Was einen immer wieder sprachlos macht, ist die Harmonie oder positive Korrelation zwischen Nichtwissen und Meinung. Es beginnt mit der Verteufelung “der Chemie”, die den Ruf hat, nur Gift zu sein, aber alles was “Natur” ist zu verherrlichen. Es gibt diesen Gegensatz gar nicht, alle Natur ist Chemie, die stärksten Gifte (Digitalis, Butolinustoxin) sind Naturstoffe, ebenso Hormone (Cortison um Gotteswillen:) es gibt eine Bonmot aus der Endokrinologie: wenn wir keine Nebenniere hätten, hätten wir kein Aldosteron und würden sterben, wenn wir keine Nebenniere hätten, hätten wir kein Cortisol und würden sterben, wenn wir keine Nebenniere hätten, hätten wir keine Sexualsteroide und würden sterben wollen), ohne sie wäre kein Organismus lebensfähig. Ich will keinem vorwerfen, die Avogadro Konstante nicht zu kennen, aber so offensichtliche Diskrepanzen zwischen angeblicher Zunahme an Umweltgiften und verlängerter Lebensdauer muß doch jedem auffallen. Wo sind die Dieseltoten oder Feinstaubtoten nach Sylvester? Es gibt sie nicht, weil die Epidemiologen mir ihren statistischen Berechnungen über eine Verkürzung der Lebenszeit um ein paar Stunden durch “Umweltgifte” keinen Hund hinter dem Ofen vorlocken würden, also rechnet man diese Stunden auf Menschenleben um und schon hat meine Schlagzeile über Umwelttote, die dann von Halbwissenden an Unwissende verkauft werden kann. Wie war das noch mit Einstein und der Unendlichkeit des Universums und der Dummheit?
Das Beispiel mit dem Atemzug hinkt nicht nur, es hat nicht einmal Holzbeine. Zunächst ist es unsinnig von Luftmolekülen zu sprechen, da Luft ein Gasgemisch und keine molekulare Verbindung ist. Aus diesem Grund ist die bei der Berechnung zugrundliegende Avogadrozahl nicht anwendbar, da sie sich auf reine Gase unter Normbedingungen bezieht. Dem moribunden Kaiser einen letzten Atemzug von 2l Volumen zu unterstellen ist ebenso abenteurlich. Der Rest ist eine Zahlenspielerei für den Stammtisch.
@anders Dairie: ersetze DU durch DUH
@ Rainer Steppkes : Schüler aus Linz haben eine Aktion durchgeführt um die Substanz Dihydrogenmonoxid zu verbieten. An eine Stand in der Innenstadt wurde die schädlichen Eigenschaften dieser Verbindung aufgelistet. 1.) das unabsichtliches inhalieren dieser Substanz tödlich wirken kann. 2 .) in gasförmigen Zustand schwere Verbrennungen verursachen kann. 3. ) ein Hauptbestandteil des sauren Regens ist . 4.) zur Erosion beiträgt. 5 .) die Wirksamkeit von Bremsanlagen von Autos verringert. 6.) im Tumorgewebe unheilbar kranker Krebspatienten gefunden werden kann. Von 361 antwortwilligen Befragten sprachen sich 357 für die Forderung aus, diese Substanz ( Dihydrigenmonoxid ) sofort zu verbieten. Wie würden Sie entscheiden ? Das Ergebnis macht deutlich wie unkritisch, uninformiert und leicht manipulierbar der Mann / Frau ist. Die Befragung war am 22 März 1998. dem internationalen Wassertag. Dihydrogenmonoxid ist Wasser Aus DVGW-Nachrichten 16. Jahrgang Heft 3 September 1998
Kleine Meckerei am Rande. Mit der Chemie haben es sogar Autoren mit MINT-Hintergrund nicht unbedingt, hier stoße ich mich an “giftige Schwermetall Tributylzinn (TBT)”. Zinn zählt (allein aufgrund seiner Dichte) zu den Schwermetallen, korrekt. Es ist aber, natürlich in moderater Dosis, insbesondere in den Grenzen, die z.B. die Grundlage der internationalen Chemikaliengesetzgebung (UN GHS) vorgibt, NICHT giftig. Die LD50, falls sie überhaupt je bestimmt wurde, liegt weitaus darüber. Ebenso wenig giftig ist das Schwermetall Eisen, um nur ein anderes Beispiel zu nennen. Es gibt durchaus sehr giftige Eisenverbindungen, z.B. Pentacarbonyleisen, das sich aber im menschlichen Körper aus Eisen oder Eisenverbindungen nicht bilden kann. So ist es auch mit TBT. TBT ist übrigens auch keine Verbindung, sondern steht für eine Stoffgruppe, nämlich die Tributylzinnverbindungen, zu denen z.B. TBTO (Tributylzinnoxid) gehört. Und noch etwas: Manche Schwermetalle, z.B. Eisen, Cobalt usw. sind essentielle, also lebensnotwendige, Spurenelemente. Ein Mangel ist dann genauso schädlich wie eine Überdosis. Wenn man das gesundheitliche Wohlbefinden gegen die Konzentration aufträgt, ergibt sich in diesen Fällen eher so etwas wie eine Glockenkurve.
Der Begriff “Luftmoleküle” ist purer Unsinn, da Luft ein Gasgemisch ist und keine chemische Verbindung. Einige der Gase liegen in molekularer Struktur vor, die Edelgase atomar. Die Zusammensetzung der Luft dürfte außrrdem variieren.
Vor vielen Jahren diskutierte ich (Chemielehrer) mit einer Elternbeirätin über Dioxinfunde in der Nähe des Müllheizkraftwerks Heusenstamm bei Offenbach. Meine Frage, wieviel Dioxin man denn gefunden habe, konnte sie nicht beantworten. Sie regte sich nur fürchterlich darüber auf, dass ich eine derartige Frage überhaupt gestellt habe. Allein die Tatsache, dass man es gefunden hätte sei doch schrecklich genug. Argumentieren ließ sich hier nicht. Am Ende hatte man auch nicht mehr gefunden als an jedem anderen Ort in Deutschland. Und das war weit unterhalb jeder Schwelle. Um sich zu vergiften, hätte man mehrere Tonnen Erde essen müssen.
@Klaus Müller: Gemeint sind 6 mal 10 hoch 22 Moleküle, also 6 x 1000 000 000 000 000 000 000 0. Der Autor hat nur “ungefähr 2.2 Liter Luft”, also einen flachen Atemzug sehr kompliziert in Worte gefasst. Physikalische Hintergründe: Die Zahl 6.02245 x 10^23 (dreiundzwanzig, kein Fehler) ist die Anzahl Teilchen in einem Mol einer Stoffmenge, also etwa die Anzahl Atome Kohlenstoff in 12 Gramm Kohlenstoff der Massenzahl 12. Benannt ist diese Konstante nach dem italienischen Wissenschaftler Amedeo Avogadro. Ebendieser ist aufgrund der Vorarbeiten anderer Wissenschaftler draufgekommen, daß ein Mol eines idealen Gases (Idealisierung: punktförmige Teilchen ohne Ausdehnung, die nur bei Kollisionen miteinander wechselwirken) bei 1 bar Druck und 0 Grad Celsius ein Volumen von 22.4 Litern einnehmen. Für reale Gase bei nicht zu großem Druck ist das in vielen Fällen eine ausreichende Näherung, die man zum Erkenntnisgewinn weiter verwenden kann.
Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.