Stefan Frank / 21.02.2022 / 14:00 / Foto: Lukasz Katlewa / 23 / Seite ausdrucken

Türkei: Staat will Gold der Bürger

Bisherige Maßnahmen haben den Währungsverfall nicht bremsen können. Jetzt fordert die Türkei ihre Bürger auf, Gold in die Landeswährung umzutauschen.

Im Kampf gegen rasende Inflation und Währungsschwäche will die Türkei ihre Bürger dazu ermuntern, ihr „Gold unter der Matratze“ hervorzuholen und in die Landeswährung Lira zu tauschen. Das sagte Finanzminister Nureddin Nebati am 8. Februar bei einer Pressekonferenz in London. Türkische Zeitungen wie die Hürriyet sowie die Londoner Financial Times berichteten darüber.

Die „Matratze“ ist eine Metapher für jeglichen privaten Goldbesitz, ob in Bankschließfächern oder in der eigenen Wohnung. Laut dem Bericht von Hürriyet schätzt die türkische Regierung die Ersparnisse, die Türken in Gold halten, auf 5.000 Tonnen. Beim aktuellen Goldkurs beliefe sich der Marktwert des Goldes auf etwa 260 Milliarden Euro. Sollte die Zahl stimmen, besäßen die türkischen Bürger Goldvorräte, die, vergliche man sie mit dem Goldbesitz von Zentralbanken, gleich nach denen der USA auf Platz zwei kämen – noch vor den Goldreserven der Deutschen Bundesbank (3.400 Tonnen) und denen des Internationalen Währungsfonds (2.800 Tonnen).

In der Türkei soll es 30.000 Umtauschstellen geben, zum größten Teil wohl Juweliere, bei denen die Bürger ihr Gold gegen Lira eintauschen können. Das gesammelte Gold werde zu einer von fünf staatlichen Schmelzen gebracht, in Barren geschmolzen und anschließend zu den Reserven der türkischen Notenbank hinzugefügt.

Werden nun also 5.000 Tonnen Schmuck, Münzen etc. zu Barren geschmolzen? Wohl kaum. Abgesehen davon, dass es sich nur um eine Schätzung handelt, dürften viele türkische Besitzer von Goldschmuck nicht vorhaben, sich jemals davon zu trennen, sondern werden ihn irgendwann an ihre Kinder vererben. Und auch wer Goldmünzen oder -barren besitzt, wird wohl kaum zu bewegen sein, sie in Lira zu tauschen: Schließlich hatte er ja Gründe, warum er sein Vermögen außerhalb des Bank- und Währungssystems aufbewahrt – und die aktuelle wirtschaftliche Misere dürfte ihn nur in der Auffassung bestärken, richtig gehandelt zu haben.

Gold war in der Türkei schon zu Zeiten des Osmanischen Reichs populär. Ein wesentlicher Grund für das Sammeln von Gold war, dass die Untertanen damals eine Vermögensteuer zahlen mussten, deren Höhe davon abhing, was sie besaßen, wenn der Steuereintreiber kam. Gold konnte im Boden vergraben werden, um es vor dem Zugriff des Staates zu schützen. Wer in der Türkei Gold besitzt, tut das sicherlich auch heute noch oft aus einem ähnlichen Motiv: aus Misstrauen gegenüber dem Staat.

Erdogan findet keinen Weg aus der selbstverschuldeten Krise

Die offizielle Inflationsrate in der Türkei betrug im Januar 48,7 Prozent. Dafür gibt es zwar auch externe Ursachen – wie etwa steigende Öl- und Erdgaspreise –, der Hauptgrund, weswegen die Türkei viel schwerer getroffen ist als andere Länder, ist aber seit Jahren derselbe: Die türkische Notenbank ist der verlängerte Arm von Präsident Recep Tayyip Erdogan und hält auf dessen Wunsch die Leitzinsen niedrig. Frühere Notenbankgouverneure, die durch Anhebung der Zinsen die Inflation bekämpfen wollten, wurden von Erdogan gefeuert. Inmitten der Währungskrise hat die Notenbank den maßgeblichen Zinssatz für sehr kurzfristige Notenbankkredite an Banken seit September 2021 um fünf Prozentpunkte auf derzeit 14 Prozent gesenkt.

