Die Bundesregierung legt den Transformationsbericht zu nachhaltigen Agrar- und Ernährungssystemen vor. Der Einfluss der EU und der UN auf die bundesdeutsche Politik wird – demokratisch nicht legitimiert – immer größer.
Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat das Bundeskabinett im Juni dieses Jahres den Transformationsbericht „Nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme“ veröffentlicht. Darin werden „Landwirtschaft, Ernährungswirtschaft und Forstwirtschaft in Zeiten der Klimakrise“ behandelt. Der Bericht ist der vierte von insgesamt sieben Transformationsberichten, die von „ressortübergreifenden Teams aus verschiedenen Ministerien“ erstellt werden.
Im März dieses Jahres war etwa der Transformationsbereich „Kreislaufwirtschaft“ und im August vergangenen Jahres der Transformationsbereich „Menschliches Wohlbefinden und Fähigkeiten, soziale Gerechtigkeit“ an der Reihe (achgut berichtete). Ein Transformationsbericht zum Thema „Schadstofffreie Umwelt“ wurde von der Bundesregierung just in einer Vorabfassung am 29. Juli vorgelegt.
Die Transformationsberichte sind eng auf die Agenda 2030 bezogen, durch die sich die Vereinten Nationen 2015 zu einer Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft auf allen Ebenen verpflichteten und die auf europäischer und nationaler Ebene im Green Deal der EU und in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie umgesetzt wird (achgut berichtete).
Hintergrund ist der Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel, der die größte Katastrophe der Menschheit darstelle, was jedwede Maßnahme rechtfertige. So heißt es in der Agenda 2030 wörtlich: „Wir verpflichten uns, die Art und Weise, in der unsere Gesellschaften Güter und Dienstleistungen produzieren und konsumieren, grundlegend zu verändern. Die Regierungen, die internationalen Organisationen, die Unternehmen und anderen nichtstaatlichen Akteure wie auch jeder Einzelne müssen zur Veränderung nicht nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster beitragen“. Mit anderen Worten: Die Zerstörung bisheriger Strukturen ist alternativlos, um die Menschheit zu retten.
Dass das Klima eine höchst komplexe Angelegenheit ist und zumal der menschliche Anteil an Klimaveränderungen – etwa mit Blick auf die mittelalterliche Wärmephase – keineswegs eine gesicherte Größe darstellt, sondern im Gegenteil das katastrophale Szenario des Weltklimarates völlig irreal ist, wurde auf achgut schon mehrfach analysiert (zum Beispiel von Fritz Vahrenholt hier). Dennoch richtet die Bundesregierung ihre Politikgestaltung nahezu vollständig auf den Kampf gegen den Klimawandel aus. Durch ihre sozial-ökologische Transformation in Richtung Klimaneutralität schafft sie jedoch nicht das versprochene neue deutsche Wirtschaftswunder, sondern vernichtet insbesondere durch rapide steigende Stromkosten nachhaltig den Wohlstand der deutschen Bürger (wie Alexander Horn hier anschaulich ausführt).
Keine Besserung in Sicht
Schaut man sich nun den Inhalt der beiden neuesten Transformationsberichte an, scheint keine Besserung in Sicht. Der Transformationsbericht „Nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme“, der 51 Seiten umfasst, wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) erstellt. Bei seiner Ausarbeitung seien eine Vielzahl von Beteiligten einbezogen worden: Bürgerinnen und Bürger, Politik, Verbände, Wissenschaft, Wirtschaft, Kirchen und insbesondere junge Menschen. Als wesentliche Punkte sind in ihm aufgelistet: der Einstieg in die verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung und die Finanzierung einer zukunftsfesten Tierhaltung, das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz, die Eiweißpflanzenstrategie, die Biostrategie 2030 sowie die Nationale Wasserstrategie und das Aktionsprogramm Wasser. Ausdrücklich wird im Vorwort betont: „Richtschnur unseres Handelns sind die 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030.“
Und tatsächlich liest sich der Bericht größtenteils wie das Wiederkäuen der UN-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, kurz: SDGs) und entsprechender EU-Vorgaben. Da die „Weltgemeinschaft“ es sich mit der Agenda 2030 bis 2030 zum Ziel gesetzt habe, den Hunger auf der Welt zu beenden, bestehe akuter Handlungsbedarf in puncto Ernährung. Bis 2030 möchte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) daher die ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft auf 30 Prozent Marktanteil ausbauen. Und mit der Eiweißpflanzenstrategie soll einerseits die heimische Produktion von pflanzlichen Proteinen für die Fütterung von Tieren sowie für die menschliche Ernährung gefördert und andererseits durch die Einsparung von Düngern sowie Humusaufbau zum Umwelt- und Klimaschutz beigetragen werden
Um die Fortschritte bei der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele beobachten und Entwicklungen korrigieren zu können, wurden im Rahmen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie Indikatoren etabliert. Dazu zählt etwa der Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft, aber auch die Adipositasquote von Erwachsenen. Entscheidend sei, dass zwischen der Gesundheit von Mensch und Tier keine scharfe Grenze verlaufe. Menschliche und tierische Gesundheit hingen eng mit dem Zustand von Ökosystemen und dem Klima zusammen. Dies erkenne auch der One Health-Ansatz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an (achgut berichtete u.a. hier).
