Joachim Nikolaus Steinhöfel / 29.05.2020 / 06:10 / Foto: Pixabay / 66 / Seite ausdrucken

Twitter, Trump und die Faktenchecker

Am Mittwoch war wahrhaftig kein guter Tag für die sog. „Faktenchecker“. Und zwar auf beiden Seiten des Atlantiks. Bei uns verbot das Oberlandesgericht Karlsruhe der umstrittenen Organisaton „Correctiv“ per einstweiliger Verfügung den „Faktencheck“ einer Meinung als rechtswidrig. Auf der anderen Seite des Ozeans wagte Twitter eine Attacke auf seinen Großkunden Donald J. Trump. Die Kritik an Trumps Reaktion ist begründet, allerdings stehen ihm rechtlich Möglichkeiten offen, die hierzulande völlig übersehen wurden.

„Der Online-Dienst Twitter hat erstmals Kurznachrichten von US-Präsident Donald Trump mit Warnhinweisen versehen und einem Faktencheck unterzogen. Trumps Tweets über eine vermeintliche Betrugsgefahr bei Briefwahlen ‚enthalten potenziell irreführende Informationen über Wahlprozesse‘, teilte Twitter mit. Daher seien sie gekennzeichnet und um zusätzlichen Kontext zu Briefwahlen ergänzt worden,“ berichtete tagesschau.de.

Die Reaktion von Trump auf diese Maßnahme kam prompt. Er tweetete am 27.05.2020:

„Republicans feel that Social Media Platforms totally silence conservatives voices. We will strongly regulate, or close them down, before we can ever allow this to happen.“

Die Drohung, ein Unternehmen, dass seine politische Äußerung in Zweifel zieht, schließen zu wollen ist ebenso töricht wie auch in den USA unmöglich und verfassungswidrig. Es dokumentiert auch ein äußerst fragwürdiges Verständnis von Demokratie und Meinungsfreiheit. Dass die sozialen Medien auch in den USA allerdings eine deutliche politische Schlagseite haben, hat selbst Facebook-Chef Mark Zuckerberg im Kongress eingeräumt.

„First, I understand where that concern is coming from because Facebook and the tech industry are located in Silicon Valley, which is an extremely left-leaning place.“

Das entscheidende Problem mit dem redigierenden Eingriff von Twitter liegt aber in einem ganz anderen Bereich, der in der hiesigen Berichterstattung nicht thematisiert wurde. Und zwar in Section 230 des Communications Decency Act. Diese richtungsweisende Vorschrift der Gesetzgebung für das Internet in den USA stellt die sozialen Medien weitestgehend von jeder Haftung für Inhalte Dritter frei.

„No provider or user of an interactive computer service shall be treated as the publisher or speaker of any information provided by another information content provider.“

Wenn sie sich aber wie Verlagshäuser publizistisch einmischen, redigieren, bewerten oder kommentieren, so wie Twitter das jetzt erstmals gemacht hat, verlassen sie diesen privilegierten Bereich der stark beschränkten Haftung und laufen Gefahr, wie normale Verleger (publisher) behandelt zu werden. Dies würde zu drastisch erhöhten Haftungsrisiken führen. Damit droht Trump. Und das ist rechtlich begründet und daher ernst zu nehmen. Mark Zuckerberg hat diese Gefahr sofort erkannt und sich umgehend distanziert:

“Ich glaube einfach fest daran, dass Facebook nicht der Schiedsrichter über die Wahrheit bei allem sein sollte, was die Leute online sagen.”

Er könnte seiner Äußerung hierzulande besondere Glaubwürdigkeit verleihen, wenn er die sinnlose Zusammenarbeit von Facebook mit „Correctiv“ umgehend beendet. Und mal ehrlich: Wer will denn schon mit einem Faktenchecker arbeiten, dem von einem Oberlandesgericht rechtswidrige Faktenchecks ins Stammbuch geschrieben wurden?

Update 1

Zwei Stunden nach dem erstmaligen Erscheinen dieses Artikels auf meiner Website gestern abend ist genau das geschehen, was oben als mögliche Option beschrieben wurde:

The executive order that Mr. Trump signed on Thursday strips liability protection in certain cases for companies like Twitter, Google and Facebook for the content on their sites, meaning they could face legal jeopardy if they allowed false and defamatory posts.”