Liegen die Zinsen unter der Inflationsrate, wie das in der Türkei der Fall ist, ist eine Abwärtsspirale der Währung die zwangsläufige Folge: Denn dann lohnt es sich nicht, in dieser Währung zu sparen, wohl aber, sich in dieser Währung zu verschulden, um das geborgte Geld in Sachwerten oder ausländischer Währung anzulegen – oder eben in Gold. Später wird man den Kredit dann in entwertetem Geld zurückzahlen. Das ist ein einträgliches Geschäft. Einen Verlust würde man nur machen, wenn die türkische Lira wider Erwarten zu neuem Leben erwachen und an Wert gewinnen würde.

Der türkische Staat fördert derzeit mit seiner Geldpolitik also aktiv die Flucht aus der Währung. Daran soll sich nach dem Willen Erdogans auch nichts ändern. Stattdessen: Appelle an die patriotischen Gefühle seiner Landsleute.

Wird der Staat die Peitsche holen?

Schon früher hatte die türkische Regierung die Bürger dazu aufgerufen, ihre Ersparnisse in Lira zu tauschen. Warum sollten sie es jetzt tun? Die Regierung glaubt, sich Ende letzten Jahres etwas Kluges ausgedacht zu haben: spezielle Konten, die vor Geldentwertung geschützt sein sollen. Fällt die Lira gegenüber dem Euro, dem US-Dollar oder einem Korb ausländischer Währungen, erhalten die Sparer den Verlust am Ende jeden Jahres erstattet.

Die Idee ähnelt Systemen mit festen Wechselkursen, wie es sie in den 1990er Jahren in Lateinamerika und Südostasien und bis vor einigen Jahren auch im Libanon gegeben hat. Solche Systeme funktionieren am besten, wenn sie nicht benötigt werden – und versagen in der Krise: Hat die Notenbank keine Reserven mehr, kann sie den Umtausch zum zugesagten Kurs auch nicht mehr vornehmen. Als dem Libanon 2019 die Dollars ausgingen, konnten die Bürger zunächst nur noch einen kleinen Teil ihrer Dollarguthaben zum offiziellen Umtauschkurs abheben, später dann gar nichts mehr. In der Türkei müssen die Besitzer vermeintlich „inflationsgeschützter“ Konten befürchten, dass es bei dem zu erwartenden fortdauernden Wertschwund der Lira für den Staat schnell zu teuer werden wird, sein Versprechen eines Inflationsausgleichs zu erfüllen – und das auch nicht mehr tun.

Statt also ihr Gold in Lira zu tauschen, sind die türkischen Bürger besser beraten, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie ihr Gold noch besser verstecken können. Denn wenn der Staat an das Gold der Bürger will, aber mit gutem Zureden nicht weiterkommt, wird er in einem nächsten Schritt vielleicht die Peitsche holen und jeglichen privaten Goldbesitz für illegal erklären.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch.

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Leserpost

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giesemann gerhard / 21.02.2022

Das ist nicht neu, haben die Amis schon mal so gemacht, wer erinnert sich? Da war sogar der Besitz von Gold strafbar.

Thomas Schmied / 21.02.2022

@Ilona Grimm - “@S.Buch: »Und wenn sie Gold kaufen, sollten sie es anonym tun.« - - - Wie macht man das?” 1. Gib im Internet zum Beispiel “gold .de” (ohne Leerzeichen) ein. Da findest Du nur seriöse Händler und kannst Dich informieren und Preise vergleichen. 2. Suche einen dort aufgeführten Händler in Deiner Nähe. 3. Gehe mit Bargeld zu diesem Händler in den Laden und mit Edelmetall wieder raus. Käufe bis 2000,-€ können derzeit noch anonym getätigt werden. Gold ist nicht das einzige Edelmetall, doch es ist geringeren Preisschwankungen unterworfen. Silber und Platin sind aktuell relativ günstig zu haben. Palladium ist gerade viel zu teuer. Schau Dich als Anfängerin eher nach den beliebtesten Goldmünzen um. Krügerrand oder Vreneli z.B. wirst Du immer und überall auch wieder los. Grüße

Thomas Schmied / 21.02.2022

“(...) wenn der Staat an das Gold der Bürger will, aber mit gutem Zureden nicht weiterkommt, wird er in einem nächsten Schritt vielleicht die Peitsche holen und jeglichen privaten Goldbesitz für illegal erklären.” Da denkt auch sicher schon der Scholz drüber nach. Nur Idioten geben bei Verbot ihr Gold ab, denn der Goldpreis wird dann erst recht nach einiger Zeit steigen. Der Schwarzmarkt für Gold wird blühen. Immer. Wenn sie Gold verbieten, werden einfach noch tiefere Löcher gegraben - und nur die eigenen Kinder und Enkel kennen die Stelle.