Ernährungsstrategie „Gutes Essen für Deutschland“
Die Landwirtschaft sei in Deutschland für rund acht Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Vorrangig handele es sich hier um Lachgas und Methan aus natürlichen Prozessen im Boden, der Verdauung von Tieren sowie der Lagerung und Ausbringung von Mist und Gülle. Die Landwirtschaft sei aber auch selbst vom Klimawandel betroffen. Gleichzeitig könne und müsse sie Teil der Lösung sein, da eine nachhaltige Landnutzung der Atmosphäre Kohlendioxid entziehen könne und als organischen Kohlenstoff in landwirtschaftlich genutzten Böden sowie in Landschaftselementen wie zum Beispiel Hecken speichern könne. Eine weitere Änderung des Düngegesetzes soll zudem dazu führen, dass in Zukunft die Daten landwirtschaftlicher Betriebe über ihre Düngepraxis im Rahmen einer Monitoringverordnung nachvollzogen und bewertet werden können. Dafür müssten auch Bußgeldvorschriften zur Ahndung von Verstößen gegen die EU-Düngeprodukteverordnung erfolgen. Bei der Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie müssen nach einer Übergangszeit (ab 2029) belastete Gebiete bundeseinheitlich ausgewiesen werden.
Als konkrete Maßnahmen schwebt dem BMLE außerdem vor: die Verringerung der Treibhausgasemissionen in der Tierhaltung etwa durch die Orientierung der Entwicklung reduzierter Tierbestände an der Fläche, die Wiedervernässung von Moorböden sowie die Förderung einer gesunden und nachhaltigen Ernährungsweise. Mit der am 17. Januar 2024 vom Bundeskabinett verabschiedeten Ernährungsstrategie „Gutes Essen für Deutschland“ will die Bundesregierung erreichen, dass es „für alle Menschen in Deutschland einfach ist, sich gut, gesund und nachhaltig zu ernähren“. Eine nachhaltige Ernährung fördere die Gesundheit und das Wohlbefinden. Sie helfe gleichzeitig, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. Daher solle die pflanzenbetonte Ernährung (Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte) gestärkt und die Gemeinschaftsverpflegung etwa in Kitas, Schulen und Kantinen verbessert werden.
Wichtig sei, dauerhafte Verhaltensänderungen und damit auch eine merkbare Reduzierung der Lebensmittelverschwendung in privaten Haushalten zu erreichen. Außerdem seien die Digitalisierung sowie der Einsatz von Künstlicher Intelligenz für die Transformation der Landwirtschaft und der ländlichen Räume von großer Bedeutung. Sie könne zum Beispiel ein nachhaltiges Beikrautmanagement ermöglichen, indem mit Hilfe von Sensorsystemen, Kameras und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz Beikräuter erkannt und anschließend mechanisch, mit Hitze, Lasern, Strom oder punktuell mit Pflanzenschutzmitteln beseitigt werden könnten. Das BMEL arbeite eng mit der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Klimaschutz und Anpassung der Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei und Aquakultur“ zusammen, die die hübsche Abkürzung BLAG ALFFA trägt.
Schöne neue Welt
Ein Jugendpolitisches Forum des BMLE habe darüber hinaus ergeben, dass sich junge Menschen die Einpreisung der wahren Kosten bei Lebensmitteln wünschen. Da fühlt man sich doch gleich an die „Wahre-Kosten-Aktion“ von Penny im vergangenen Sommer erinnert (achgut berichtete). Und zum Thema Energiewende fällt dem BMLE ein: Die Kombination von landwirtschaftlichen Flächen mit Photovoltaik-Anlagen (Agri-Photovoltaik) biete große Potenziale für eine effiziente Flächennutzung. Auf Ständern angebrachte Solarzellen, unter denen Feldfrüchte wachsen, könnten erneuerbaren Strom erzeugen. Da die Solarpanels in mehreren Metern Höhe stehen würden, könnten selbst Landmaschinen problemlos die Böden darunter bewirtschaften. Schöne neue Welt also.
