Überraschung: „Die Germanen hat es nie gegeben“

Mega-Brandneues aus der Geschichtsforschung: „Die Germanen hat es nie gegeben“, so frohlockt die WELT am 21. September den neuesten „heißen Scheiß“. Das war nämlich lediglich ein römischer Sammelbegriff für die ungewaschenen Horden jenseits des Rheins, die mit ihren Tieren gemeinsam in einem elendigen Bretterverschlag wohnten. Jawohl. Das ist dem Tacitus seine Schuld.

Nun lässt sich ja sicher nicht darüber streiten, dass es keinen „germanischen Staat“ gab, erst recht nicht in einer derart zentral und straff geführten Form wie das Imperium Romanum. Es stimmt auch, dass Cherusker, Franken, Chatten, Alamanen, Sueben und die anderen lustigen Großfamilienclans alles andere als eine homogene Masse gewesen waren, die auch nur ansatzweise in der Lage gewesen wäre, ein eigenes Staatengebilde zu schaffen. Gemeinsame Überfallaktionen wie die Vernichtung der drei Legionen des Varus wirkten nicht identitätsstiftend. Immerhin aber gelang es Arminius, ein paar der weit verteilten Stämme zu einem kurzfristigen und kurzzeitigen Firmenkonglomerat mit Geschäftszweck „Metzeln und Plündern“ zusammenzubringen.

„Das ganze Deutschland soll es sein“, galt als Devise erst, als Napoleon seine „heiligen römischen Reichsnachbarn“ als Supermarkt für Königstitel zugunsten seiner Entourage und gut gefülltes Menschenmateriallager für seine Grande Armée betrachtete. Und selbst danach versuchten die einzelnen Königreiche und Fürstentümer noch ungefähr 60 Jahre, ihre Unabhängigkeit voneinander und erst recht vor einem preußisch dominierten Deutschland zu wahren.

Auf deutschem Boden war schon immer etwas los

Dies soll jedoch kein Geschichtsessay werden. Die eigentliche Frage lautet doch, warum die WELT meint, den Rest der Welt über eine Tatsache aufklären zu müssen. Ebenso könnte man titeln, „Die Sonne hat sich nie um die Erde gedreht“ oder „Die Erde war nie eine flache Scheibe, an deren Ende man hinunter purzelt“. Vielleicht bin ich ja zu sehr Schelm, wenn ich behaupte, wenn ich den Eindruck gewinne man möchte damit ein bisschen „gegen Rechts“ arbeiten und darstellen, dass „Deutschland schon immer ein Einwanderungsland war“.

Aber selbst wenn es so wäre und meine kühne These zuträfe: Auch dann würde nichts Neues erzählt. Hier sind eine ganze Menge Leute durchmarschiert: Franzosen, Italiener, Russen, Slawen, Schweden, vertriebene Hungenotten ebenso wie eingeladene holländische Facharbeiter, Hussiten, arbeitssuchende Polen – auf deutschem Boden war schon immer etwas los. Übrigens auch auf polnischem oder französischem oder englischem Boden. Nur war allen diesen Zuwandernden gemeinsam, dass sie fleißig und arbeitsfähig und -willig waren und auch bereit, sich zu integrieren.

Schlicht, um ihr Glück zu finden. Und mögen sie auch anfangs vielleicht verspottet oder benachteiligt gewesen sein – ihr Wille und ihre Arbeitsleistung integrierten sie in die einzelnen Stämme und Gegenden und Fürstentümer und Königreiche, in die sie migrierten. Die wollten mitmachen und mitwirken. Und das erste einende Band war die Sprache, das zweite einende Band meist die Religion, danach gleiche oder ähnliche Kultur.

Es geht weniger um den Inhalt als um die Message

Ich glaube, viele, wenn nicht sogar alle Diskussionen würden wir nicht führen, wenn es beispielsweise in England zu einer derart großen Katastrophe (also, noch ganz viel schlimmer als der Brexit, und der wird ja schon grauenhaft, glaubt man den Auguren) käme, dass sich Deutschland und die EU plötzlich einem Ansturm von 55 Millionen Engländern ausgesetzt sähen. Engländer und Deutsche teilen viel mehr Kultur und Unkultur, als dass sich daraus eine generelle Abneigung zwischen „schon länger hier Seienden“ und „neu Hinzukommenden“ bilden könnte. Solange das Wembley-Tor außen vor bleibt.

Die meisten Deutschen (so wage ich zu behaupten) sprechen ein Englisch, das es ihnen erlaubt, mit ihrem Gegenüber zumindest rudimentär zu kommunizieren („Plies du awäy se pistol, ei will giff ju mei wotsch änd se manni“), umgekehrt bin ich ziemlich sicher, dass sich unsere englischen Einwanderer aufgrund der gemeinsamen Wurzeln in der indogermanischen Sprachgruppe relativ fix die deutsche Sprache aneignen könnten und würden. Außer vielleicht in Nordfriesland und Oberbayern, aber die werden ja nicht einmal im nächsten Landkreis noch ordentlich verstanden, Heilandssaggkruzitürkennochamol.

Nein, so interessant uninteressant das Thema auch sein mag, man will wohl weniger weiterbilden, als vielmehr belehren und so einem in linken Teilen der Gesellschaft zum Credo gewordenen „Deutschland? Gibt’s nicht!“ unbezahlte Rechnung tragen. Es geht hier weniger um den Inhalt als um die Message.

