Von Lizzy Stender.
Nach dem Beginn der Operation „Barbarossa“, dem vom „Größten Feldherrn aller Zeiten“ angeordneten Überfall auf die Sowjetunion (22. Juni 1941), erzählte man sich in regimekritischen Kreisen im Deutschen Reich folgenden Witz:
Der kleine Hermann kommt mittags aus der Schule in sein gutbürgerliches Zuhause zurück und ist ganz aufgeregt. Der Lehrer habe eine feierliche Ansprache gehalten und erklärt, dass die tapferen Wehrmachtssoldaten nun gen Moskau stürmten, um den Todfeind Stalin und das Weltübel des Bolschewismus auszurotten. Hermanns Vater nimmt seinen Zehnjährigen an der Hand und geht mit ihm ins Herrenzimmer, wo ein repräsentativer Globus steht. „Schau mal, Hermann, dies hier ist das Großdeutsche Reich. Hier, in Berlin, wohnt unser Führer, Adolf Hitler. Dort oben, da ist Moskau. Dorthin sind unsere Soldaten nun aufgebrochen. Und das da“, während er mit dem Zeigefinger den langen Grenzverlauf nachzeichnet, „das da, mein Junge, das ist die Sowjetunion.“ Der kleine Hermann macht große Augen und sagt ein bisschen kleinlaut: „Gell, Papa, unser Führer hat keinen Globus zu Hause!“
Die Macht des Faktischen im Jahr 2017
Am Montag, 13. Februar 2017 fand zwischen dem seit drei Wochen im Amt befindlichen US-Präsidenten Trump und seinem Pendant aus dem Nachbarland Kanada, Premierminister Justin Trudeau ein erstes Treffen statt.
Letzterer stellt für viele der inzwischen auf hohen Hysterie-Drehzahlen heiß laufenden Trump-Gegner in Medien und Politik eine der letzten Bastionen der weltoffenen, liberalen Menschenfreundlichkeit dar, hat er doch im vergangenen Jahr fast vierzigtausend syrische Flüchtlinge in Kanada aufgenommen. Dabei wird gerne übersehen, ob aus Absicht oder in Unkenntnis des kanadischen Einwanderungsrechts, dass es sich dabei nicht um einen persönlichen humanitären Impuls des guten Menschen Justin Trudeau gehandelt hat, sondern um das im Einwanderungsgesetz vorgesehene Flüchtlings-Kontingent, das in jedem Jahr der neueren kanadischen Geschichte Zehntausenden durch Genozid oder ähnlich Schwerwiegendes Bedrohten einen sicheren Hafen, einschließlich eines knüppelharten, einjährigen Assimilationsprogramms, beschert hat.
Im Anschluss an die Beratungen traten die beiden Staatsmänner vor die Presse. Vor allem die Mainstream-Medien hatten sich von ihrem Bannerträger Trudeau neue Munition gegen den „Muslim Ban“-Trump erhofft, zumindest eine frostige Atmosphäre oder, besser noch, einen deutlich erhobenen Zeigefinger mit den passenden Ermahnungen in Richtung des Rüpels im Oval Office.
Und dann das! Die Journalistin Kaitlan Collins von „The Daily Caller“ fragt: …“Prime Minister Trudeau, you’ve made very clear that Canada has an open door policy for Syrian refugees. Do you believe that President Trump’s moratorium on immigration has merit on national security grounds?”
Trudeau liefert nicht das erwünschte Trump-Bashing
Trudeau antwortet:
“Canada and the United States have been neighbors a long time, and Canadians and Americans have stood together, worked together at home and around the world. We’ve fought and died together in the battlefields in World War I and II, in Korea, in Afghanistan.
But there have been times when we have differed in our approaches, and that’s always been done firmly and respectfully. The last thing Canadians expect is for me to come down and lecture another country on how they choose to govern themselves.
My role and our responsibility is to continue to govern in such a way that reflects Canadians’ approach and be a positive example in the world.”
Dumm gelaufen für die Anti-Trump-Polemiker. An diesen wohlgesetzten, mit Selbstbewusstsein vorgetragenen Worten von Justin Trudeau beißt sich auch der ausgekochteste Spin Doctor die Zähne aus. Daraus lässt sich selbst mit viel Phantasie und Chuzpe keine Keule zum Zwecke des Trump-Bashings schnitzen.
In der jüngeren Vergangenheit hatte man aus Kanada, aus den dortigen Medien und auch aus Regierungskreisen bis ganz nach oben durchaus kritischere Töne an der neuen Regierung beim großen Nachbarn vernommen. Tja, wenn da nur nicht die verflixten Zahlen und Fakten wären. Vielleicht hat in diesem Fall die angekündigte Neuverhandlung des Freihandelsabkommens NAFTA in Verbindung mit der Tatsache, dass 75 Prozent der kanadischen Exporte in die USA gehen, zu einer entsprechenden Ernüchterung und anschließendem Herabsteigen vom hohen moralischen Ross beigetragen.
Politiker-Kommanditisten mit extrem beschränkter Haftung
Es bleibt mir die bange Frage, in welcher Form ich meine flehentlichen Hilferufe an die Heilige Ratio mit Zuständigkeit für das Kanzleramt in Berlin richten kann. Auf dass sich die nüchterne Erkenntnis durchsetzen möge, dass sich Deutschland eine Fortsetzung des unter dem (uns gar nicht so wohlgesonnenen) Vorgänger Obama begonnenen Wirtschaftskriegs (VW, Deutsche Bank, etc.) einfach nicht leisten kann.
Schon gar nicht mit seinem, von diversen Vertretern der politisch-medialen Kaste dumm und direkt attackierten Nachfolger. Der obendrein im Haifischbecken des New Yorker Immobiliengeschäfts das Verhandeln um sein eigenes Geld gelernt hat. Im Gegensatz zu unseren konsensorientierten, Steuergeld verteilenden Politiker-Kommanditisten mit extrem beschränkter Haftung.
Analog zu den Worten von Justin Trudeau - das Letzte, was die Mehrheit der Deutschen von ihrer Kanzlerin erwartet, ist, dass sie …. in einem der ersten Telefongespräche mit dem mächtigsten Mann der Welt diesen mit Ermahnungen zur Genfer Flüchtlingskonvention nervt (während der weltläufige Japaner Shinzo Abe nach einem Golf-Wochenende mit Donald gerade einen neuen Freund gewonnen hat).
Irgendjemand muss sich finden, der die – eingebildet – „mächtigste Frau der Welt“ darüber aufklärt, dass es zwischen dem erhobenen Zeigefinger gegenüber Trump und der Ergebenheits-Bauchlage vor Erdogan eine ganze Reihe von in Jahrhunderten politischer Auseinandersetzungen erprobten und bewährten Verhandlungsstrategien gibt. Heilige Vernunft, erhöre mich!