ausgerüstet sind, der eine minutengenaue Übersicht über jeden einzelnen Verbrauchsverlauf liefern kann, sollen teilnehmen. Es geht um die Potenziale der „Verlagerung von Energieverbräuchen“. Wenn an einem windigen, sonnigen Vormittag viel mehr grüner Strom erzeugt wird, als gemeinhin verbraucht werden kann und die kostenpflichtige Ableitung in ausländische Netze nötig wird, sollen die Verbraucher künftig alle ihre Haushaltsgeräte zum Einsatz bringen und nicht, wie bisher, kurz vor oder kurz nach Feierabend. Eigentlich doch ganz leicht.

Aber die 500 in Frage kommenden Wuppertaler Stromverbraucher kann man nicht zwingen, an einem solchen Experiment mitzuwirken. Deshalb werden sie mit einem Gewinnspiel geködert. Hauptgewinn ist ein Jahr "kostenloser Strom".

Phase 2 mit dem Energiewetterbericht

Die Teilnehmer üben in verschiedenen Phasen den Umgang mit der Anpassung des eigenen Stromverbrauchs an die Launen des Wetters. Aktuell ist man in Phase 2, in der es darum geht, seine Zeitplanung nach dem Stromangebot auszurichten:

„Phase 2, also die aktive Phase des Projektes „Wuppertal spart Watt“, beginnt. In dieser Phase möchten wir Sie motivieren, Ihren Strom dann zu verbrauchen, wenn viel davon da ist. Das heißt, beispielsweise dann Wäsche zu waschen, wenn der Wind weht. Oder den Akku zu laden, wenn die Sonne scheint. Denn bei unserem Forschungsprojekt möchten wir herausfinden, wie gut das klappt – mit Ihrer Hilfe. Damit unterstützen Sie die Energiewende hier im Tal.“

Dafür gibt es auch eine Innovation:

„Wir haben für Sie das „Energiewetter“ neu erfunden. Das Energiewetter zeigt Ihnen, wann es sinnvoll ist, Strom zu verbrauchen und wann es weniger sinnvoll ist. Sie finden das Energiewetter im Verbrauchsportal „Watt’s on“ in Ihrem persönlichen Verbrauchskonto.

Außerdem erscheint das Energiewetter zweimal wöchentlich in der Wuppertaler Rundschau auf Seite 2, die Ihnen kostenlos zugestellt wird.“

Die Stunden des Tages sind in dem Wetterbericht mit grün, gelb oder rot markiert:

„Die Farben sind Ihnen von einer Verkehrsampel sicherlich sofort vertraut und sagen im Prinzip das Gleiche aus. Ziel ist es, möglichst viel Strom in den grünen Bereichen des Tages zu verbrauchen und möglichst wenig in den roten Bereichen. Das Energiewetter teilt den Tag in 2-Stunden-Blöcke auf, die in den drei Farben hinterlegt sind. Die farbigen Bereiche sind mit einer Punktzahl belegt:

Rot = 1 Punkt, Gelb = 2 und 3 Punkte, Grün = 4 und 5 Punkte.

Am Ende jedes Tages wird dann ein Punktestand errechnet, abhängig davon, wieviel Strom Sie in den einzelnen Bereichen verbraucht haben.

Das Energiewetter wird immer für den aktuellen Tag und die nächsten 2 Tage angezeigt.“

Kleinliche Fragen bei Windstlle

Es wird nicht erklärt, was passiert, wenn der Wind nicht nach Wetterbericht weht. Es könnte ja eine ungeplante Windstille in einem Zeitfenster geben, das eigentlich als grün angekündigt wird. Wer für diese Zeit viel Stromverbrauch eingeplant hat, aber tatsächlich statt gutem Strom nun schlechten Strom verbraucht, bekommt zwar sicherlich im Gewinnspiel trotzdem die volle Punktzahl, doch der Energiewende war der Verbrauch nicht dienlich.

Aber das sind für ein so großes Projekt wirklich zu kleinliche Fragen. Falls Sie nun wissen wollen, wann sie Waschmaschine, Trockner, Geschirrspüler, Rasenmäher, Staubsauger oder auch die Bohr- und Schleifmaschine daheim in Betrieb setzen sollten: In der letzten Woche empfahl der Energiewetterbericht für den Donnerstag die Zeit zwischen 10 und 16 Uhr oder am Freitag die Stunden zwischen 10 und 18 Uhr. Falls Sie da hätten nicht zu Hause sein können, wäre ihnen der Samstag mit der Zeit zwischen 6 und 16 Uhr geblieben. Windstille herrschte allerdings an keinem dieser Tage.

Üben nun die Wuppertaler schon für eine Zukunft, die allen bevorsteht? Werden wir in einigen Jahren unseren Stromverbrauch für Klima und Energiewende nach dem Wetter ausrichten müssen? Ganz so neu ist das ja nicht. Treue Bahnkunden kennen das schon. Der Wetterbericht ist bei der Reiseplanung heute enorm wichtig: Bei Schneefall, Frost oder stärkerem Wind stellt das Unternehmen heutzutage gern mal den Verkehr plötzlich gebietsweise ein.

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Leserpost

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Dr. Inge Frigge-Hagemann / 23.01.2019

Ich habe noch nirgends gelesen, woher der zusätzliche Strom für die von den Politikern geforderten 1 Mio. E-Autos 2020 kommen soll? Bei der Aufzählung der Haushaltsgeräte fehlt der Gefrierschrank. Wenn er nur ungleichmäßig betrieben werden kann, was passiert dann mit dem Gefriergut? Alles auf einmal verspeisen? Wegwerfen? Fragen über Fragen…

Wilhelm Lohmar / 23.01.2019

Früher nannte man derartige Maßnahmen knapp und zutreffend Mangelwirtschaft.

Werner Geiselhart / 23.01.2019

Ich habe mir mal kurz die neuesten Charts zur Wind- und PV-Leistung angesehen. Seit dem 17.01.2018 herrscht Dunkelflaute. Durchschnittliche Leistung von Wind und PV über ganz Deutschland aufsummiert liegt bei 7 GW, minimal bei 1 GW. Also eine Woche nix mit Wäschwaschen, Staubsaugen, Geschirr spülen, Fernsehen, E-Auto aufladen usw. Ohne Kernkraft und Kohle würden wir auch bei einer zehnfachen Menge an Windrädern (300.000 Stück) und PV-Fläche alle im Dunkeln sitzen und für die Krankenhäuser wäre nach 3 Tagen auch Ende Gelände mit entsprechender Anzahl von Toten. Zu den Politikern: Denn sie wissen nicht, was sie tun. Oder doch?

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