Rainer Bonhorst / 28.02.2019 / 15:00 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 20 / Seite ausdrucken

Über betagte hellhäutige Personen nichtweiblichen Geschlechts 

Schon wieder musste ich mich mit dem bescheuerten Begriff „alter weißer Mann“ herumschlagen. Ich halte diesen Begriff für das Unwort der Saison, vorzugsweise benutzt von mehr oder weniger hoch betagten weißen Frauen. Als unmittelbar Betroffener, alt, weiß und Mann, möchte ich ein paar Dinge zurechtrücken.

Erstens: In dem Sinne, in dem der alte Mann als weiß bezeichnet wird, ist er ein soziales Konstrukt. In der Schule lernen unsere Kinder längst, dass es keine Menschenrassen gibt, sondern dass wir alle mehr oder weniger gemischt sind. Ich teile diese Ansicht in Maßen, kann aber nicht leugnen, dass meine Augen zwischen Roberto Blanco und Heino optische Divergenzen wahrnehmen. 

Trotzdem: Da wir alle gemischt sind, möchte ich das auch für mich beanspruchen. Ich bin nicht weiß. Ich bin schlimmstenfalls das, was die Engländer „off white“ nennen. Also sagen wir: Richtung Elfenbein, stellenweise ins Rosa tendierend, also sagen wir: altrosa. Nehmen wir den einen oder anderen Altersflecken hinzu, kommt sogar die Farbe Braun ins Spiel.

In der inoffiziellen amerikanischen Rassenkunde gab und gibt es stellenweise immer noch das Prinzip: One drop. Das heißt: Wer auch nur einen Tropfen afrikanischer Farbgebung aufweist, gilt als schwarz. So kommt es, dass viele Afro-Amerikaner, die sich farblich näher bei Heino als bei Roberto Blanco aufhalten, als schwarz gelten. 

Ich möchte aus rein egoistischen Gründen den Spieß umdrehen und die One-Drop-Regel auf das Weiße in uns anwenden. Folgt man ihr, so ist die Zahl derer, die der Vorwurf „weiß“ trifft, um ein Vielfaches größer als angenommen. Mancher, der sich vor dieser Brandmarkung sicher fühlte, findet sich dank mehrer heller Tropfen auf einmal im Heer der Weißen wieder, mit all den Konsequenzen, die das nach sich zieht. Mir würde das passen, weil auf diese Weise die weiße Schuld, die man als Träger dieser Farbe bekanntermaßen mit sich herumzuschleppen hat, so auf mehr Schultern verteilt und etwas gemildert wird.

Hoffnungslosen Fälle im Sinne einer Reeducation

Viel bringt das allerdings nicht, denn dieser Text handelt ja nicht nur von der Farbe Weiß, sondern auch vom Aggregatzustand „Mann“. Wie jeder entlassene Bergmann und jeder Schichtarbeiter bei der Müllabfuhr weiß, ist es ein gewaltiges Privileg, ein Mann zu sein. Und da es ein unverdientes Privileg ist, bewegt sich das Mannsein am Rande des Unzulässigen. Dem kann nur durch eine Erziehungskur, genauer: durch eine Entziehungskur entgegen gewirkt werden. Das ist kein hoffnungsloses Unterfangen, da ja auch die Geschlechtszugehörigkeit ein soziales Konstrukt ist. 

Zwar nehmen meine Augen, um diese Sinnesorgane noch einmal zu bemühen, optische Divergenzen zwischen Sophia Loren und Arnold Schwarzenegger wahr. Aber bei beiden handelt es sich um Personen, deren Alterungsprozess durchaus fortgeschritten ist, auch wenn man es ihnen dank gegensteuernder Maßnahmen auf den ersten Blick nicht ansieht. Aber ihr Alter macht beide, den Macho und die Sex-Bombe, zu hoffnungslosen Fällen im Sinne einer erfolgversprechenden reeducation. Was man mit Hänschen nicht hingekriegt hat, da ist bei Hans Hopfen und Malz verloren. Die ganze Hoffnung des social engineering hängt nun mal am Hänschen.

