Sabine Mertens, Gastautorin / 24.08.2024 / 12:00 / Foto: Privat / 23 / Seite ausdrucken

Trinker oder Trinkender?

Diese Rede hielt Sabine Mertens, Initiatorin der ersten Volksinitiative Deutschlands gegen die sogenannte Gendersprache, bei der Hauptversammlung des SAP-Softwarekonzerns. 

Sehr geehrter Herr Plattner, sehr geehrter Herr Ala-Pietilä, sehr geehrter Herr Klein, sehr geehrte Frau Vargiu-Breuer, sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Sabine Mertens. Ich bin Initiator der ersten Volksinitiative Deutschlands gegen die sogenannte Gendersprache. Sicher kennen Sie den Unterschied zwischen einem „Trinker“ und einem „Trinkenden“. Unter einem „Trinker“ versteht man jemanden, der dem Alkohol verfallen ist. Es kann aber sehr gut sein, dass der „Trinker“ in dem Augenblick, da über ihn gesprochen wird, gerade nichts trinkt.

Unter einem „Trinkenden“ hingegen versteht man jemanden, der momentan etwas trinkt. Während man trinkt, ist man ein Trinkender, aber jedenfalls kein Trinker. Das Wort „Trinkender“ ist die substantivierte Verlaufsform des Verbs trinken und beschreibt eine gerade ablaufende Handlung. Sie werden sich vielleicht über diese Einleitung wundern, denn SAP ist bekanntlich nicht im Spirituosengeschäft tätig. Die Einleitung ergibt aber Sinn, denn SAP hat eine Sprachrichtlinie herausgebracht, in der von „Mitarbeitenden“ statt von Mitarbeitern die Rede ist. Den Unterschied zwischen einem Mitarbeiter und einem „Mitarbeitenden“ sollten Sie kennen — und berücksichtigen!

„Mitarbeitende“ ist für Mitarbeiter diskriminierend

Ein Mitarbeiter ist jemand, der einen Arbeitsvertrag eingegangen ist. Der Mitarbeiter muss nicht unbedingt gerade mitarbeiten, denn er könnte im Urlaub oder krank sein, oder sich im Mutterschutz befinden. Ein „Mitarbeitender“ hingegen ist jemand, der im Moment gerade arbeitet, z.B. für SAP. Im Gegensatz zu einem Mitarbeiter hat er nicht unbedingt einen Arbeitsvertrag mit SAP, sondern kann z.B. ein Handwerker sein, der gerade verstopfte Toiletten repariert. Wer hätte im langweiligen Grammatikunterricht seiner Schulzeit gedacht, dass die Verlaufsform, also das Partizip Präsens, einmal für einen kleinen Unterschied mit großen Folgen stehen könnte: nämlich ob man einen Arbeitsvertrag bei SAP hat oder dort verstopfte Toiletten repariert!

Das Wort „Mitarbeitende“ ist für Mitarbeiter diskriminierend. Es diskriminiert alle Mitarbeiter, die gerade im Urlaub sind oder sich im Krankenstand oder im Mutterschutz befinden, denn von seiner Bedeutung her inkludiert es diese Mitarbeiter nicht. Außerdem benimmt der Begriff „Mitarbeitende“ die Mitarbeiter ihrer Schutzrechte, denn der arbeitsrechtliche Status ist mit dem Begriff Mitarbeiter verknüpft, nicht aber mit dem Begriff Mitarbeitende – ganz analog zur Rechtsstellung von Flüchtlingen, denn einen Rechtsstatus für Flüchtende oder Geflüchtete gibt es nicht. Warum also wollen Sie das korrekte Wort Mitarbeiter durch das inkorrekte Wort „Mitarbeitende“ ersetzen?! Sie tun das angeblich, um Diskriminierungen abzubauen. Das Gegenteil ist leider der Fall: Sie verwenden nicht nur eine inhaltlich falsche Sprache, sondern eine Sprache, die Ihre eigenen Mitarbeiter diskriminiert.

