TV-Programmvorschau:  Die Woche der Europawahlpanik

Wer sich vor dem Fernsehbildschirm auf die Europawahl einstimmen will, kann fast von einer Sendung in die nächste zappen, vor allem auf den öffentlich-rechtlichen Kanälen. Auffällig ist eine Zahl von Dokus, die – man kennt es – die gleiche Stoßrichtung zu haben scheinen.

Feindbild Brüssel – was wollen Europas Rechtspopulisten?“ fragte gerade die ARD, und die Sendung wird bis zur Wahl noch eine Handvoll Mal auf verschiedenen Sendern wiederholt. „In Italien, Frankreich, Ungarn, aber auch Deutschland droht 2019 das Jahr der Rechtspopulisten zu werden.“ Bei ZDFinfo läuft am Donnerstag „Schafft Europa sich ab? EU-Gegner auf dem Vormarsch“ (ebenfalls mehrere Wiederholungen bis zur Wahl) und auch dort fühlt man sich bedroht: „Laut aktueller Umfragen sollen rechtspopulistische Parteien bei der Wahl des EU-Parlaments zulegen. Sie alle setzen auf lautstarke Stimmungsmache gegen die EU. Dabei könnten die Folgen für Europa dramatisch sein.“ 

Was droht denn durch solche Parteien? Der gleiche Sender wiederholt am Sonntag die Doku „Die sieben größten Gefahren für die EU“, die auch schon letzte Woche auf Phoenix lief, und liefert eine Antwort: „Ein Europa ohne EU klingt unvorstellbar. Doch die Bedrohung scheint real.“ Ich kann mir das hingegen gut vorstellen, in meiner Kindheit gab es die Europäische Union noch nicht, sondern die Europäischen Gemeinschaften (EG) – und der Kontinent ist ohne die inzwischen erfolgten Schritte der Integration keineswegs untergegangen. Im Gegenteil, damals kam aus Brüssel noch kein beständiger Schwall an Verordnungen und Richtlinien, die in die täglichen Freiheiten eingreifen – von der Glühbirne und dem Staubsauger über den Waffenbesitz bis hin zum Tabak oder dem Internet. Aber auch von Kindheitserinnerungen abgesehen finde ich grundsätzliche Alternativen zum Status quo denkbar – was mich in den Augen der Redakteure und Dokuproduzenten wohl schon verdächtig macht. „Europas Feinde, sie beziehen auch im Inneren Stellung“: Hier wird der Kontinent mal wieder mit dem monströsen EU-Konstrukt gleichgesetzt.

Wer nicht für die EU ist, sei „antieuropäisch“, so auch die Sendung „Wahlkampf der Wutbürger“ (in einer Woche auf ARTE). Es „stellen sich die AfD, das Rassemblement National um Marine Le Pen und die Gelbwesten einem transnationalen Europa offen entgegen“. Damit nicht genug, auch „Ungarn und Polen stellen […] eine Gefahr für den europäischen Zusammenhalt dar“, wie die ZDFinfo-Doku „Wut auf Brüssel – Polen, Ungarn und die EU“ am kommenden Samstag warnt.

Irgendwie fühlen sich die Journalisten der Rundfunkbehörden von einer wilden Mischung an bedrohlich Andersdenkenden umzingelt. „Laut, forsch, national: Wie Salvini, Orbán & Co. Europa spalten“, heißt es heute im ZDF. Gelbwesten-Straßenprotestierer, Gauland mit seiner Hundekrawatte und ein Orbán, der seit Jahrzehnten zur EU-Elite gehört – alles wird in einen Topf geworfen und über einen Kamm geschoren. Wer von der auf zwangsgebührenfinanzierten Redaktionsfluren herrschenden Meinung abweicht, ist offenbar ein Spalter. Viktor Orbán und Matteo Salvini seien es demnach, „die die liberale Demokratie verachten“. Gehört zur liberalen Demokratie nicht auch, dass man verschiedene Auffassungen und unterschiedliche politische Entwürfe aushält und dass es Alternativen im Diskurs wie an der Wahlurne gibt?

