Lieber Herr Bolz, dies war auch schon in den achtziger Jahren an meiner Uni so. Immer hatte ich ein unspezifisches schlechtes Gewissen, dass ich auf den ganzen Gruppenklimbim keine rechte Lust hatte. Lieber machte ich mir mehr Arbeit mit Hausarbeiten als dass ich mich in Gruppenseminaren einbrachte. Ich dachte natürlich, dies liege an mir. Lag es ja auch. Immer lauerte in mir der Selbstverdacht, ich wäre irgendwie soziopathisch. Andererseits machte mir die geisteswissenschaftliche Arbeit Freude. Aber dann meist nur, wenn ich sie selbst organisiert habe. Was nicht ganz einfach war, da ich zwar ein guter Autodidakt, aber leider auch ein Chaot war. Für Leute wie mich war die Uni schon damals nicht vorbereitet. Die Bedingung war immer die Unterordnung in die Gruppe. Und das war nie mein Ding, obwohl ich sonst ein sehr geselliger Mensch bin. Mein Glück war nur, dass ich nicht so ganz blöd war und ich einen introvertierten Professor fand, der selbst die Vorteile akademischer Einsamkeit zu schätzen wusste.
Dafür liebe ich die Achse: für Ihre freien Geister, unter den Autoren ebenso wie unter den Lesern. Man spürt förmlich ihren Atem, die Leidenschaft, gepaart mit Wissen und der Freude am Diskurs. Man muss nicht jede Ansicht teilen, aber dieses Forum lebt; wo trifft man so etwas sonst noch an? Bestimmt nicht an den Universitäten. Das ist der ganze Jammer: ausgerechnet dort, wo ein lebhafter Gedankenaustausch stattfinden sollte, ein Gedankenaustausch, der die Geistesgrößen dieses Landes gegenseitig befruchten und beflügeln sollte, herrscht ein Klima der Einschüchterung und Angst gegenüber allen, die aus der beengenden Konformität ausbrechen wollen. Das Gros gibt sich daher lieber anpasst und schweigt. Frau Lengsfeld hat hier auf der Achse am 21.10.2018 über die Republik der freien Geister in Jena um 1800 geschrieben; ein solches Klima leidenschaftlicher, aber respektvoller Auseinandersetzungen zu verschiedenen Themen erscheint heute undenkbar. Was sagt dies nicht nur über die im Grundgesetz verbriefte Meinungsfreiheit, sondern auch über die geistige Verfasstheit unseres Landes aus?
Ja, so ist es, meine abweichende Meinung zu Womans Lib in der Abiarbeit hat mir Anfang der 70-er die Englischnote ziemlich versaut. Das polnische Wort für selbständig ist somodzielnie, samo=‘einsam’, selbst, dzielnie=tapfer. Selbständiges Denken macht einsam und erfordert Tapferkeit. “Nur tote Fische und Müll müssen immer mit dem Strom schwimmen”, so G. K. Chesterton. Nichts Neues unter der Sonne.
@ Rudi Knoth - Ach das Ding mit der Demokratie! Die Suche nach Mehrheiten bei anstehenden Entscheidungen der Legislative und Exekutive ist in der Demokratie verpflichtend. Auch Wahlen folgen demokratischen Regularien. Schwierig wird es aber in der Wissenschaft: Die Addition von 4 und 2 ergibt 6, selbst wenn überwältigende Mehrheiten für 5 plädieren. Albert Einstein war eine singuläre Minderheit mit seiner eigenartigen Theorie von der Relativität und hätte damit jede “demokratische” Abstimmung verloren, wäre man damals auf den irren Gedanken gekommen, darübere demokratisch abstimmen zu lassen. Dass das heute anders gesehen wird, sieht man an dem Missbrauch des Wörtchens Konsens, der gern gebraucht wird, gegen unbestrittene oder für bestrittene Annahmen eine Einmütigkeit zu zelebrieren und den Zweifel den verachteten Skeptikern zu lassen. Erst war es der “Klimakonsens”, jetzt heißt es unbewiesen: “Wir sind mehr”. Wissenschaft geht anders, muss ergebnisoffen sein und frei vom dem Druck, schnell einen Zweck zu erfüllen. Die Bürokratisierung im vermeintlichen Namen der Demokratie ist der Tod der freien Wissenschaft. Kein noch so erlauchtes Gremium besitzt die Kompetenz, “Exzellenzcluster” - ein schreckliches Bürokratenwort! - zu gründen. Mit Exzellenz kann man gleichwohl seiner Universität dazu verhelfen, für “Elite” erklärt zu werden. Keine noch so demokratische Casting Show ist dazu befähigt.
