In seinen Memoiren beschreibt Jared Kushner, wie er Donald Trumps Schwiegersohn wurde und anschließend als sein Chefberater die bahnbrechenden Abraham-Abkommen organisierte.
Als Kushner Trump um die Hand seiner Tochter bat, fragte der Businessmogul: „Warum muss sie konvertieren? Warum kannst nicht du konvertieren?“
Kushner antwortete, das sei eine berechtigte Frage, aber Ivanka hätte die Entscheidung selbst getroffen. Da ließ Trump ihn wissen: „Also Tom Brady [ein amerikanischer Footballstar] ist ein guter Freund von mir und hat auch versucht, bei Ivanka zu landen ...“ „Wenn ich Ivanka wäre, würde ich Tom Brady nehmen“, gab Kushner scherzend zurück. Trump wurde ernst und seufzte: „Ja, genau.“
Laut Kushners Memoiren, dem Bestseller „Breaking History“, sah Trump das zehn Jahre später anders.
„Jared ist ein Genie“, sagte Trump nach der Bekanntmachung der bahnbrechenden Abraham-Abkommen, die für Frieden zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain sorgten. „Die Leute beklagen sich über Vetternwirtschaft – was ich hier habe, das ist Begabung.“ Kushner erwiderte knapp: „Vielleicht werden in Zukunft mehr Präsidenten ihre Schwiegersöhne mit unlösbaren Problemen schikanieren.“
Dieses Gespräch hebt ein Kernthema des Buches hervor: Manchmal ist es gut, die eigene Familie anzuheuern oder wenigstens die angeheiratete Verwandtschaft. Trumps Realityshow, „The Apprentice“, machte ihn bekannt dafür, nur die Besten und die Begabtesten zu wollen. Die beste Personalentscheidung seiner Karriere war aber vielleicht, dass Trump seinen Schwiegersohn zum Chefberater machte.
Kushners Memoiren beschäftigen sich größtenteils mit seinen Anstrengungen, ein israelisch-palästinensisches Friedensabkommen auszuhandeln (was sich weiter als unmöglich erwies). Kapitel zu Strafjustiz, Handel und Einwanderung wirken wie eingeschoben, als ob Kushner zeigen will, dass der jüdische „Wesir“ sich nicht nur um Themen gekümmert hat, die sein Volk betreffen. Kushner musste sich nicht nur besonders beweisen, weil er Ivankas Ehemann war:: Wenn er, als praktizierender Jude, in seiner Rolle als Chefberater versagen würde, würden die Antisemiten der Linken wie der Rechten „den Juden die Schuld geben“.
Schabbat-Kerzen im Weißen Haus
Kushners polnische Großmutter entkam knapp dem Tod in den Gaskammern. Die Geschichte seiner Großeltern ist die typische Geschichte des sozialen Aufstiegs in den USA. Joseph Kushner begann als Bauarbeiter und schuf ein erfolgreiches Bau- und Immobilienunternehmen, das er seinen Kindern hinterließ. Enkelsohn Jared vergrößerte das Vermögen der Familie durch risikoreiche und milliardenschwere Immobilienkäufe in New York City.
Ivanka lernte Kushner durch ihren Vater kennen. Er wollte, dass sie diesen Typen trifft, der die renommiertesten Immobilien von Manhattan aufkaufte. Das Geschäftstreffen verwandelte sich in ein Date, denen viele weitere folgten.
Kushner schmückte sein Büro (das dem Oval Office am nächsten gelegen war) mit dessen erster Mesusa. Zum ersten Mal überhaupt wurden in der Privatwohnung des Weißen Hauses Schabbat-Kerzen angezündet. Er gesteht später, dass er den Schabbat gebrochen hat, um wichtige Telefonate entgegenzunehmen, wahrscheinlich unter Berufung auf „Pikuach Nefesch“ (wodurch Juden ein Brechen der Gesetze zur Rettung von Leben erlaubt ist). Bei jedem Besuch in Israel betete er an der Klagemauer um geistige Führung.
Bei all den Intrigen und dem Verrat im Weißen Haus, von dem Kushner berichtet, ist es kein Wunder, dass Trump ihn dort haben wollte. Er würde Trump nicht betrügen können. Das würde seine Ehe zerstören.
Der Finanzminister des türkischen Präsidenten, Erdogans Schwiegersohn, sagte einmal zu Kushner, „dass Berater Präsidenten manchmal im Stich lassen – aber Schwiegersöhne nicht“.
„In der arabischen Welt“, schreibt Kushner, „ist Politik Familiensache. Ich stand für etwas, das ihnen vertraut war und beruhigend wirkte. Wenn ich mit ihnen sprach, wussten sie, dass ich den Präsidenten in einer Art und Weise vertrat, wie es nur wenige Regierungsbeamte konnten“.
Diplomatisches Geschick
Er baute schnell Vertrauen zu seinem saudischen „Pendant“ auf, dem Kronprinzen Mohammed bin Salman, „MBS“, der sich an seine Versprechen hielt, den Terror zu bekämpfen und Frauen zu erlauben, Auto zu fahren, Bankkonten zu eröffnen und Eigentum zu besitzen. MBS hob die Flugrestriktionen für Flüge nach und aus Israel auf, zunächst für die Air Force One und dann für alle anderen Flüge zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Die freundschaftlichen Beziehungen weiteten sich auf den Präsidenten der Emirate aus und dann auch auf den Kronprinzen von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed al Nahyan, oder auch „MBZ“.