Womit wir beim dritten Punkt, dem Alter wären. Das Alter ist natürlich ein Problem. Es lässt sich auch durch Umerziehung nicht aufhalten. Es lässt sich nur insofern zum sozialen Konstrukt umdenken, als man die Grenze des Altseins flexibilisiert. 50? 60? 70? 80? Keine Frage, irgendwann ist man alt. Aber dieses Irgendwann ist politisch unbefriedigend.

Befriedigender ist es, den Alterungsprozess weltanschaulich zu beschreiben. Danach kann man sagen: Alt ist, wer sich den akzeptierten Meinungs- und Haltungsmoden entzieht. Das ist umso passender, als man sich heute nicht mehr darauf verlassen kann, dass die alten Herrschaften an ihrem textilen Modeverhalten zu erkennen sind. Zu viele alte Knaben sehen so aus als hätten sie sich von der Outfittery ausstaffieren lassen. 

Skinny Jeans und die dazu passenden Meinungen

Aber verwickelt man sie in eine Diskussion, wird ihr Alter früher oder später sichtbar. Natürlich nicht immer: Alter schützt bekanntlich vor Torheit nicht. Es gibt genügend Alte, die nicht nur Skinny Jeans, sondern auch die dazu passenden Meinungen tragen. Aber die meisten Alten schaffen das einfach nicht. Das liegt daran, dass sie nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich schon länger hier sind. Und das hat zur Folge, dass sie schon eine ganze Abfolge von Moden miterlebt haben. Sowohl in der textilen als auch in der Denk-, Meinungs- und Haltungs-Mode.

Im Rückblick haben die abgelaufenen textilen und Meinungs-Moden leider immer etwas Lächerliches. Das Fokuhila der Siebziger wirkt in einer Zeit, in der man sich beim Herren-Haarschnitt eher vom Dritten Reich inspirieren lässt, geradezu grotesk. Auch was das Meinen und Denken angeht, so hat jede Epoche ihre ganz eigene Idiotie. Ich sage nur: Stamokap-Jusos. Die Idiotien vergangener Epochen liegen sonnenklar vor einem. Aber der junge Mensch der Gegenwart meint, dass er endlich und abschließend den Stein des Weisen gefunden hat. Der Alte hingegen weiß aus Erfahrung, dass eines Tages wieder die nächste Sau durchs Dorf gejagt wird und dass man sich über die Sau von heute dann kopfschüttelnd lustig machen wird.

Dieses Alten-Phänomen macht sich auf zweierlei Weise bemerkbar: Die einen schütteln den Kopf und ärgern sich, die anderen schütteln den Kopf und lachen sich 'nen Ast. Dieses Waldorf-und-Statler-Phänomen trägt natürlich nicht zur Dynamik des Geschehens bei. Die Balkon-Szene der alten Nörgler kann die Muppet-Show nicht tragen. Ernie und Bert bleiben mit ihrem jugendlichen, aber eben auch komischen Elan die Hauptfiguren. Aber ohne Waldorf und Statler würde der Show auch etwas fehlen.

Ist es ein Zufall, dass es sich bei den beiden Symbolfiguren um betagte hellhäutige Personen nichtweiblichen Geschlechts handelt? Nein. Und hier stelle ich nun meine letzte Frage: Ist es nicht diskriminierend, dass man die Frauen ganz aus dieser Sache heraushält? Hätten sie, wenn sie die beiden übrigen Kriterien erfüllen, nicht auch einen Platz auf dem Balkon verdient? Im Prinzip ja. Aber ein gestrig erzogener alter weißer Mann, würde eine gleichaltrige Frau zwar ohne Bedenken als weiß bezeichnen, aber er würde sie niemals alt nennen. 

