Dirk Maxeiner / 09.11.2016 / 09:38 / Foto: thierry ehrmann / 36 / Seite ausdrucken

Trump Präsident, Deutschland entsetzt, die Welt dreht sich weiter

Ich habe heute morgen im Auto auf Deutschlandradio Kultur eine Sendung zum amerikanischen Wahlergebnis gehört. Über Donald Trump wurde dort gesagt, er sei ein „veritabler widerlicher Kotzbrocken“. Ich habe kurze Zeit später die erste Rede des kommenden Präsidenten gehört. Was er sagte, klang auffallend versöhnlich. Und so fällt zunächst einmal der unterschiedliche Sound auf, mit dem dieser Machtwechsel begleitet wird.

Bei Trump zumindest der rethorische Versuch, auch diejenigen, die ihn nicht gewählt haben, mit einzubeziehen. Hierzulande ein absolut schriller Alarmton, der verächtlicher nicht sein könnte. Diejenigen, die die höhere Weisheit für sich gepachtet zu haben glauben, klettern immer höher auf einen Baum, von dem sie nur schwer wieder herunter kommen werden. Eigentlich wäre es doch an der Zeit, sich mit dem kommenden US-Präsidenten zu arrangieren – egal wie man zu ihm steht. Und es wäre an der Zeit sich mit dem Gedanken zu arrangieren, dass das Phänomen Trump nicht auf Amerika beschränkt ist.

Die fundamentale Lehre lautet zunächst: So etwas passiert, wenn man die Menschen und ihre Ängste ignoriert oder gar desavouiert.

Es fallen ja sofort die Parallelen zum Brexit auf. Demoskopen und Medien haben das Ergebnis vollkommen falsch eingeschätzt, die Börsen ebenso. Die Sensoren für das, was in einer Mehrheit der Bevölkerung gedacht und empfunden wird, sind einem großen Teil der politisch-medialen Klasse abhanden gekommen.

Man kann über die Hälfte der Bevölkerung eine gewisse Zeit ignorieren. Man kann sie für ungebildet halten, sogar für krank und von unbegründeten Ängsten getrieben. Aber man kann das eben nur für eine gewisse Zeit tun. Der Sieg von Trump ist auch für die im Bundestag vertretenen Parteien ein Zeichen an der Wand.

Es ist gewiss nicht die Zeit für Beschimpfungen über den Atlantik. Auf Dauer wird sich das bitter rächen. Die USA sind nicht Sachsen.

Aber was wird jetzt kommen? Die US Wahlen zeigen, dass die Demokratie der USA funktioniert. Die Bewährungsprobe für diese Demokratie kommt aber erst jetzt. Ein US-Präsident kann nicht – wie ein Diktator – machen, was er will. Senat, Repräsentantenhaus gilt es immer mit einzubinden. Was auch für die anderen rechtsstaatlichen Institutionen gilt.

Wer zum jetzigen Zeitpunkt darüber lästert, dass Trump viel verspricht, aber erst einmal liefern muss, der hat prinzipiell recht. Der Fairness halber aber muss man sagen: Auch Obama hat viel versprochen. Und leider nicht geliefert.

Die wichtigste Frage für Deutschland und Europa lautet: Lässt er Europa im Stich? Der Gedanke ist erschreckend, aber eher unwahrscheinlich. Die USA brauchen auch Verbündete, allein sind sie viel zu einsam auf dem Globus. Erst wenn Trump nicht die NATO-Außengrenzen garantiert, wird es eng. Hoffen wir, dass das nicht passiert. Es liegt aber auch an uns, mit dem neuen Präsidenten eine vernünftige gemeinsame Basis zu finden. Ich bin gespannt auf Angela Merkels Gratulation.

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Leserpost

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Andreas Ulbrich / 09.11.2016

Wie schreiben Sie, lieber Herr Maixeiner so schön: “Die USA sind nicht Sachsen.” Frau Merkel scheint das nicht zu begreifen. Inzwischen haben wir ihre Reaktion gehört. Eine Salve moralischen Größenwahns.

George Foster / 09.11.2016

Ein hitziger republikanischer Präsident bar jeder Selbstbeherrschung, der seine “auffallend versöhnlich"en Töne vom Prompter ablesen musste, weil er sich sowas nicht merken kann; ein republikanischer Senat und ein republikanischer Kongress, in dem zweifellsohne die extreme Rechte die Oberhand gewinnen wird, gestützt von einem ultra-konservativen Obersten Gericht. Da gibt es nichts “einzubinden”. Da gibt es auch kaum noch Kontrollen. Da gibt es - besonders, da man nicht weiß, ob der Traum nicht in zwei Jahren schon zu Ende geht - nur noch mit Vollgas in die Vergangenheit.