Update 2

Anders als in Deutschland haben Gerichte in den USA, soeben erst ein Berufungsgericht in Washington D.C., gegen Nutzer entschieden, die gegen die großen Internetkonzerne wegen deren Eingriffen in die Meinungsfreiheit klagen. Dort heißt es, Facebook, Twitter & Co. seien keine staatlichen Akteure, weshalb man sich ihnen gegenüber nicht auf den ersten Verfassungszusatz (Freedom of Speech) berufen könne. In Deutschland ist das möglich, hier unterliegen die Konzerne als Quasi-Monopolisten (so OLG Dresden u.a.) einer mittelbaren Grundrechtsbindung. Die Anordnung von Trump könnte somit den durchaus positiven Effekt haben, das auch Nutzer in den USA sich mit Aussicht auf Erfolg gegen Grundrechtseingriffe von Facebook, Twitter usw. vor Gericht werden wehren können. Vor diesem Hintergrund sollte nicht vergessen werden, dass auch Trump sich schon vor Gericht verantworten musste, weil er Twitter-Nutzer unzulässig blockiert hatte.

Zur Abrundung ein Blick auf das Twitter-Profil von Yoel Roth, dem Chef der “Site Integrity” von Twitter, der die “Gemeinschaftsstandards” verfasst und durchsetzt. Roth nannte Trump und seine Mitarbeiter “ACTUAL NAZIS,” den Mehrheitsführer im US-Senat Mitch McConnell einen “Furzsack” (bag of farts) und bezeichnete alle Trump-Unterstützer als Rassisten. Das darf er ja so sehen und das darf er auch sagen. Ob das allerdings ein überzeugender Beleg für die gebotene Neutralität der Plattform ist, darf man bezweifeln. Aber was solls, Twitter-Chef Dorsey hat ja schon 2017 in einem Podcast offentlich erklärt, “Ich glaube nicht, dass wir es uns erlauben können, weiter neutral zu sein.”

 

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Foto: Pixabay

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Ulrich Jäger / 29.05.2020

@Dr. Armin Schmid. Da ist schon ein großer Unterschied zwischen Trump und Maas. Während Ersterer den Plattformen (Twitter, Facebook, ...) das Kommentieren von geäußerten Meinungen dann untersagt, wenn sie weiter unabhängige Plattformen und nicht redaktionell tätige Unternehmen sein wollen, macht der deutsche Außendarsteller das genaue Gegenteil: Er verpflichtet sie, jede geäußerte Meinung redigieren zu lassen. Und die Auswahl der Fakten bleibt diesen Faktencheckern als eine Wiedergeburt der nachmittelalterlichen Inquisition selbst überlassen. Und so, wie neuerdings Berliner Polizisten in Beweislastumkehr nachweisen müssen, nicht diskriminiert zu haben, muss hierzulande jeder, dessen Beitrag durch „Correctiv“ o.ä. gebrandmarkt wurde, vor Gericht ziehen, um sein Recht auf freie Meinungsäußerung durchzusetzen.

H.Störk / 29.05.2020

Tja, Twitter, Facebook und Youtube/Google müssen sich halt entscheiden: wollen sie neutrale Plattformen bleiben, auf denen jeder seine Meinung äußern darf? Dann sollten sie es sich verkneifen, diesen Meinungen “offizielle Kommentare auf Basis der offiziellen Firmenmeinung” hinzuzufügen. Oder wollen sie eben doch “offizielle Firmenmeinungen” verbreiten? Dann sind sie keine neutralen Plattformen, sondern Medien wie Zeitungen und Fernsehsender auch - und müssen sich an die gleichen Regeln halten wie diese.

J.R. Huels / 29.05.2020

@ Dr. Armin Schmid / 29.05.2020 Zitat ” Herr Trump will [..] den Haftungsschutz für falsche oder verleumderische Inhalte entziehen, also genau das, was der unselige Herr Maas hier mit seinem NetzDG durchgezogen hat und was in Deutschland zur de facto-Einführung von Zensur geführt hat. Das sollten auch Trump-Fans nicht bejubeln.” ————————————————————————————————————— Sie haben da was falsch verstanden, sinngemäß bedeuten die Aussagen: - - - Mass: “Per NetzDG machen wir euch für Inhalte haftbar, also ZENSIERT, wenn ihr keinen Ärger haben wollt!” ————- Trump: “Wenn ihr (rechtswidrig) zensiert, betrachten wir euch im Gegenzug als Herausgeber und machen euch entsprechend für Inhalte haftbar!” —— Der Unterschied sollte klar sein, Trump macht das genaue Gegenteil von Mass.

Marc Greiner / 29.05.2020

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das Wahrheitsministerium (Ministry of Truth) nicht mehr weit ist. Zumindest auf dieser Seite des Atlantiks. Trump hingegen macht mir Hoffnung.