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Sabine Schönfelder / 28.02.2019

Sehr geehrter Herr Bonhorst, Sie vergaßen in Ihrer ausführlichen und leicht angewiderten Darlegung der Verunglimpfung des konservativen, offensichtlich migrationslosen, hellhäutigen Mannes eine Vokabel, die dieser bösen Alt-Herren-Masche den Giftstachel versetzt, nämlich ‘toxisch’! Bei der Kampagne handelt es sich um die kleingeistige Retourkutsche minderbegabter, tendenziell geistig unterbelichteter Weiblichkeit, die nicht aus der einst vorherrschenden Männerdominanz lernte und Gleichberechtigung in einen gesellschaftlich angenehm akzeptablen Modus führt, sondern sich durch eine aus grünem Gutmenschen-Hause organisierte Rufmordinitiative an den älteren Männern rächen will. ( wer weiß, für was man die Gleichaltrigen noch braucht!) Obwohl mir Machos ein echter Greuel sind, kann ich heutzutage mit dieser ewigen Flennerei von Frauen u n d Männern nichts anfangen. Weinen war einmal Ausdruck schweren menschlichen Leids. Heute wird ständig geheult, aus Liebe, Rührseligkeit, Mitleid, echter und falscher Anteilnahme, es ist zum inflätionären Gefühlszustand verkommen. ( Hallo Klausi Kleber!) Wer heute nicht mithält bzw. -heult in der angesagten gesellschaftlichen Gefühlsduselei, ist ein alter toxischer Mann! Seid stolz Jungs auf diesen Titel oder wollt Ihr lieber heulsusige Weicheier sein, wie die jüngeren Generationen? Über herrische, männerdominierte Migranten oder bereits hier gesettelte Abstämmige, verliert unsere gefühlsgeschüttelte Weiberriege keinen Ton. Diese Jungs würden sich das auch nicht gefallen lassen. Zu recht!

fritz kolb / 28.02.2019

Wenn wir alten, weissen Männer weiter charmant bleiben (gelernt ist gelernt), dann kommt das denjenigen Frauen zugute, die wir und die umgekehrt auch uns schätzen und respektieren. Meine junge Ehefrau, meine sehr lustige Schwester, mein Sportcoach, meine Tante und mein weiblicher Freundeskreis insgesamt. Die Samthandschuhe ziehe ich aus, wenn es um meinen Job geht, um Bessermenschinnen die mir begegnen und die mein Auto zu laut finden, und natürlich Politneutren wie Dreyer, KGE, Bärbock, Schwesig, Barley, Murksel, AKK, Roth, vdL und wie sie sonst noch alle heissen. Ich sehe am Horizont tatsächlich einen neuerlichen Geschlechterkampf heraufziehen, matriarchalisches “Gedöns” nervt unsäglich, und ihre Sozialromantik hat schon viel zu viel Schaden in unserem Land angerichtet.

Marc Blenk / 28.02.2019

Lieber Herr Bonhorst, wenn die JüngerInnen des Genderdenkens sich erstmal mit den FeministInnen an den Kopp kriegen, sitze ich in der Balkonloge wie Waldorf oder Statler und schaue mir die Narrenshow in aller Behaglichkeit an.  Ein unauflösbarer Widerspruch. Denn konnte sich der Transsexuelle, der einst ein Mann und nun eine Frau ist, sich sein Geschlecht aussuchen? Wohl kaum, sonst hätte er/sie sich ja nicht dem Stress ausgesetzt, sich umoperieren zu lassen. Dann hätte er/sie nur sagen brauchen, ab jetzt bin ich eine Frau und damit basta. Ich bleibe lieber schwarzes Schaf und lasse ab und zu von oben eine Wassermelone zwischen die Füße der DiskuTantInnen fallen.

H.Milde / 28.02.2019

Hmmmm, im Frängischen gäb´s do oin Pendant zom Waldorf & Statler, nämlich Waltraut & Mariechen.  Hellau. ; )

Petra Hansen / 28.02.2019

Lieber Herr Bonhorst, die Parität bei seltsamen bzw. komischen Pärchen ist zumindest bei Hergés Schulz und Schulze erreicht. Ich würde sogar sagen, mit (Kerosin-)Katha Schulze und Ministerin Schulze sogar übertroffen.

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