Vera Lengsfeld / 09.12.2022 / 16:00 / Foto: JWBE / 28 / Seite ausdrucken

Triegel trifft Cranach – Der Bildersturm des Weltdenkmalrats

Am letzten Sonntag war die vorläufig letzte Gelegenheit, im Naumburger Dom die wunderbare Wiederauferstehung des in den Reformationswirren vor 500 Jahren zerstörten Cranach-Altars durch den Erfurter Künstler Michael Triegel zu bewundern. Sein Abbau ist eine Geschichte von Feigheit, Neid und schadet einer lebendigen Kirche.

Zahlreiche Besucher wollten Michael Triegels Werk noch sehen oder noch einmal sehen. Während der halben Stunde, die ich vor dem Altar stand, sind etwa fünfzig Menschen mit mir da gewesen. Wir standen nicht nur gebannt davor, sondern gingen mehrmals um den Altar herum, um jedes Detail zu bewundern. Die Arbeit von Triegel ist wirklich kongenial. Es ist, als reichten sich die Jahrhunderte die Hand. 

Wir kamen untereinander ins Gespräch und waren uns einig: Cranach hätte die Ergänzung seines Werkes gebilligt. Eine Gegenstimme habe ich nicht vernommen. Aber unter den „Experten“ oder auch Triegels Kollegen rief das die Neider auf den Plan. Der Weltdenkmalrat Icomos machte sich zur Stimme der Neider. Die Argumente, die er in den Raum warf, das Kunstwerk beeinträchtige die „äußerst sensiblen Blickbeziehungen im Westchor“, ist mehr als dürftig. Jeder, der dort gewesen ist, sieht, wie an den Haaren herbeigezogen diese Behauptung ist. Uta blickt völlig frei auf den Altar. Regelindis lächelt ihm gar zu.

Der Cranach-Altar wurde in einer Zeit aufgestellt, die viel mehr von Schönheit und Harmonie verstand als wir heute. Icomos war anscheinend selbst klar, auf welch schwachen Füßen sein Argument steht, und deshalb warf es ohne jeden Beleg eine drohende mögliche Aberkennung des Welterbe-Titels für den Dom in den Raum. Das gab dann für die Politik offensichtlich den Ausschlag, von dem Projekt, das unter anderem auch von der Landesregierung Sachsen-Anhalt unterstützt worden war, feige abzurücken.

Kultusminister Robra blieb fern

Kulturminster Reiner Robra (CDU) spielte da eine besonders peinliche Rolle. Er fiel öffentlich um, stützte Icomos’ Behauptungen und verlieh ihnen damit erst Glaubwürdigkeit. Die Landesregierung verkürzte eilfertig die Ausstellungszeit von drei Jahren auf wenige Monate. Ausgerechnet in der Adventszeit ist der Altar jetzt abgebaut worden. Kurz vorher versuchte die Domstiftung noch mit den Gegnern des Triegel-Altars auf einer Tagung ins Gespräch zu kommen. Die kniffen aber allesamt.

Minister Robra bleib fern mit der absurden Begründung, es handele sich um keine politische Frage, also müsste er nicht Stellung nehmen. Hat er gedacht, dass die Öffentlichkeit vergessen hat, dass er sich bereits als Politiker geäußert und gehandelt hatte, oder war es ihm egal? Auch der Icomos-Mann, der die Debatte losgetreten hatte, erschien nicht. Er wäre auch mit Pauken und Trompeten untergegangen,

Zuvor war bekannt geworden, dass der Professor für Denkmalpflege und Icomos-Experte Achim Hubel zurückwies, dass es zu einer Aberkennung des 2018 verliehenen Welterbe-Titels käme, falls der Altaraufsatz nicht abgebaut würde. Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre ein Eintrag in die „Rote Liste“ des gefährdeten Welterbes. Da müsste erst nachgewiesen werden, dass der Altar eine Gefährdung darstellt. In diesem Falle müsste mit der UNESCO verhandelt werden, wie man die Aberkennung des Titels verhindern könnte – ein Prozess, der sich normalerweise über Jahre hinwegzieht.

Hubel ist aber der Meinung, dass er sich „die Keule der Roten Liste überhaupt nicht vorstellen kann“. Weil der drohende Verlust des Welterbe-Titels auch ein unsicheres Argument ist, wurde noch nachgeschoben, dass der Altar angeblich nie im Westchor gestanden hätte. Diese Behauptung ist ebenso aus der Luft gegriffen wie die beiden anderen. 

Der verhängnisvolle Fehler der Altargegner

Der Triegel-Altar nimmt auf subtile Weise Bezug auf die Stifterfiguren. Der Naumburger Meister schuf mit seinen zwölf Stifterfiguren, konzipiert für die Architektur des Westchors, einen geschlossenen Zyklus, der nach Thema und Aufstellungsort in der europäischen Kunst etwas völlig Neues bedeutete. Die in Lebensgröße abgebildeten Figuren sind Idealvorstellungen von Personen, die seit zweihundert Jahren verstorben waren, aber in moderner Kleidung abgebildet wurden.

Auch Triegels Figuren, besonders die hinter dem Vorhang im Rücken von Maria, sind ganz zeitgenössisch, Ein Gesicht trägt nach meinem Empfinden die Züge Dietrich Bonhoeffers. Insofern ergänzen sich Stifterfiguren und Altar.

Der große, sogar verhängnisvolle Fehler der Altargegner ist, dass sie verkennen, dass Leben Veränderung bedeutet. Einen bestimmten Zustand fixieren zu wollen, ist nicht nur lebensfremd, sondern lebensfeindlich. Kirche ist ein lebendiger Ort und muss es bleiben. Das darf nicht dadurch konterkariert werden, dass beim Denkmalschutz allzu oft persönlich Ansichten manifestiert werden, die diesem lebendigen Prozess entgegenstehen.

Der Willen der Domstifter, der Zerstörung nicht das letzte Wort zu lassen, ist dagegen zu unterstützen. Bei Triegel ist er auf der Rückseite des Altars ins Bild gesetzt. Der triumphierende Jesus, umflattert von Schmetterlingen, den Urbildern der Schönheit, ist ein starkes Symbol der Stärke des Glaubens und der Hoffnung auf die Wiedergeburt des Lebens. Das ist genau das, was wir heute brauchen. Triegel muss seinen rechtmäßigen dauerhaften Platz im Dom erhalten!

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Björn Riese / 09.12.2022

Ich war vorige Woche eher zufällig im Naumburger Dom, kurzentschlossen und spontan. Ich wusste gar nicht, dass es diese Kontroverse gab. Der Altar fiel mir auf - aber nicht negativ. Da war nichts was den Blick von mir als Besucher störte. Kein bisschen. Aber naja, man kann von der Politik auch im Bereich Kultur nichts mehr erwarten, Versagen und Einknicken überall ...

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