Der Begriff Mitarbeitende ist aber nicht die einzige Diskriminierung in Ihrer Sprachrichtlinie. Sie lassen darin auch den sogenannten Genderdoppelpunkt zu, der ebenso diskriminierend ist. Warum ist er das? Nun, er diskriminiert etwa 10 Millionen Deutsche mit Lese- und Rechtschreibschwäche, denn die Probleme dieser Menschen mit der ohnehin schon sehr schwierigen deutschen Sprache werden durch den Genderdoppelpunkt erheblich verschärft. Auch gibt es etwa 25 Millionen deutsche Bürger mit Migrationshintergrund, von denen viele Deutsch nicht als Muttersprache sprechen. Das Erlernen der deutschen Sprache wird diesen Mitbürgern durch Wortbinnenzeichen wie den Genderdoppelpunkt erheblich erschwert! Der Doppelpunkt erschwert also etwa 30 Millionen Mitbürgern die soziale Teilhabe oder schließt sie sogar ganz davon aus. Statt Diskriminierungen abzubauen, weitet Ihre Sprachrichtlinie diese also massiv aus!

Warum werden die Beschwerden ignoriert?

Sehr verehrte Damen und Herren: Alle Formen des Genderns sind in jeder Hinsicht diskriminierend! Sie sind sexistisch, menschenverachtend, rassistisch, und sie verletzen die grundgesetzlich geschützte Würde des Menschen! Obendrein sind sie undemokratisch, denn niemand hierzulande will gendern! Die absolute Mehrheit der deutschen Sprachgemeinschaft lehnt Gendersprache ab! Nach Umfragen ungefähr 90 bis 95 Prozent der Befragten! Ja, so ist die Lage.

Das Problem der Diskriminierung muss den Autoren der Sprachrichtlinie bekannt sein, denn sie haben sich folgendes Konstrukt ausgedacht: Solange keine der betroffenen Minderheiten im Verteiler vorkommt oder im Publikum sitzt, darf man den diskriminierenden Genderdoppelpunkt verwenden, ansonsten möge man bitte darauf verzichten. Ich traute meinen Augen nicht, als ich das las! Das ist ja so, als erlaubte man das herabwürdigende „N-Wort“, solange kein Schwarzer im Publikum sitzt! Sind die Schildbürger inzwischen nach Waldorf umgezogen?!

SAP-Mitarbeiter beschweren sich über diese diskriminierende Sprachrichtlinie. Der Verein deutsche Sprache, dessen Vorstand ich angehöre, nimmt sich solcher Beschwerden an. Ihre Diversity & Inclusion-Abteilung hingegen, die für die Richtlinie zuständig ist, ignoriert sie! Deshalb bin ich heute hier. Auch wenn die SAP-Sprachrichtlinie offiziell als unverbindliche Empfehlung gilt, entlarvt sie doch in der Praxis ihren vorschreibenden Charakter. Das belegen eben die Beschwerden! Denn das diskriminierende Wort „Mitarbeitende“ sowie der ebenso diskriminierende Genderdoppelpunkt sind auch nach den Beschwerden weiterhin in der Sprachrichtlinie enthalten. Warum werden die Beschwerden ignoriert?

Man merkt, wer nicht alle Latten am Zaun hat

Vielleicht weil eine Amerikanerin für die Richtlinie zuständig ist, also kein deutscher Muttersprachler, und vielleicht weil alle weiteren Entscheidungen zur Richtlinie von der Leiterin der Diversity-Abteilung getroffen werden – einer Inderin, die in Amerika lebt und kein Wort Deutsch spricht! Wer hier im Saal traute sich zu, eine Sprachrichtlinie für die Hindi-Sprache zu verfassen oder darüber zu entscheiden? Die SAP-Sprachrichtlinie ist ein Paradebeispiel für „kulturelle Aneignung“, denn Mitarbeiter, die kein Wort Deutsch sprechen, entscheiden, wie die deutschen Mitarbeiter schreiben und sprechen sollen.

Um es auf den Punkt zu bringen: Ihre Sprachrichtlinie diskriminiert nicht nur Ihre eigenen Mitarbeiter, sondern etwa 30 Millionen der am meisten benachteiligten Mitbürger unserer Gesellschaft. Das hat wohl auch die baden-württembergische Landesregierung bemerkt. Sie griff unlängst das Anliegen der hiesigen Volksinitiative auf und untersagte Gendern in der gesamten Behördenkommunikation. Mein Vorschlag zur Güte: Überarbeiten Sie die kritischen Stellen Ihrer Sprachrichtlinie. Dabei helfe ich Ihnen gern.