„Er merkte, dass ich anders war“, schreibt Kushner. „Ich war der Erste, der Fragen stellte und wirklich versuchte, ihre Sicht der Dinge zu verstehen. Er war überzeugt davon, dass wir in der Region Frieden schaffen.“
Kushner entdeckte, dass die arabischen Führer Israel gegenüber emotional viel wohlwollender eingestellt waren. Besonders wegen ihres gemeinsamen Feindes: dem Iran.
In seiner Beschreibung wirken Kushners Beziehungen zu arabischen Führern manchmal wärmer und vertrauensvoller als die der Trump-Regierung zu den Israelis. In der Öffentlichkeit wurden Trump und „Bibi“ Netanyahu als gute Freunde dargestellt, aber Trump ärgerte sich oft über Bibi, auf diplomatischer Ebene, aber auch wegen alltäglicher Dinge. Nach einer bombastischen Willkommensfeier mit Schwertertänzen in Saudi-Arabien wünschte Trump sich nach seiner Landung in Israel ein kurzes Treffen, einen Hamburger und ein Nickerchen. Bibi redete dann während eines Mehrgängemenüs auf ihn ein und stieß Trump damit vor den Kopf.
Trump war von Bibis fehlendem Enthusiasmus überrascht, als er ihm mitteilte, dass er seine Botschaft nach Jerusalem verlegen werde. Trump sagte: „Bibi, ich denke du bist Teil des Problems.“
Nach Bibis seltsam kalter Reaktion auf die Jerusalem-Entscheidung wollte Trump fast nicht mehr die Golanhöhen als Teil von Israel anerkennen. „Ich habe schon zu viel für Bibi getan. Sehen wir erst einmal, was er mit dem Friedens-Deal macht.“ Trump erkannte die Golanhöhen dennoch an, orientierte sich an der öffentlichen Reaktion auf einen seiner Tweets, in dem er mit der Idee spielte. Es gab kaum Gegenwind.
Auch Netanjahu ist ein Deal-Maker
Das größte diplomatische Zerwürfnis entstand bei der Enthüllung des „Peace Through Prosperity“-Friedensplans im Januar 2020, als Bibi in einer Rede sagte, Trump sei „der erste Regierungschef, der Israels Souveränität über Gebiete in Judäa und Samaria anerkennt, die entscheidend sind für unsere Sicherheit und unser Erbe“.
„Das war im Grunde genommen eine Rede an die eigenen Wähler und stellte unseren Plan falsch dar“, schreibt Kushner. Bibi brüskierte die Trump-Regierung noch mehr, als er verkündete, dass Israel seine Gesetze auf das Jordantal und jüdischen Gemeinden in Judäa und Samaria ausweiten werde. Die Ausweitung israelischer Souveränität auf diese Gebiete war eigentlich als Bedingung an Friedensbemühungen geknüpft, die „palästinensische“ Eigenstaatlichkeit billigen.
Mit Hilfe des amerikanischen Botschafters in Israel, David Friedman, der die Annexionspläne eigentlich befürwortete, ruderten die Israelis am Ende von Bibis gewagter Rede über eine Annexion zurück. Die Trump-Regierung gab Bibi schließlich grünes Licht, um Pläne für die Annexion der Zone C vorzubereiten, ein Schritt, der von allen deutschen Parteien im Bundestag verurteilt wurde, außer von der AfD.
War das Bibis eigene Art, einen Deal abzuschließen? Letzten Endes ermöglichte er so den Emiraten, ihr Gesicht zu wahren. Wenn er den Plan verwarf, würden sie einer Normalisierung der Beziehungen mit Israel zustimmen.
„Bibis Androhung einer Annexion und die Spannungen und die Dringlichkeit, die daraus erwuchsen, führten schlussendlich zu dem Durchbruch, der die Abraham-Abkommen ermöglichte,“ schreibt Kushner. Wenn jemand als echter Schurke auftritt, dann ist das „Palästinenserpräsident“ Mahmoud Abbas. Er wird als undankbarer Lügner, Kriegstreiber und Ausbeuter seines eigenen Volkes dargestellt.
Es wäre verlockend zu behaupten, dass Kushner das „Unmögliche“ gelang und er seinem Schwiegervater, den Juden und dem amerikanischen Volk gegenüber bewies, dass er der beste Mann für den Job war. In seine Memoiren lässt er aber auch genug religiöse Betrachtung einfließen, die zeigt, dass das zentrale jüdische Friedensgebet ebenfalls eine wesentliche Motivation für ihn darstellte.
Hätte Ivanka sich dafür entschieden, nicht zu konvertieren oder auch Tom Brady zu heiraten, wer weiß ob Israelis heute nach Dubai fliegen könnten.
„Breaking History“ von Jared Kushner, 2022, Broadside Books. Hier bestellbar.
Orit Arfa arbeitet als Journalistin und Autorin in Berlin. Dieser Beitrag erschien zuerst in der Jüdischen Rundschau.