(Weitere Hygieneartikel des Autors auch auf www.politticker.de)

Foto: Schauspielhaus Leipzig/Rolf Arnold

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Karl Schmidt / 23.09.2020

Es gibt ja auch keine Geschlechter: Das ist nur ein gedankliches Konstrukt. Die germanischen Stämme waren zerstritten und sehr unbeständig. Aber sie besaßen natürlich trotzdem eine kulturelle Klammer wie z. B. eine (sehr ähnliche) Sprache und Religion - obwohl es auch hier regionale Unterschiede gab. Für Stammesstrukturen (ohne Zentralgewalt) ist das alles nicht ungewöhnlich; das heißt aber nicht, dass es nicht ein von anderen Völkern abgrenzbare Menschengruppe gab, die man als Germanen bezeichnet (und z. B. im Englischen auch als Bezeichnung überdauert hat). Dass römische Geschichtsschreiber vor allem unter innenpolitischen Gesichtspunkten schrieben, scheint den Redakteuren der Welt unbekannt zu sein. Das kommt davon, wenn man den Geschichtsunterricht cancelt (und das für Kultur hält). Doch ihre Abstammung können die Produzenten solcher Artikeln nicht verleugnen, denn so waren die Germanen: überwiegend tumb.

Rudolf Dietze / 23.09.2020

Die Risse werden tiefer. Die deutsche Gemütskultur wird geleugnet und findet kaum noch statt. Ob die Briten noch ihren 5 UhrTee trinken, bezweifle ich. Alles nur noch hoplla hopp und hutri wutri. Geschichte wozu, wir haben Gesprächsrunden mit den immer “gleicheren” Gästen, die uns erklären, was wir zu denken haben. Konsum als Gott hilft der Wirtschaft, treudeutsch sollen wir im eigenen Land Urlaub machen auch das hülfe der Wirtschaft. Morgen werden wir wieder die europäischen Länder zu einem Großreich einen, da wäre eine Fahne oder deutsche Vergangenheit oder Vorfahren nicht hilfreich.

Dr. Joachim Lucas / 23.09.2020

“Die Welt”, wer liest denn noch sowas?

Rudi Knoth / 23.09.2020

@Ralf Isleif Ich war schon in Bielefeld. Aber eventuell fand die Varusschlacht in Bielefeld statt.

Jochen Lindt / 23.09.2020

Merkelpolitik.  Hier vertreten von der Springerpresse. Die Begriffe “deutsche Nation” und “deutsches Volk” kommen Merkel nie über die Lippen.  (Da fällt mir ein: Zittert sie noch wenn die deutsche Nationalhymne gespielt wird ?).

Rainer Niersberger / 23.09.2020

Das Merkelblatt “Welt”, deutlich gefährlicher als die offen linksradikalen Erzeugnisse, vermittelt ja hin und wieder den Eindruck einer Regimekritik, natuerlich aus taktischen Gruenden. Nun wanzt sie sich wieder einmal mit dem Anstrich des sensationellen historischen Befundes an den Merkelplan der Aufloesung dessen, was man gemeinhin mit “deutsch” betitelt, heran. Eine Art psychologischer Vorbereitung und Einstimmung nach dem Motto, dass man nichts verlieren kann, was man nie hatte. Abgesehen davon, dass es sich hier um sattsam Bekanntes handelt, wobei der Sammelbegriff der untereinander   durchaus unfreundlichen Staemme als gemeinsamen Feind der Roemer durchaus Sinn macht, vergleichbar dem Sammelbegriff “Indianer”, die mit den Indern auch eher wenig zu tun hatten und sich ebenfalls die Köpfe einschlugen. Aber die und deren kulturelle Gemeinsamkeiten, die es auch unter den Staemmen der Germanen gab, lassen wir natuerlich “leben”, genauso wie die Sinti und Roma und alles, was sonst noch existiert und natuerlich geschützt werden muss, das Eigene, auch wenn es erst, je nach Definition, mit den Franken oder ein paar hundert Jahre spaeter erste (kulturelle) Formen annahm, ausgenommen. Vermutlich ist den bestenfalls halbgebildeten Journos der Welt auch die Existenz einer althochdeutschen Sprache nicht bekannt. Wieder mal einer der intellektuell unterirdischen Versuche im Auftrag von Springer/Merkel, Deutsches zu negieren oder der Euthanasie zu uebereignen. Aber wer liest dann von den Uebriggebliebenen noch “Welt”? Nur in vulgaerarabisch. Da faellt mir ein, dass es, sogar bis heute, reine, dort gepflegte und verteidigte Stammesgesellschaften gibt, gerne auch mit Sammelbegriffen versehen. Aber an die gehen die mutigen “Weltjournos” ” sicher nicht ran.

R.Stefan / 23.09.2020

Kann mir mal jemand sagen, warum dann alle in dieses angeblich fiktive Ödland wollen ?  OK - ich verstehe, daß mit Sicherheit Uschis finstere Gesellen( also Ernst&Young; samt eingegliedertem vdLeyenschem Familienclan) da noch ein wenig Nektar mühevoll laben möchten. Aber mal im Ernst- auch mit dem neuesten Smartphone kann sich doch der dümmste Wanderdünenanrainer ein Bild vom wahren Deutschland machen-also von bauchschlitzenden Neonazi-Horden mit geübtem Höcke-Blick auf der Jagd nach allem, was nicht mindestens so pigmentiert ist wie Ötzi in der Sonne nach jahrelang freigelegter Gletscherlage.

Thomas Taterka / 23.09.2020

Je älter wir wurden , desto mehr haben wir gelacht. Das war irgendwie schon schlau, vielleicht sogar “weise”. - Aber dann sind wir alle paar Jahre losgedackelt und haben die FDP wieder gewählt. Das war unser bester Witz : immer das gleiche tun, aus tollkühner Abenteuerlust. Wie die alten Germanen.

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