In dieselbe Kerbe schlägt der Transformationsbericht „Schadstofffreie Umwelt“. Auch hier geht es etwa um die EU-Pflanzenschutzverordnung und den Null-Schadstoff-Aktionsplan, der zum Ziel hat, „die Luft-, Wasser und Bodenverschmutzung auf ein Niveau zu reduzieren, das nicht mehr bedenklich für die menschliche Gesundheit und die Umwelt ist, die planetaren Belastungsgrenzen einhält und dadurch eine nicht-toxische Umwelt fördert“. Diese Vision wurde in Schlüsselziele für 2030 übersetzt, um die Anzahl der vorzeitigen Todesfälle durch Luftverschmutzung um 55 Prozent zu reduzieren. Die WHO schätzt nämlich, dass allein an den Folgen verschmutzter Luft weltweit jährlich circa sieben Millionen Menschen vorzeitig versterben – auch wenn sich gerade in Ländern mit hohem Einkommen die Luftqualität in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert habe. Ob angesichts dieser amtlich festgestellten Verbesserung der Luftqualität nun ausgerechnet die Deindustrialisierung der EU, die eine Verarmung der EU-Bürger nach sich zieht, eine gute Idee ist?
Der Europäische Green Deal enthält neben den Zielen Klimaschutz und -anpassung sowie dem Schutz intakter Ökosysteme und der biologischen Vielfalt als drittes Ziel übrigens ebenfalls das sogenannte Null-Schadstoff-Ziel (Zero Pollution Ambition), das sogar im 8. Umweltaktionsprogramm der EU (8. UAP, Art. 2 Abs. 2) rechtlich verankert wurde. Die Bundesregierung will sich nun erklärtermaßen dafür einsetzen, dass „ressortübergreifende, integrierte Handlungsansätze sowie gemeinsames Handeln unterschiedlicher Politikbereiche und eines breit gefächerten Kreises von Akteuren erfolgen, die zur Beseitigung von regionaler und sozialer Umweltungerechtigkeit beitragen.“ Wesentlich hierfür sei die Integration von Nachhaltigkeitszielen auf der lokalen Ebene. Hierzu könnten beispielsweise das WHO Healthy Cities Network oder die EU Urban Agenda genutzt werden und auf lokaler Ebene über „triple urban inner development“ (Grünraumplanung, Verkehrsplanung, Stadtentwicklung) die Ziele einer schadstofffreien Umwelt verfolgt werden.
Ein wenig Realitätsbewusstsein
Um tatsächliche Beiträge zur Agenda 2030 und den SDGs zu leisten, müssten aber auch über Deutschland und Europa hinaus Effekte bedacht werden, die sich auf andere Länder auswirken oder entlang von Lieferketten entstehen. Produkt- und marktbezogene Maßnahmen im nationalen und vor allem europäischen Kontext könnten dazu beitragen, hiesige Standards auf eine globale Ebene zu heben. Anderseits könnten europäische Schutzvorschriften und Beschränkungen des europäischen Marktes dazu führen, dass für problematische Stoffe und Produkte vermehrt außerhalb der Union Absatzmärkte oder sogar Produktionsstandorte gesucht werden. In dieser Feststellung klingt tatsächlich ein wenig Realitätsbewusstsein an.
Eher wie Wunschvorstellungen wirken dagegen folgende Ausführungen: Laut BMEL/BMUV verfügten deutsche Unternehmen über die notwendige Innovationskraft, aber auch über die erforderlichen globalen Marktverbindungen, um eine globale Vorreiterrolle bei der Transformation zu sicheren und nachhaltigen Chemikalien, Materialien, Produktionsverfahren und Produkten zu erreichen. Sie seien damit in der der Lage, Märkte zu erschließen sowie Resilienz und Zukunftsfähigkeit der betroffenen Branchen auch am Industriestandort Deutschland zu sichern. Die entsprechenden Weichenstellungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft würden den einheimische Industriezweigen die notwendige Planungssicherheit geben, um zukünftig verstärkt in Nachhaltigkeit zu investieren.
Wie auch immer. Aus den bisherigen Transformationsberichten der Bundesregierung wird klar, dass der Einfluss der Vereinten Nationen und der EU, die offenkundig demokratische Defizite aufweisen, auf die bundesdeutsche Politik immer größer wird. Sozusagen am Grundgesetz vorbei. Darüber kann auch kein noch so bunter Staatsakt zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes hinwegtäuschen.
Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.