Stefan Frank / 23.08.2024 / 06:00 / Foto: DonkeyHotey / 69 / Seite ausdrucken

Trump und das Medien-Framing vom Wüterich

Donald Trump kann in den meisten deutschen Medien nicht einfach etwas "sagen" oder "bemerken". Nein Trump "wütet", "zürnt", "tobt" oder "schimpft". Da weiß man doch gleich, was Sache ist!

Der Wütende hat in unserer Zivilisation keinen guten Ruf. Seneca vergleicht ihn in seiner Schrift De Ira (Über den Zorn) mit einem Wahnsinnigen:

„Denn wie die Zeichen eines Wahnsinnigen unverkennbar sind – eine kühne und bedrohliche Miene, eine düstereStirn, ein grimmiger Gesichtsausdruck, ein eiliger Schritt, unruhige Hände, eine veränderte Farbe, ein schnelleres und heftigeres Atmen – so sind auch die Zeichen des wütenden Mannes; seine Augen glühen und funkeln, sein ganzes Gesicht ist purpurrot von dem Blut, das aus den tiefsten Tiefen des Herzens strömt, seine Ohren zittern, seine Zähne sind zusammengebissen, sein Haar sträubt sich und steht zu Berge, sein Atem ist gezwungen und rau, seine Gelenke knacken vor Anstrengung, er stöhnt und brüllt, bricht in Sprache aus mit kaum verständlichen Worten, schlägt unaufhörlich die Hände zusammen und stampft mit den Füßen auf den Boden; sein ganzer Körper ist erregt und führt große wütende Drohungen aus.“

Es sei dies, so Seneca weiter, „ein hässliches und schreckliches Bild von verzerrter und geschwollener Raserei“. Beängstigend, wie die Wut ist, kann sie auch lächerlich sein – der Wütende wird zum Gegenstand des Spotts, wie in der Geschichte vom bösen Friederich im „Struwwelpeter“: „Der Friedrich, der Friederich / Das war ein arger Wüterich!“ Am Ende geht es dem bösen Friederich schlecht und der Hund, den er mit der Peitsche geschlagen hatte, sitzt an seinem Tisch und lässt es sich gut gehen.

Weil – wie Seneca ebenfalls schreibt – die Wut das Laster ist, das mehr als alle anderen äußerlich sichtbar ist, und sie gleichzeitig das Lächerliche in sich trägt, ist Wut ein ständig wiederkehrendes Element des Cartoons, ob bei Tom & Jerry, Donald Duck oder Asterix, angezeigt durch verzerrte Gesichtszüge und einen dunkelroten Kopf mit Wölkchen und Blitzen. Das ist das Bild, das deutsche Journalisten gern von Donald Trump zeichnen.

In der Presseberichterstattung wird die Dualität zwischen dem ehemaligen US-Präsidenten und seinen politischen Rivalen erzählt wie ein Cartoon. Trump? Angeblich ständig wütend, obwohl er doch in seinen öffentlichen Reden recht konzentriert wirkt, jovial, bisweilen im Stil eines Stand-up-Komikers. Das Publikum fühlt sich offenbar gut unterhalten; sicherlich zieht es nicht Zehntausende zu Trumps Veranstaltungen, weil sie Wutausbrüche erleben wollen. Denn einen solchen Anblick – da hat Seneca recht – mag niemand.

Prädikate erzählen die Story

Mit den Prädikaten „wütend“, „wettert“ oder „schimpft“ ist aus Sicht vieler Journalisten bereits die ganze Geschichte erzählt. Was Trump gesagt hat, rückt völlig in den Hintergrund. Die eigentliche Nachricht ist stets sein Gemütszustand, angeblich einer unbändiger Wut. Ein paar Beispiele:

  • „Ex-Präsident Trump tobt: Video zeigt leere Sitze“ (Frankfurter Rundschau)
  •  „Trump tobt nach Niederlage im Parlament“ (n-tv)
  • „Trump wütet nach Biden-Rückzug“ (Der Kurier)
  • „Trump wütet nach Rückzug aus Präsidentschaftsrennen“ (Pro Sieben)
  •  „Trump wütet gegen Untersuchungsausschuss“ (Die Welt)
  • „Trump wettert gegen Zuwanderer“ (FAZ)
  • „Trump wütet wieder gegen kritischen Journalisten“ (FAZ)
  • „Trump wütet gegen Musik-Ensemble“ (FAZ)
  •  „Trump zürnt wegen Olympia-Eröffnungsfeier“ (MoPo)
  • „Donald Trump wütet gegen Twitter“ (taz)
  • „MLB-Klub Cleveland Indians trennt sich nach Protesten der amerikanischen Ureinwohner von seinem als rassistisch kritisierten Namen. Noch-Präsident Trump wettert.“ (Sport eins)
  •  „Trump tobt nach NFL-Sitzung“ (sport.de)

Selbst die normale politische Rivalität beider großer Parteien, in deren Zuge von den Vertretern der Parteien erwartet wird, kein gutes Haar an den jeweils anderen zu lassen, gerät, wenn es Trump ist, der die andere Seite kritisiert, zu einem Spektakel der Wut:

Manchmal wird die Wut sprachlich verdoppelt, wie in diesem Fall, wo sich das „Wettern“ zum „Wutbrief“ gesellt: 

  • „Trump wettert in Wutbrief gegen Pelosi“ (n-tv)

Wladimir Putin muss dem Stern-Leser fast sympathisch erscheinen, wenn er von Trump angegriffen wird:

  • „Trump poltert gegen Putin“ (Stern)

Auch das Regime in Peking wird gelegentlich zum Opfer von Trumps Wut gemacht, wie in dieser Reuters-Meldung:

  • „Trump wettert gegen China nach Streit über US-Wasserdrohne“ (Reuters)

Trump mit Begriffen aus dem Wortfeld „Wut“ zu belegen, ist Journalisten anscheinend zu einer Gewohnheit geworden, man könnte von einer Art „automatischem Schreiben“ sprechen. Auch Donald Trumps Ehefrau Melania – die man bei ihren sehr seltenen öffentlichen Auftritten wirklich nie wütend sieht – wurde schon so charakterisiert. Als sie 2019 eine Professorin kritisierte, die sich abfällig über den Namen von Barron Trump, dem damals minderjährigen Sohn von Donald und Melania, geäußert hatte, titelte der Spiegel „Melania Trump keilt wegen Barron“. Einige Stunden nach Erscheinen wurde das Wort „keilt" entfernt, vielleicht nachdem jemand die Redaktion darauf aufmerksam gemacht hatte, wie unpassend es in diesem Zusammenhang war.

Während Trump also angeblich immer in Wut ist, sind auf der anderen Seite die, die Trump verspotten:

  • „Künstler verspotten Trump“ (Focus)
  • „Finnen verspotten Trump“ (FAZ)
  • „Biden verspottet Trump“ (t-online)
  • „Harris verspottet Trump mit Video“ (Merkur)
  • „Thunberg verspottet Trump bei Abschied“ (n-tv)
  • „Penis-Witz gegen Trump erheitert Demokraten-Parteitag“ (T-Online).

Und so weiter. Während in der Bibel davor gewarnt wird, unter den Spöttern zu sitzen (Psalm 1) und es heißt, dass der Spötter „den Leuten ein Gräuel“ sei (Sprüche 24, 9), genießen Spötter in unserer Kultur einen guten Ruf – immer vorausgesetzt natürlich, dass es die mit den richtigen Meinungen sind, die spotten. Man wird nicht so leicht einen Beitrag finden, in dem mit Sympathie darüber berichtet wird, dass Trump Kamala Harris verspottet hat. Nur wenn es umgekehrt ist, darf gelacht werden, hat es seine Ordnung.

Ähnlich verhält es sich mit der „Euphorie“. Liest man deutsche Presseberichte über Harris’ Wahlkampf, könnte man meinen, einen „Wochenschau“-Bericht über eine Rede des Führers zu hören. Unter der Schlagzeile „Harris und Walz begeistern in Swing States“ schreibt tagesschau.de: „Kamala Harris und Tim Walz verbreiten auf ihrer Wahlkampftour Euphorie.“

Die NZZ berichtet vom Parteitag der Demokraten über eine „Atmosphäre der Euphorie“, „insbesondere bei den Frauen“. Auch ein Journalist des Spiegel ist in Parteitagsstimmung: „Michelle und Barack Obama elektrisieren die Demokraten“.