Sabine Schönfelder / 29.05.2020

Gabriele@Klein. Ich bin ein Anhänger des Pluralismus und respektiere Ihre für mich leider oft unverständliche Meinung. Lese selten Ihre Kommentare, weil Sie sich nicht in meine Vorstellungswelt und Logik integrieren lassen; was sicherlich mein und nicht Ihr Problem ist. Wir beide müssen hier auf der Achse auch nicht direkt miteinander kommunizieren. Ich bitte Sie daher, behalten Sie es für sich, wenn Sie „meiner Meinung“ sind, denn ich verstehe nicht einmal, was Sie mir damit mitteilen möchten und auch falls Sie NICHT meiner Meinung sind. Wir beide müssen uns nicht überzeugen. Wir beide sind der klassische Ausdruck von Meinungsvielfalt. Nichts für ungut, Frau Klein.

Sabine Schönfelder / 29.05.2020

Frau @ Hagedorn, Respekt! ....und ganz meine Meinung. Es wird nur, ganz DIKTATORISCH, e i n e Meinung geduldet. Jede Alternative wird mittels Staatsfunk und sich krebsartig verbreitenden NGOs aus der Öffentlichkeit verdrängt und kann nur noch auf wenigen „alternativen“ Blogs existieren. Merkel, the „Queen of Agitäischen“ gab mit ihrer Vokabel, ALTERNATIVLOS, die wohl durchdacht als Diffamierungsgrundlage dient, die Richtung vor. Jede Alternative ist jetzt Nazi oder rechtsradikal. Es ist so einfach. Selbst derjenige, der nicht so genau die politischen Zusammenhänge versteht, weiß, daß „alles andere“, scheiß Nazi ist. Die Welt geht unter wegen CO2, deshalb kaufen wir Atomenergie von Nachbars; wir zerstören mittels Windindustrieanlagen unsere Natur, um zu überleben. Oder es rafft uns an Corona dahin, - wenn wir nicht genau Muddis Drehbuch folgen! Wo wären wir ohne Merkel und Millionen von Migranten, frage ich Sie, liebe Frau Hagedorn? Nur wegen ihr arbeiten wir für alle Südeuropäer und verschenken unseren Wohlstand, unsere Industrie, unsere Nation und unsere Identität. Nur mit Mundschutz und Gummihandschuhen sind wir glücklich. Wir brauchen keinen Spaß, keinen Sex, keine Kultur, keine Veranstaltungen, keine Kneipen, Bars oder Restaurants und bestimmt keinen Urlaub! Und schon gar nicht im versifften AUSLAND, bei unseren europäischen Freunden!! Wir sind zufrieden, wenn wir Merkel täglich nuscheln und watscheln sehen. Wir tragen jedes ihrer zahlreichen Pfündchen auf unseren Armen durchs Land. Das ist unser Urlaub, das ist uns genug. Gefällt Ihnen nicht??? Habˋ ich gewußt!!! SIE SIND VOLL NAZI!

Gabriele Klein / 29.05.2020

@Schönfelder:  Stimmt und im Grunde geht es darum die Korruption vor Gleichberechtigung und freiem Wettbewerb echter Leistung zu schützen.  Die ÖR neben deren Compliance Akten ich einen Ordner mit Familienverträgen vom Opa bis zum Urenkel vermute (1)  mag es nun wirklich nicht wenn dann jemand auf You tube daherkommt und ohne jedes Quetschgeld millionenfache Einschaltquoten erfährt, weil er tatsächlich was kann (1) So vermute ich mal ganz vorsichtig, dass es sich bei dem Familien Schauspiel- Unternehmen Thalbach mit alter DDR Tradition vielleicht gar nicht um ein reines Familienunternehmen handelt sondern eines der ÖR.  Ich rege an, der Klarheit halber den Kürzel ÖR plus die Generation in der sich sich das ganze bewegt, einer solchen “Gesellschaftsform” vielleicht hinzufügen. Irgendwie so wie die Kürzel e.V., AG und GmbH und OHG etc. . Im Programm könnten wir dann z.B. lesen   Katharina Thalbach, (ÖR1), Anna Thalbach (ÖR2), Nellie Thalbach (ÖR3) man sieht dann sofort es handelt sich A) um Einzelunternehmer innerhalb einer Familienunternehmung die B) innerhalb der ÖR angesiedelt ist und C) in welcher Generation. Das scheint mir aus der Perspektive des Normen und Gesellschaftsrechts irgendwie notwendig.  .

Peter Meyer / 29.05.2020

@Jörg Noa Es geht darum, daß die Konzerne in die Haftung genommen werden sollen, wenn sie redaktionell werden, also Nutzerinhalte verändern oder kommentieren. Das Gesetz soll sicherstellen, daß sie sich raushalten, um die Meinungsfreiheit nicht zu unterdrücken. Und potentiell strafrechtlich relevante Inhalte konnten früher auch schon gelöscht werden. In D ist es so, daß die Zensur der Medienkonzerne auf Anordnung der Regierung erfolgt und damit die Meinungsfeiheit ohnehin begraben ist.

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