Und schließen möchte ich mit einer positiven Note: „Das Gute am Gendern ist, dass man sofort merkt, wer nicht alle Latten im Zaun hat!“

Zuerst erschienen in Sprachnachrichten 3/2024.

Sabine Mertens ist Kunsttherapeutin und Autorin und leitet die AG Gendersprache im Verein Deutsche Sprache (VDS). Sie ist die Initiatorin einer Hamburger Volksinitiative gegen die Gendersprache in Verwaltung und Bildung.

Foto: Privat

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Gustav Kemmt / 24.08.2024

Vielen Dank! Ich möchte Ihrer Aufzählung hinzufügen, dass das Gendergaga überdies obszön ist. Es stellt nämlich Geschlechtsorgane aus.

Thomas Szabó / 24.08.2024

Ich fühle mich auch durch die Gendersprache belästigt, obwohl ich keine Lese- und Schreibschwäche habe. Ich lese & schreibe viel & gerne. Ich lese & schreibe schnell, um möglichst viel Inhalt zu verarbeiten. Ich habe keine Lust auf unnötige & ärgerliche Wiederhologen von Selbstverständlichkeiten, wie die Auflistung aller mehr oder minder fiktiver Geschlechter innerhalb jedes einzelnen Satzes. Die Sprache dient der Kommunikation und muss deshalb möglichst einfach & verständlich sein. Ich drücke mich deshalb sogar etwas verkürzt aus und lasse alles Unnötige weg. Eine korrekt gegenderte Sprache ist wie ein ritualisiertes Gebet, eine politisierte Sprache, in der man in jedem Satz seine Führertreue betont. Wir leben in einer immer komplexer werdenden Welt. Eine gegenderte Sprache würde jedes wissenschaftliche Schriftstück unlesbar machen. Deshalb dache ich schon vor 20 Jahren daran die Sprache für den fachlichen inhaltsbezogenen Informationsaustausch zu vereinfachen. Ich schreibe normalerweise jeden Gedanken in einen eigenen Absatz. Das zieht den Text zwar optisch in die Länge, strukturiert ihn aber auch. So kann der Leser überall einsteigen, ganz anders als bei einer langen Buchstabenwurscht. Und man kann die Zwischensätze ganz weglassen, die Absätze ersetzen sie. Der Leser springt von Gedanken zu Gedanken und der gesamte Text ist viel kürzer & übersichtlicher.

Franz Klar / 24.08.2024

Man wird die Rednerin kaum verstanden haben . In solchen Unternehmen ist das geschlechtsneutrale Englisch mittlerweile die Lingua franca . Gagasprache ist ein Erziehungsmittel für ländliche Hillbillies ...

A. Ostrovsky / 24.08.2024

Die Unterstellung, bei SAP könnte es verstopfte Toiletten geben, ist UNGEHEUERLICH!!

Isabella Martini / 24.08.2024

Es gibt sie noch. Frauen mit gesundem Menschenverstand und einem sachlich vernünftigen Verhältnis zu ihrer Sprache. Top argumentiert, Frau Mertens.

H. Krautner / 24.08.2024

Ziemlich blamabel, für die Person oder für die Personen, die bei SAP diese Sprachrichtlinie verfasst und veranlasst haben.

Karsten Dörre / 24.08.2024

Semantisch ist die Einleitung falsch. Trinker ist das Substantiv für ein Verb, also für eine Tätigkeit. Wenn ich jetzt gerade ein Schluck Wasser zu mir nehme, bin ich in diesem Moment ein Trinker. Das Substantiv Trinkender ist eine wissenschaftliche Neuschöpfung jüngeren Datums. Im Alltagssprech kam Trinkender/Trinkende nicht vor. Beide Substantive Trinker/Trinkender wurden nicht verwendet. Man sagte “...der/die gerade trinkt”, wenn man wen beschreibt. Die negative Konnotation für “Trinker” ist wissenschaftlich nicht haltbar, auch wenn es landläufig so gemeint ist. Biertrinker, Kaffee-/Teetrinker oder Weintrinker werden nicht negativ bewertet. Für das Gendergaga ist das Beispiel Trinker leider ein Schuss in den Ofen.

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