Mal ehrlich, mich interessiert die wirtschaftliche Komponente und nicht die ideologische. Wenn man den überschüssigen Strom statt für nen Appel und ein Ei ins Ausland, an mich als Verbraucher verkaufen würde, dann könnte ich auch meinen Heizungs Pufferspeicher statt mit Gas auch mit Strom aufheizen. Pufferung eben. Es fällt aber niemendem ein, der Bevölkerung die Überschüsse zum günstigen Preis zu verkaufen. Lieber verschenken wir den Strom nach Österreich, damit die das Wasser den Berg kostenlos raufpumpen können, und kaufen Nachts den Strom teuer zurück, und verkaufen ihn dann dem Verbraucher zu Rekordpreisen.
Ich wünsche den Wuppertalern viele Erfolg, ehrlich! Wahrscheinlich werden die Stadtwerke einige pfennigfuchsende Vollzeit-Hausfrauen oder-männer motivieren können. Aber insgesamt ist es Hyperaktivismus und Augenwischerei: von den circa 16 stromverbrauchenden Geräten im Haushalt (siehe blog.energiedienst.de) sind es nur ein paar (z.B. Waschmaschine, Spülmaschine, Saugroboter), die von der außer-Haus-arbeitenden Bevölkerung auf die Sonnenstunden des Tages programmiert werden könnten, wenn sie dafür ausgerüstet wären. “Oder den Akku zu laden, wenn die Sonne scheint.” Welchen Akku? Der von meiner elektrischen Zahnbürste mit 0,001 kWh? Daran merkt man, dass der Text von einem Träumer geschrieben wurde. Die Einsparungen für Wuppertal insgesamt dürften sich selbst bei genereller Akzeptanz im winzigen Prozentbereich bewegen.
Vielleicht sollte man jedem Haushalt einen kostenlosen Energieexperten zur Verfügung stellen, der die Geräte ein- und ausschaltet und Wäsche oder Eis rechtzeitig umfüllt. Die entsprechenden Fachkräfte stehen ja schon in den Startlöchern…
Wo ist das Problem? “Chef, es windet; ich muss eben mal ein paar Stunden heim, Wäsche waschen.” Da fällt mir übrigens ein: Hat eigentlich mal jemand aus unserer Klima- und Energie-Expertengruppe (Toni, Robbi, Analenchen etc.) berechnet, ab welcher Anzahl von Windmühlen in DLand (z. Zt. ca. 30000) unsere süd-östlichen Nachbarn keine Wäsche zum Trocknen mehr auf die Leine hängen brauchen, da die Windstärke in Bodennähe zum Vergessen ist? Darauf sollte man mal unseren Klima-Papst Herrn Schellnhuber ansetzen.
Zur Ergänzung sein noch gesagt, daß das Lastverschiebungspotential im Haushalt gnadenlos überschätzt wird. Wer kann und will in einer Mietwohnung morgens früh um vier Uhr die Wäsche schleudern? Welche Hausfrau/Hausmann möchte morgens früh um sieben, kurz vor dem Weg zur Arbeit die Wäsche aufhängen, wenn sie gerade aus der Maschine kommt? Wer möchte Tage lang darauf warten, daß der Wind weht, um dann drei Maschinen Wäsche hintereinander zu machen? Ähnliches gilt für den Geschirrspüler. In Kühlschrank und Gefriertruhe zusammen lassen sich maximal 1/3 kWh in Form von Kälte speichern, in dem man den Kühlschrank von 7 auf 2 Grad runter fährt und die Kühltruhe von minus 25 auf minus 40. Dabei sinkt übrigens der Wirkungsgrad der Kältemaschine, auch das sollte man bedenken. Weiterhin ist mir nicht klar, wie Lebensmittel reagieren die periodisch auf mins 40 Grad gekühlt und dann wieder auf minus 20 Grad “erwärmt” werden. Das Elektroauto tut ein Übriges; nichts schreit mehr nach Energie als ein leer gefahrenes E-Auto. Selbst ein einfacher Plug-in Hybrid muss leicht 6h laden, um seine 12 kWh zu tanken. Wo soll man da bitte Last verschieben, wenn ich abends um 20 Uhr zu Hause bin und um 6 Uhr wieder weg möchte? Einzig der Stuttgarter Flughafen hat sich bereit erklärt im Notfall eine grosse Last abzuwerfen, weil man davon ausgeht, daß die Passagiere im Winter auch mal ein paar Stunden frieren oder im Sommer schwitzen können. Ein solcher Lastabwurf sollte sich aber nach 1h wieder erledigen, sonst merkt man es schon sehr stark (im Fall Flughafen ohne Klimatisierung).
Aus der Mühle schaut der Müller, Der so gerne mahlen will. Stiller wird der Wind und stiller, Und die Mühle stehet still. So gehts immer, wie ich finde, Rief der Müller voller Zorn. Hat man Korn, so fehlts am Winde, Hat man Wind, so fehlt das Korn. (Wilhelm Busch) Die Realsatire “fehlender Strom” kann man in einem Artikel der FAZ finden, wenn man den Titel “Der Tag, an dem der Strom knapp wurde” sucht. Der Michel wird in Sicherheit gewogen, es werden einfach die Industrieverbraucher vom Netz genommen, denn Industrieproduktion braucht man in einem Land, in dem es mehr Genderbeauftragte als Dreher gibt, offenbar nicht mehr.
Ich verstehe die Botschaft und stimme grundsätzlich mit ihr überein. Dennoch übertreibt der Autor meiner Auffassung nach. Ich war als Schüler in den 80iger Jahren zur Exkursion in einem Umspannwerk. Da habe ich die Verbrauchskurven gesehen. Seit dieser Zeit versuche ich meine Verbräuche (Geschirrspüler, Waschmaschine) in die verbrauchsarmen Zeiten zu legen und fühle mich als “Held”. Mir scheint das eine sinnvolle Sache zu sein, völlig unabhängig von der Energiewende. Ich werde mein Verhalten mal versuchen, auf die aktuelle Situation anzupassen. Ich bin durchaus der Meinung, dass wir unsere Versorgungssicherheit nicht aufs Spiel setzen sollten. Aber die Hysterie des Artikels in Anbetracht eines Experiments teile ich nicht.
Die Bundesnetzagentur hat doch bereits zur Steuerung des Stromverbrauchs mittels variabler Preise das “Hochlastzeitfenster” eingeführt und es wird zumindest jetzt schon bei Großverbrauchern eingesetzt. Deswegen nutzen Schiffe im Hamburger Hafen den sog. Landstromanschluss u.a. wg. der Hochlastpreise nur sehr eingeschränkt. Und der grid-meter zur Messung des stundenweisen Stromverbrauchs der Privathaushalte ist m.W. EU-mäßig schon Gesetz und muss von den Ländern umgesetzt werden. Also, nach dem Motto WIR SCHAFFEN DAS ist doch alles auf dem richtigen Weg.
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