Wird hingegen Trump in Zusammenhang mit „Euphorie“ genannt, dann ist sie entweder „verflogen" (NZZ), „erlahmt“ (FAZ) oder „brandgefährlich“ (Süddeutsche Zeitung). Wie im Comic hat jeder Part seine stereotype Rolle, wiederholen sich bei der Erzählung die Muster: Trump mag wüten wie der böse Zauberer Gargamel, am Ende werden die Schlümpfe ihn doch austricksen und feiern. Man könnte sagen: Die politische Berichterstattung vieler deutscher Zeitungen und Onlinemedien ist die Fortsetzung der Karikatur mit anderen Mitteln. Und wie bei Karikaturen in der Süddeutschen Zeitung oder der deutschen Lokalpresse nehmen Redakteure an, dass die Leser von den gleichen unlustigen Witzen niemals genug kriegen können.

 

Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise (2009); Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos (2012).

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Leserpost

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Thomin Weller / 23.08.2024

@L. Bauer Die meisten Menschen sehen ihre Erfüllung innerhalb einer Hierarchie nach dem Motto “Du machst kein Sinn, nur Geld…für andere”. Die Netzwerke des Deep States sind tief, ein klitzekleiner Einblick bietet Lobbypedia mit z.B. Atlas Network. Das allerdings die Polizei und Bundeswehr nun unter fremden Befehlen steht, ist eine neue Qualität. Soweit verstanden und gelesen ist laut Völkerrecht maximal 60 Jahre eine Reparation durchsetzbar. Warum wurde gerade 2002 die Währungsreform ohne Änderung des GG durchgeführt? Uups. Wie im Manifest Destiny die Philippinen steht Deutschland und die EU auf ewig unter fremder Herrschaft. Selbst Kanada jammerte vor paar Jahren gegen das Manifest… Aber nun versucht die Krake Bertelsmann in Kanada Fuß zu fassen. Und keiner hindert sie.  Die Lepoldina “Allianz der Wissenschaftsorganisationen”, gruselig. 2016 “Elsevier-Verlag versucht, Wissenschaft zu erpressen”. “The Privatisation in Education and Human Rights Consortium (PEHRC)”. Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim—>”„Das System“ »Hinter der demokratischen Fassade wurde ein System installiert, in dem völlig andere Regeln gelten als die des Grundgesetzes. Das ›System‹ ist undemokratisch und korrupt, es missbraucht die Macht und betrügt die Bürger skrupellos.«<— Behaltet ihr eure Demokratie, Umwelt, wir machen die Geschäfte.

Stephan Jankowiak / 23.08.2024

Und nu, DEUTSCHE nicht den US-Präsidenten wählende Medien: gerade hat RFK Jr zugunsten von Donald the Trump auf seine eigene Kandidatur verzichtet. Die Statistiken bei Tucker Carlson veröffentlicht, zeigen damit den mutmaßlichen Übergang fraglicher 5% Stimmenanteile zugunsten vom Donald in den Swing-States. Hope it will happen on Nov 5th to MAGA. Aber laut Google News ergötzen sich die deutschen Selbstbefriedigermedien immer noch an Kamala. Übrigens: gerade ist der Donald live in Las Vegas zu sehen und hören. Ich möchte hier nur einen Vorschlag eines Kommentators aufgreifen: hört Euch den Donald schlichtweg live und unbiased an, z.B. auf RSBN und prüft das mit den unsäglichen Aussagen Deutscher Medien über ihn ab - Lügenpresse ist noch das Geringste , was man über die sagen kann.

