Es ist gegen 20:00 Uhr am Wahlabend, als der frischgebackene Kanzler Armin-Ursula Feinbein-Rübsam, dessen Partei „Ruhige Hand“ mit 51,8 Prozent aller Stimmen zum überragenden Sieger der Bundestagswahl wurde, vor die Kameras in der sogenannten „Elefintifanden-Runde“ tritt. Neidvoll sind sie auf ihn gerichtet, die Augen der anderen Kanzlerkandidat+Innen, von Armin Lasset (CDU), Walter-Saskia Erdnuss (SPD), Annalena „the Völkerrechtlerin“ Baerbock (die Grünenden) und dem Blonden von der FDP. Feinbein-Rübsam ist sein Stolz deutlich anzumerken, als er das Mikrofon am Sakko richtet und an seinen Platz geht.
Gleich zwei hochrangige Moderatorinnen, Anne Willesjaauch und Sandra Maischberger*in, sind aufgerufen, Gewinner und Verlierer stellvertretend für alle Wählerinnen und Wähler in die Zange zu nehmen. Und Anne Willesjaauch macht den ersten Aufschlag:
„Herr Feinbein-Rübsam, zuerst einmal herzlichen Glückwunsch zur gewonnenen Wahl. War Ihnen klar, dass das heutige Ergebnis – zumal nach den letzten, ja doch eher verhaltenen Umfragen – so hoch und eindeutig ausfallen würde?“
Feinbein-Rübsam zuckt mit den Schultern und macht einen gelangweilten Gesichtsausdruck.
Aber erbarmungslos hakt Anne Willesjaauch nach: „Herr Feinbein-Rübsam?“
Feinbein-Rübsam: „Mir egal.“
Maischberger*in maischt sich ein: „Herr Feinbein-Rübsam, die „Ruhige Hand“ ist ja mit dem Versprechen in die Wahl gegangen, die Leute in Ruhe zu lassen. Was wird jetzt Ihre erste Amtshandlung sein?“
Feinbein-Rübsam: „Was essen. Ich habe Hunger.“
Maischberger*in, knallhart weiter: „Wie stellen Sie sich denn eine Reform der Rente vor?“
Feinbein-Rübsam: „Was?“
Willesjaauch hakt nach: „Rentenreform, Herr Bundeskanz…, Herr Feinbein-Rübsam. Wie wollen Sie die anstehenden Probleme bewältigen?“
Feinbein-Rübsam: „Welche Probleme? Wenn jemand Geld braucht, dann drucken wir einfach welches. Anruf genügt.“
Maischberger*in: „Machen Sie es sich da nicht zu einfach, Herr Feinbein-Rübsam?“
Feinbein-Rübsam: „Nö.“
Maischberger*in: „Wie sieht denn Ihre Umweltagenda für die ersten 100 Tage Ihrer Kanzlerschaft aus?“
Feinbein-Rübsam: „Ja.“
Maischberger*in: „Ja, was?“
Feinbein-Rübsam: „Ja, Sir!“
Willesjaauch: „Herr Feinbein-Rübsam, was die Kollegin meint, ist, wie Sie die Umweltprobleme in den ersten 100 Tagen Ihrer Kanzlerschaft angehen wollen!“
Feinbein-Rübsam: „Ich weiß.“
Willesjaauch: „Ja, und?“
Feinbein-Rübsam: „Genau! Ja und?“ (seufzt:) „So dramatisch isses ja auch nicht. Lassen wir durchlaufen!“
Maischberger*In: „Reform des Gesundheitswesens?“
Feinbein-Rübsam: „Hört auf, krank zu werden!“
Willesjaauch: „Europa!“
Feinbein-Rübsam: „Ist vorhanden!“
Maischberger*In: „Ja, aber wie werden Sie künftig die Fiskalpolitik der EU gestalten wollen?“
Feinbein-Rübsam: „Will ich ja nicht! Die kriegen schon genug Geld. Mehr gibt’s nicht.“
Maischberger*In (clever): „Und weniger?“
Feinbein-Rübsam: „…wenn die mir blöd kommen…“
Willesjaauch: „Verhältnis zu China?“
Feinbein-Rübsam: „Die sind sehr gelb.“
Maischberger*In: „Was werden Sie im Bereich Migration tun?“
Feinbein-Rübsam: „Nix. Eh alles zu spät.“
Maischberger*In: „Sie werden sich also nicht um Integration bemühen?“
Feinbein-Rübsam: „Wozu? Wer kann, wandert sowieso aus. Der Rest hat es ja mal so gewollt.“
Willesjaauch: „Wie sieht Ihre Agenda im Bereich Bundeswehr und Verteidigung aus?“
Feinbein-Rübsam: „Wir führen die Wehrpflicht nicht wieder ein, wenn Sie das meinen.“
Maischberger*in: „Welche Akzente werden Sie in der Corona-Politik setzen?“
Feinbein-Rübsam: „Keine. Soll jeder machen, wie er denkt, dass es richtig ist. Wird er krank, hat er eben Pech gehabt.“
Willesjaauch: „Herr Feinbein-Rübsam, Sie geben bisher nur ausweichende Antworten! Was konkret wollen Sie eigentlich verändern?“
Feinbein-Rübsam: „Sehen Sie, da ist das Problem. Wir heißen doch nicht ‚Jetzt wird alles anders‘, sondern ‚Ruhige Hand‘. Haben Sie unser Wahlprogramm nicht gelesen?“ („Da steh ja nichts drin“, blökt Maischberger*in dazwischen) „Ja eben! Da steht nichts drin! Wozu auch? Der Laden hier läuft auf Autopilot und funktioniert so sogar ganz vorzüglich. Unser Versprechen an die Wähler war klar formuliert: Wir lassen Euch in Ruhe und Ihr lasst uns in Ruhe! Ich finde das einen ganz hervorragenden Deal. Jeder macht seins und in der Gesamtheit wird das prima laufen. Wir können das. Wir müssen nicht dauernd herumhetzen und herummaulen und alles besser wissen und alles anders machen wollen! Es läuft doch! Warum soll ich denn dauernd einen Torwart auf Stürmer umschulen wollen? Er hält seine Torschüsse. Mehr soll er ja auch nicht machen. Warum sollte ich ihn zu irgendetwas zwingen, was nicht sein Job ist? Ich garantiere den Bürgern, dass Polizei, Müllabfuhr und Feuerwehr nach wie vor auf Anforderung kommen und die Krankenhäuser offenbleiben. Vielleicht reparieren wir ein paar Straßen und erlassen das eine oder andere Halteverbot – aber das war es dann auch. Der ganze Mist der anderen hier in der Runde (deutet auf jeden Einzelnen) hat doch bisher auch nicht funktioniert und nur Kosten und Ärger und gesellschaftliche Spaltung verursacht. Das war doch schrecklich. Nein, die nächsten vier Jahre tut sich hier gar nix, null, nassing, nada, niente. Die letzten 15 Jahre wurde hier viel zu viel herumgezappelt und herumgehampelt, und alles, was dabei herausgekommen ist, war teurer Bullshit. Wir gehen jetzt mal einen ganz neuen Weg: nämlich gar keinen! Und jetzt gehe ich ans Buffett. Ich habe schließlich gewonnen. Wo sind die Häppchen?“
…und er knöpft sich das Sakko auf, lockert den Gürtel und geht.
(Weitere ruhige Handreichungen des Autors unter www.politticker.de)
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.