Gehört zur vielbeschworenen Demokratie nicht auch, Mehrheitsentscheidungen bei Volksabstimmungen zu respektieren, Stichwort Großbritannien? Nein, nicht ganz. „Angriff auf die Demokratie – Wurde der Brexit gekauft?“ sendet ZDFinfo nämlich, mit Verweis auf Spendengelder für die Leave-Kampagne. „Brexit ungültig – Farage war gedopt“? Vielleicht sollte die Abstimmung einfach wiederholt werden, wie die Istanbuler Bürgermeisterwahl, bis das Ergebnis den lupenreinen Demokraten des Behördenfunks in den Kram passt …

Da wirkt eine Aussage zur heute Abend auszustrahlenden ARTE-Sendung „Demokratie unter Druck – Europa vor der Wahl“ unfreiwillig vielsagend: „Heute rebellieren in vielen Ländern Europas Menschen gegen die Demokratie“. Das sind aber nicht die Brexit-Anhänger, AfD-Wähler oder Gelbwesten, sondern diejenigen, die versuchen, die Brexit-Entscheidung von oben zu unterlaufen, oder die Junckers, die die Macht des Brüsseler Apparats gezielt immer mehr ausweiten, und gewiss auch alle, die dissidente Stimmen verteufeln. „Wenn die EU ein Staat wäre, und wenn dieser Staat die Aufnahme in die EU beantragen würde, müsste er zurückgewiesen werden – wegen mangelnder demokratischer Legitimation.“ So einer der ehemaligen Zwölf-Sterne-Generäle, nämlich Martin Schulz. Wer sind hier die Demokraten, möchte man fragen, und wer ist die Bedrohung für Europa? 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Novo.

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Leserpost

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Jörg Themlitz / 14.05.2019

Was mich persönlich überrascht, die Niveaulosigkeit. Die kaufen oder produzieren jeden Beitrag der die EU auf ein Podest hebt. Masse statt Klasse. Hoffnung, Quantität schlägt irgendwann in Qualität um? Vergangene Woche hat sich eine Truppe vom ZDF mit Dr. Peter Frey ganz weit in Richtung Osten vorgewagt. Gefühlt kurz vor die russischen Grenze. Also in Zittau. In der DDR hätten die Zittauer gefragt, was wollen denn die Fernsehfritzen hier? Dr. Frey erläuterterte im Gespräch mit den Bürgern, mit den gleichen Aussagen wie bei der AfD in Dresden, unter anderen die Arbeitsweise / Berichterstattung des ZDF. Wäre sozusagen ausgewogen, mein Eindruck, genau abgewogen. Trotzdem hatte ich Hoffnung, dass beim Verlassen Dunkeldeutschlands in Richtung Mainz die Erinnerung an diese Worte nicht im Dunkeln bleiben. Am Abend, heute journal. Gegen die Abendsonne ein schönes Foto von einem Kraftwerk mit den Kühltürmen im Vordergrund denen das lebensbedrohliche Dihydrogenmonoxid (mehrere tausend Tote jedes Jahr weltweit, in Fukushima weit über 10.000) in gasförmigem Zustand entweicht. Extra gegen die Sonne fotografiert, um einen freundlichen Braunton zu erreichen. Ein paar Nachrichtensendungen später die Industrieanlagen der Windkapitalisten. Die mit staatlicher Unterstützung Profit per Gesetz erhalten. Staatsimperialismus Leider habe ich wohl die Szene verpasst, wo aus Ausgewogenheitsgründen ein Rotmilan in so einer Windmühle geschreddert wird und als Hackfleisch auf den Boden klatscht. Da öffne ich dann mit hämischem Grinsen die “verbotene” Tür (Gateway) und schaue ins Internet.

Thomas Taterka / 14.05.2019

Der Respekt vor den Wählern ( und Zuschauern ! ) muß neu erlernt werden. So wird das nichts. Also hören Sie auf, über das Stöckchen zu springen, das man Ihnen hinhält. Haben Sie Mut zur Trennung, sonst wird nichts besser. Sie sind schon “eingeseift “, wenn Sie tatsächlich glauben, Sie hätten eine Wahl. Es wird in jedem Fall über Ihren Kopf entschieden, mit Konsequenzen für Sie. Das muß enden. Je entschlossener, desto besser. Mit jedem Tag, an dem diese Entwicklung fortgeschrieben wird, ist eine Korrektur schwieriger. Ein radikaler Schritt ist erforderlich, damit alles tabulos diskutiert werden kann, was die Menschen in Europa tatsächlich bedroht. Ein Denkzettel der Bevölkerung für die Propaganda. So darf man sich nicht behandeln lassen.  - NIE !!!