Es ist doch mehr als verstörend, wenn man schon nicht mal mehr Tatsachen aussprechen darf, weil sie dem konformen Denken widersprechen. Herr Sarrazin hat ja einschlägige Erfahrungen gemacht. Können Tatsachen rassistisch sein? Ich habe ein sehr interessantes Buch von Andreas Vonderach: “Völkerpsychologie / Was uns unterscheidet” - Es handelt sich um eine Beschreibung der charakteristischen Eigenschaften der verschiedenen Völker, durch die sie sich voneinander unterscheiden. Das Buch ist von 2014. Als ich meinen nun wirklich grünen Ex-Freunden davon erzählte, entfuhr es einer Grünin: “Aha, soweit sind wir schon wieder! Und die Schwarzen sind halbe Affen!” Ich war perplex! Da stand ich nun als ausgemachte Rassistin! Ich hatte mich eines schweren Vergehens schuldig gemacht: Ein Buch zu lesen, dass sich wissenschaftlich mit den Unterschieden “zwischen den Völkern in der Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit der Realisierung eines bestimmten Verhaltens” auseinandersetzt. Wirklich ein sehr differenziertes und überaus interessantes Buch! Passt aber nicht zu dem Slogan: “Alle Menschen sind gleich!”, wenn dieser Slogan mehr meint als die inzwischen zumindest in unseren Breiten selbstverständliche politische Gleichheit, die meint: “Man erkennt damit in einer Gemeinschaft den anderen als jemanden an, der die gleichen Rechte hat wie man selbst, obwohl man natürlich um die Verschiedenheit der Neigungen und Fähigkeiten weiß.” Durch die gemeinsame Geschichte, Kultur und Sprache und nicht zuletzt die gemeinsame Abstammung haben sich auch im deutschen Volk Verhaltensweisen entwickelt, die hier häufiger vorkommen als in anderen Völkern. Das ist nur eine nüchterne Beschreibung der Realität. Auf dem Rücken des Buches steht in weiser Kenntnis der Lage: “Die Völkerpsychologie ist einer jener Wissenschaftszweige, die KEIN RENOMMEE haben, aber HINTER DEN KULISSEN ununterbrochen auf ihre anwendbaren Ergebnisse hin ausgewertet werden.” Wieder mal Tabus und Heuchelei!
Danke, Norbert Bolz ! Sie haben mich an meine Freiheit erinnert, die man sogar am Lebensabend noch verlieren kann. Ich sehe die Kollektivierung im Westen als Erfolg der Frankfurter Schule. Die war eine Erfindung, um den Bolschewismus durch die Hintertür nach dem II. Krieg erneut zu implementieren. Ihn hatten die Deutschen mehr oder weniger einhellig, aufgrund der Verbrechen Stalins bereits in den Zwanzigern und Dreissigern, fallengelassen. Im Grunde ist die Sache einfach: Es war eine Strategie zu finden und weiterzuentwickeln, am besten über die höheren Bildungseinrichtungen, um das Konservative zu vernichten und den Kollektivismus des Gleichschritts durchzusetzen. Hier war Hitler zeitweise schneller und erfolgreicher als die Rotfront Thälmanns, weil er das Massentrauma der Deutschen, am Ende auch noch Versailles, ansprach, zu heilen versprach und dies sogar mit der Herrlichkeit des “Herrenmenschen” verband. Als Schuldiger, historisch erprobt, der hinterhältige Jude. Es scheint so, als wären Germanen Wesen, die sich zu allen Zeiten nur in der Masse wohlfühlen und im Grunde mit der Demokratie nicht umzugehen wissen.
1974 bereits konnte ein Historiker in Heidelberg ( Prof. Conze) seine Vorlesungen nur noch im Hinterzimmer eines Gasthofs halten, als Mitglied im “braunen Bund Freiheit der Wissenschaft” markiert als Nazi. Die historische Fakultät und ihr Lehrbetrieb war damals fest in der Hand der KBW Maoisten. Ob mir Herr Kretschmann damals auch schon auf die Nerven ging, erinnere ich nicht. Dass der unsägliche Schwachsinn von damals nach 50 Jahren es schaffen könnte, aus der BRD eine DDR 2.0 zu formen, hätte ich niemals für möglich gehalten.
Herr HERIBERT MÜNKLER, enger Kanzlerin-Berater, schreibt nun auch in der NZZ. Etwa in dem Sinne: ...“werdet schon dumm gucken, wenn Merkel weg ist !” Die Epistel hat wohl quantitativ 5 % Merkelkritik, 20 % Nichtssagendes und 75 % Lob. Damit’s nach Solidität und Ausgewogenheit aussieht. Aus meiner Sicht ist Münklers Regierungsauftrag der, über eine Schweizer Zeitung diejenigen anzusprechen, von denen man im Kanzleramt weiss, dass diese über die Lücken- Presse nicht mehr erreichbar sind. Es ist auch eine kleine, subtile Drohung dabei: ’ Unser Zugang zu den Schweizern ist so gut wie Eurer’. Oder, Republikflucht im Geiste kann schädlich sein.
In diesem Text sind so viele interessante Aspekte enthalten - großartig. “Der Ungeist der Gruppe”. “Freudlosigkeit”. “Einsamkeit und Freiheit - beides wird heute bekämpft”. Letzteres trifft auch im Alltag zu. Man kann kaum irgendwo sein, ohne daß jemand herangerobbt kommt und Anschluß sucht. Ich sitze im Café und lese, Meter entfernt eine Gruppe Damen. Als sie das Lokal verlassen, tritt plötzlich eine an meinen Tisch und fragt: “Sie sitzen da und lesen so intensiv, wir haben uns gefragt, was Sie da lesen”. Man betritt eine Örtlichkeit, Gruppen sitzen da und schwatzen, schlagartig hören sie damit auf und beobachten mit offenem Mund, was man jetzt wohl zum Wirt sagt. Sie suchen permanent Bestätigung ihrer Seinsweise und Kontrolle des Einzelnen.
Am Ende des Sozialismus haben alle Klugen und Neunmalklugen erklärt, der hätte deswegen nicht funktionieren können, weil es den sozialistischen Menschen, den die Theorie verlangt, gar nicht gäbe. Nun wurde er offenbar in großen Chargen herangezogen, vierzig Jahre zu spät und in der falschen Landschaft. Wirklich ein schlechtes Timing. Oder sind das alles nur Werbeexemplare ohne praktischen Wert? Wenn ich in den beiden Gesellschaftssystemen, die ich durchlitten habe, etwas gelernt habe, dann das: Leute, die wollen, dass andere die nötige Arbeit machen, gibt es überall.
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