Karla Kuhn / 21.02.2022

T. Weidner, “Warum plant die EU-Kommission wohl ein Vermögensregister? Um die Geldwäsche ihrer eigenen Amigos zu bekämpfen?” Einfach heeerlich, das ist der beste Witz, den ich seit langem gehört habe , “Die Geldwäsche der EIGENEN Amigos…..”  Ilona Grimm, “Wie macht man das?”  Rings um den Hbf.  sind etliche Geschäfte , die GOLD ANKAUFEN, ich vermute, die VERKAUFEN auch welches. Legal ? Ilegal? Wer weiß ? Ansonsten im Netz kundig machen. Ich würde kein Gold kaufen, da kann man im Notdall nicht abbeißen und Strom prodiziert es auch nicht. Nach dem zweiten WK waren auf den Schwarzmärkten die BESTEN “Währungen”  ZIGARETTEN, KAFFEE und SPIRITUOSEN. Heute wahrscheinlich Kanonenöfen, Kohlen, Holz und Kerzen. Dank der GRÜNEN, die uns diese Misere eingebrockt haben. In Frankreich geht das NEUE Kernkraftwerk an den Start. DEUTSCHLAND wird für die vernünftigen Läder ringsum, wenn alles den Bach runtergeht,wertvoller als Gold sein, die verkaufen uns dann DIESEL, KOHLEN, GAS, STROM etc. , vermutlich zu horrenden Preisen.

Karla Kuhn / 21.02.2022

“Türkei: Staat will Gold der Bürger”  Ich warte auf den Tag wo statt Türkei, DEUTSCHLAND steht. Stimmt , E. Albert, die MACHBARKEITSSTUDIE liegt sicher nicht in der Schublade, eher unter dem Kopfkissen der Leyen. Wie einfach es ist mit Geldgeschäften locker umzugehen, hat diese Person schon in der MILLIONEN BERATER AFFAIRE gezeigt. Das Geld der ANDEREN zu vergeuden scheint ja SOOOO einfach zu sein ! “Das Vermögen aller EU Bürger…... “, da scheint da Herz dieser Leyen zu hüpfen, könnte sie doch dann ungeniert aus dem Vollen schöpfen !  Merkel wußte offenbar genau WARUM sie diese Person in den EU SESSEL gehievt hatte. Die war sogar so dreist und wollte (will?)”überlegen, nachforschen”  ob der NÜRNBERGER KODEX von 1947 außer Kraft gesetzt werden kann. Wahrscheinlich eine völlig charakterlose Person.

S. E. L. Mueffler / 21.02.2022

Gold gab ich für Altpapier ...

Uta Buhr / 21.02.2022

Genau das kann uns auch passieren im besten Deutschland aller Zeiten. Unsere Räuberbande in Berlin wird sich bestimmt an Erdolf ein Beispiel nehmen und auch uns beizeiten auffordern, unseren Besitz herauszurücken. Womit , bitte schön, sollen denn in Zukunft die Ansprüche der Merkel-Gäste befriedigt werden? Also, liebe Leute, sucht euch schon mal eine Grube im Garten, in der ihr eure Preziosen vergraben könnt. Am besten bei Nacht und Nebel, damit keiner der vielen großen und kleinen Blockwarte, die neuerdings hierzulande wieder fröhliche Urständ’ feiern, etwas davon mitbekommt. Scherz beiseite, im Irrenhaus D halte ich nichts mehr für unmöglich.

Chr. Kühn / 21.02.2022

Ist ja nur gut, daß eine nicht unerhebliche Zahl von Döner und Dönerinnen ihre Krankenversicherung, Rentenzahlung u. ä. von D-Land erhält. Don Alphonso hat schon recht…man sollte sich nach einem Land zum Auswandern umsehen, daß von der EU (= zu großen Teilen von uns) Geld ERHÄLT.

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