Joachim Kuhlmann / 09.11.2016

“Die fundamentale Lehre lautet zunächst: So etwas passiert, wenn man die Menschen und ihre Ängste ignoriert oder gar desavouiert.” Politik kann so einfach sein…

Wolfgang Richter / 09.11.2016

Demokratie ist, wenn eine Wahl zum Wunschergebnis der sich selbst erhöhenden moralischen Bessermenschen führt. Alles andere ist indiskutabel. Und das, obwohl so herzensgute Weltverbesserer wie das SPD-Nordlicht Stegner und gleichgesinnte deutsche Weltenretter in die USA gereist waren, um dort für die Wunschkandidatin Clinton die amerikanischen Klinken zu putzen. Das wird die Amis sicher so begeistert haben, wie es mich begeistern würde, wenn mir ein weit Gereister an der Tür erklären wollte, was ich zu wählen oder zu denken hätte. Das mit dem “deutschen Wesen, an dem die Welt zu genesen” hat, scheinen einige Teutonen mit der Muttermilch aufgenommen zu haben, intellektuell und geschichtlich völlig Bildungsresistent.

Jörg Schwingel / 09.11.2016

“Die fundamentale Lehre lautet zunächst: So etwas passiert, wenn man die Menschen und ihre Ängste ignoriert oder gar desavouiert.” Der “angstgetriebene” undvon “Abstiegssorgen geleitete” Wähler der alternativen Kräfte ist ein Konstrukt des Etablierten, das ihn als minderbemittelten, armseligen Tropf darstellen will. Man möchte sie als bedauernswerte Zeitgenossen betrachten, deren eingebildeten Phobien mit ein paar Therapiestunden geheilt werden könnten. Mein Eindruck ist dagegen, daß es sich in der Mehrzahl um selbstbewusste und meinungsstarke Persönlichkeiten handelt, die lediglich keine Politik gegen ihre ureigensten Interessen unterstützen wollen. Und auch keinen Bedarf auf Welterklärungen von schlaumeiernden Medienvertretern haben. Mit dumpfen “Ängsten” hat das nichts zu tun. Angst hat das Establishment um ihre Meinungshoheit und Pfründe.

Dana Hölzer / 09.11.2016

Nachdem ziemlich viele Menschen (Bekannte, Leute in Interviews) gesagt haben, sie würden auswandern, wenn Trump gewinnt,  bin ich gespannt auf die Auswanderungswelle aus den USA!

Detlef Dechant / 09.11.2016

Sehr geehrter Herr Maxeiner, gewusst haben wir (damit meine ich einen ganz kleinen Teil politischer Bildner) es nicht vorher! Gehofft? Vielleicht – als das auf alle Fälle kleinere Übel von beiden Kandidaten! Aber geahnt haben wir es! Warum? Wir hören zu! Wir hören auch dann zu, wenn die breite „besorgte“ Masse redet! Wir tabuisieren deren Meinungen nicht! Wir nehmen ihre Probleme und Sorgen ernst! Das heißt ja nicht, dass wir diese teilen. Und nichts anderes hat Trump gemacht. Er hat zugehört, er hat die Probleme, die Sorgen verstanden und auch den Ärger, die Wut angenommen. Und dann hat er „verkauft“. Er hat aus den Problemen und Sorgen der breiten Masse Herausforderungen gemacht; er hat ihnen gezeigt, dass diese Herausforderungen angenommen werden müssen und er hat ihnen gezeigt, wie sie diese auch bewältigen können! Er hat das Volk vom beherrscht werden zum Handeln mitgenommen. Und sie glauben jetzt, dass sie es schaffen können! Das heißt ja nicht, dass Trump mit allem übereinstimmt! Wie weit das geht, wird sich nun zeigen. Er hat nur gut verkauft!!! Ein Beispiel: Er redete davon, gegen die illegale Einwanderung aus Mexiko eine “Mauer” zu bauen. Das ist ein Bild und alle sahen eine nicht überwindbare Mauer aus Beton, Stahl und Draht. Die einen waren dafür, andere dagegen. Nur, eine “Mauer” kann vieles bedeuten: Mauer im Herzen, im Denken, im Handeln, ja, auch als Bauwerk. Aber welche Mauer meinete Trump? Welche wird er errichten? Und das hat die etablierte Klasse von Politik, Wirtschaft und Medien bis heute nicht kapiert. Die drehen sich nur in ihren Kreisen, klopfen sich gegenseitig auf die Schultern, bestätigen sich, wie gut sie sind und wie dumm doch alle anderen. Sie sind die, die wissen wie es geht und müssen den anderen den „richtigen“ Weg weisen! Deshalb haben und werden sie auch in Zukunft verlieren. Und Trump hat einen Vorteil! Durch die Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Kongress kann er leichter regieren. Er kann auch unpopuläre Entscheidungen treffen sofern er die Republikaner mitnimmt! Wir sollten nicht auf das populistische Gebaren des Wahlkampfes hören - was leider viele vor allem in der europäischen politischen und medialen Elite gemacht haben. Hat man nicht registriert, wie ruhig sich die Wirtschaft verhielt? Dort hat man wahrscheinlich mehr den Werdegang und seine vielen Interviews - auch zur Politik - zur Kenntnis genommen, die einen anderen, manchmal auch nachdenklichen, aber vor allem autentischen Trump zeigen, und sie haben das Wahlkampfgetöse als solches wahrgenommen, was es ist: Eine Taktik, gerechtet nur auf ein Ziel - den Wahlsieg! Die richtige Arbeit beginnt jetzt. Herzliche Grüße Detlef Dechant

Alexander Rostert / 09.11.2016

Ein US-Präsident kann nicht – wie ein Diktator – machen, was er will. Nein, aber eine Bundeskanzlerin kann das anscheinend.

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