Jürgen Fischer / 23.08.2024

In „Kevin – Allein in New York“ kam Donald doch recht gütig rüber. Und Respekt muss man ihm auf jeden Fall zollen für damals, als die Zopfgretel, als sie noch von UN und anderen Kaspern hofiert wurde, sagte „Ich will ja gar nicht mit ihm [Trump] reden“, und Trump dann ohne sie eines Blickes zu würdigen, aber sichtbar in sich hineingrinsend, an ihr vorbeirauschte (und Gretel ihm dann den mörderischen Blick hinterherwarf). Die narzisstische Tante hatte gemeint, Trump würde auf sie zugehen und sie fragen „Na, du süßes kleines Gretelchen, warum willst du denn nicht mit mir reden?“, und genau das war höchst souverän! Jeder andere Politkasper wäre in Gretelchens Falle getappt und hätte sich danach von ihr zulabern lassen müssen. Allen Optimisten hier gebe ich zu bedenken, dass diejenigen, die um jeden Preis Trump als Präsidenten verhindern (und somit Harris zur Präsidentin machen) wollen, aus dem Clinton-Debakel ihre Lehren gezogen haben, wie man an der 2020er Wahl gesehen hat. Die werden auch alle Szenarien durchspielen, was dieses Jahr ihnen in die Quere kommen könnte. Das weiß natürlich auch Trump.

Barbara Strauch / 23.08.2024

Es gibt in einigen Redaktionen noch verschiedene Fraktionen, die versuchen, sich dem Framingschwachsinn zu widersetzen. Die sollte man mit entsprechenden Leserbriefen unterstützen, das kann sie intern stärken und die Framer blamieren (hab ich mit WELT mehrfach versucht). Den redaktionsinternen Erfolg kann man an den anschließenden konfusen oder merkwürdigen Beiträgen der jeweilig kritisierten Schreiber ablesen (ist mir mindestens zweimal gelungen). Mühsam, aber vielleicht hilfts. Spätestens am Wahltag ist der Spuk zuende.

Lutz Liebezeit / 23.08.2024

Dulde und entbehre - Seneca war ein Stoiker, der auch bei schweren Schicksalsschlägen eine heitere Ruhe bewahrte. Der Stoizismus war vorm Christentum, ist aber eher sein Nachbrenner. Epiktet war ein Sklave, der seine heitere Ruhe auch da nicht verlor, als ihm sein Sklavenhalter ein Bein abhackte. Epiktet war überzeugt, daß ihm ohnehin nichts Weltliches gehörte. Der Stoizismus war eine philosophische Schule und verlangte schon eine hohen Grad an Verstand und Willenskraft. Seneca war der Erzieher und später der Ratgeber Neros. Irgendwann hat man sich dann überworfen und Nero gab Seneca ein Messer, damit er sein Leben beende. Was Seneca in heiterer Gemütsruhe tat. Der Stoizismus ist als philosophische Schule ungefähr 300 v. Chr. entstanden. Stoiker glaubten auch an Gott. Im Prinzip an denselben Gott wie später Jesus. Ein wesentlicher Grund für mich, und einige andere, anzunehmen, daß das Christentum griechischen Ursprungs und aus dem Stoizismus entstanden ist.

Manfred Löffert / 23.08.2024

Ich hatte nach Beendigung der Präsidentschaft Trumps mein Archiv bemüht und die in Kommentaren und Beiträgen über Donald Trump von den Redakteuren der vrm-Gruppe ( Darmstädter Echo/ Wiebadener Kuruer usw.) verwendeten Bezeichnungen für den damaligen US-Präsidenten aufgelistet . Ein Sammelsurium von abwertenden Worten und teilweise so absurd und dummdreist, dass man sich für den hiesigen Journalismus fast fremdschämen möchte.

Harald Hotz / 23.08.2024

Warum wird eigentlich der deutsche Bürger jeden Tag mit dem amerikanischen Wahlkampf belästigt? Habe ich etwas nicht mitgekriegt, dürfen die Deutschen jetzt auch an den amerikanischen Wahlen teilnehmen? - Und was die Zeichen des “Wahnsinns” angeht, so habe ich die Erfahrung gemacht, daß man am Blick einer Person sehr gut erkennen kann, ob man einen -wie auch immer gearteten- Psychopathen vor sich hat. Man vergleiche nur mal einige Bilder von Angela Merkel mit Bildern von einem früheren deutschen Kanzler. Da kann man leicht den Eindruck gewinnen, man würde durch die Augen direkt in die Hölle gezogen.

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