Seit über sieben Jahren schreiben wir allwöchentlich unsere Kolumne und bisher hatten wir immer rechtzeitig eine Idee dafür. Das wundert uns ehrlich gesagt selbst, denn man weiß ja, dass Menschen jenseits der 50 geistig rosten. Natürlich fahnden wir ständig nach Anzeichen geistigen Verfalls, der körperliche ist ja bereits evident. Doch jetzt haben wir endlich eine Erklärung für unseren unendlichen Einfallsreichtum. Wissenschaftlich belegt mit allem drumm und drann! Die Newsweek resümiert in einem Bericht über das „Goldene Zeitalter der Innovation“: Die Älteren sind im Schnitt einfallsreicher als die Jungen. Das geht uns doch runter wie Öl. Jetzt kann uns niemand mehr mit dem „Methusalem-Komplott“ erschrecken.
Dass die Bevölkerung in den kommenden Dekaden altert, wird als furchtbares Dilemma empfunden. Wir steuern auf eine Gesellschaft zu, in der wenige Junge viel zu viele Alte durchfüttern müssen, lautet die gängige Diagnose. Etwa 2030 wird das Durchschnittsalter in der Europäischen Union bei 45 Jahren liegen, in Japan sogar bei 49. Wie sollen solche überalterten Gesellschaften den Wettbewerb mit den jugendlichen Riesen Indien und China bestehen? Wird es möglich sein, mit dieser Alterstruktur weiterhin Wachstum und Wohlstand zu erwirtschaften? Und am allerwichtigsten natürlich: Wird es noch originelle Kolumnen geben?
Der Glaube an die Schöpferkraft der Jugend beruht auf wenigen berühmten Beispielen. Mark Zuckerberg war 19 als er „Facebook“ gründete, Larry Page und Sergey Brin beide 23 als sie „Google“ entwickelten. Jeder kennt die Genies, die vor ihrem 30. Geburtstag Kunst und Wissenschaft revolutionierten (Die Beatles, Einstein, Picasso). Die Gegenbeispiele (Darwin, Daimler, Freud) sind weniger spektakulär.
Laut Statistik sind jugendliche Erfinder und Unternehmer jedoch die Ausnahme. Der typische Gründer eines amerikanischen Technologieunternehmens ist ein reifer Ingenieur, Mitte 40, der die Nase voll davon hat, für andere zu arbeiten. Er entwickelt meist keine populären Konsumprodukte, deren Namen bald jeder kennt. Weil er sein Fachgebiet beherrscht, verbessert er die Technik im Hintergrund, die der Konsument gar nicht bemerkt. Bei einer anderen Studie kam heraus, dass ältere Gründer viel häufiger erfolgreich sind. Wer mit über 55 ein Unternehmen anmeldet, hat eine fast doppelt so hohe Chance damit auf dem Markt zu bestehen, als Gründer zwischen 20 und 34.
Daten der Kauffman Stiftung aus Kansas belegen, dass in Amerika das Durchschnittsalter von Unternehmern ansteigt. Die meisten sind heute zwischen Mitte 50 und Mitte 60. Dagegen sinkt die Zahl jüngerer Unternehmer unter 35. Laut Forbes ist eine Solarenergie-Gesellschaft die am schnellsten wachsende junge Firma in den Vereinigten Staaten. Ihr Gründer ist 68 Jahre alt. Da wir sozusagen im besten Innovationsalter sind, dürfen Sie an dieser Stelle also weiterhin unsere genialen Geistesblitze erwarten. Vorausgesetzt, die Statistik stimmt.
Erschienen in DIE WELT am 03.09.2010
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