Werner Arning / 14.05.2019

Es handelt sich um die ständige Wiederholung einer nichtssagenden Aussage: Die EU ist alternativlos. Niemand fragt, was denn die Zweifler antreibt. Niemanden interessiert, ob diese möglicherweise legitime Gründe für ihre Zweifel haben. Reflexartig verortet man diese im Dunstkreis des Bösen. So als handle es sich um Verschwörer, die uns das Gute nicht gönnen. Uns, die wir doch alle eingesehen haben, welche immensen Vorteile die EU doch für uns bereit hält. Und zu diesen „uns“ wollt ihr doch wohl gehören, oder? Böse, böse, böse, diese ewigen Querulanten. Und mit bösen Onkels spricht man nicht. Wer Muttis Bester sein will, weiß wo er sein Kreuzchen zu machen hat. Na, bist du ein guter Demokrat, mein Kleiner?

f.wargers / 14.05.2019

Aber man ist immerhin nicht gezwungen, sich diesen Kram anzusehen, obwohl man gezwungen wird, ihn zu bezahlen.

Wilfried Cremer / 14.05.2019

Die 7 größten Gefahren für die EU aus Sicht des Staatsfunks sind: 1. - 7. eine direktdemokratisch beschlossene Abschaffung diktatorisch abgepresster Zwangsgebühren. 

M. Haumann / 14.05.2019

Ja, Panik ist das Stichwort, denn zu viele Leute haben zu viel zu verlieren, als dass man es auf den letzten Metern nicht auch noch mit der Induktion von Paranoia beim Wähler versuchen sollte. Aber ob die Dämonisierung der Konkurrenz wirklich ein effektives Mittel gegen die geballte Macht der unschönen Fakten ist, die vielen europäischen Bürgern bis zum Hals stehen? Erwartet uns nächste Woche noch die übliche Enthüllung eines unglaublichen AfD-Skandals in letzter Minute? Und was an verzweifelter Propaganda mit dem Holzhammer steht uns in diesem Jahr noch bevor, bis die Wahlen im Osten gelaufen sind?

Sabine Schönfelder / 14.05.2019

Der Agit-Prop-Apparat des Staatsfunks glüht!!! Offenbar existieren Umfragewerte, die aufzeigen, daß der deutsche Michel, insbesondere der einstmals Diktatur-genormte Ost-Michel, den ständigen medialen Einflüsterungen widersteht! Jetzt wird noch einmal mit Verve und Unerbittlichkeit der Haß auf den politischen Gegner in Dokus und Sendezeit verarbeitet, mit der Hoffnung durch bodenloses Verleugnen, Kriminalisieren und einer damit verbundenen Kriegs-und Endzeitstimmung den AFD-Wähler umzustimmen oder zumindest bei Unentschlossenen das Ruder rumzureißen. Die Öffis demonstrieren damit Ihr Verständnis von Demokratie, und selbst der Blinde erkennt, es gibt keins! Über die EU spekuliert man auf ständigen Machtzuwachs durch die Abschaffung der Nationalstaaten, aber möchte keinesfalls zusätzliche Kritiker. Womöglich finden noch demokratische Strukturen Mehrheiten! Um Gottes Willen! Lief doch bisher alles so gut. Am Tagesgeschäft der Nationalstaaten vorbei, errichteten Merkel, Macron und Suffkopp Juncker ihre eigene Legislative und auch die Umverteilung über den Euro läuft ganz hervorragend. Jetzt, bei der Abschaffung des Bargelds und der weiteren Entmündigung der EU-Bürger braucht man wirklich keine Demokraten, schon gar keine Engländer. Also auf, Ihr Ahnungslosen und denkfaulen Mitläufer, macht die Kiste an und glaubt dem Staatsfunk. Bedingungslos.

Leo Hohensee / 14.05.2019

Vielleicht sollte die Brexit-Abstimmung einfach wiederholt werden, wie Erdogan es mit der Istanbuler Bürgermeisterwahl macht, solange bis das Ergebnis stimmt. Mehr muss doch zu diesem ganzen “Anti-Demokratie-Zirkus” nicht gesagt werden. Die Beeinflussung des Wählerverhaltens erfolgt nicht durch “den Russen”, nicht durch “russische Hacker” - sondern durch die konzertierte Strategie von Presse, Funk und Fernsehen und von diesem indoktrinativen Verhalten und Vorgehen staatlich gepamperter NGOs.

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