Henryk M. Broder / 07.11.2020 / 12:00 / Foto: Acgut.com / 168 / Seite ausdrucken

Tränen für die Täter

Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Fall einer jungen Nachwuchspolitikerin der Linkspartei, die nach ihrer Vergewaltigung falsche Angaben über die Vergewaltiger gemacht hat, weil sie „Angst hatte, dass die Vergewaltigung von Rechts missbraucht wird, um die Hetze gegen Flüchtlinge weiter anzuheizen“, wie sie später gegenüber Panorama erklärte. 

Damit nicht genug, schrieb sie auch noch einen Brief an den/die Vergewaltiger, in dem sie sich bei ihm/ihnen dafür entschuldigte, was er/sie ihr angetan hatte(n). Lieber männlicher Geflüchteter..., es tut mir so unfassbar Leid...

Das war im Sinne der Willkommenskultur absolut vorbildlich, eine Reaktion frei von Hassgefühlen und Rachegedanken. 

Man könnte der jungen Frau außerdem zugute halten, dass sie nach dem, was ihr angetan wurde, geschockt und traumatisiert war, nicht imstande, der Wirklichkeir ins Auge zu schauen. Eine solche Entschuldigung kann man gegenüber Matthias Strolz, einem in Wien weltberühmten Unternehmer und Politiker, nicht ins Feld führen, der vermutlich stocknüchtern einen von Mitgefühl und Verständnis triefenden Brief an den jungen Mann schrieb, der kurz zuvor vier Menschen ermordet und 22 zum Teil schwer verletzt hatte, bevor er von der Polizei "neutralisiert" wurde. 

Adabei  und Menschenfreund

Der Adabei und Menschenfreund („Ich bin Gärtner des Lebens, kultiviere soziale Felder, co-kreiere Formen für das Gute, Wahre und Schöne ...“) verspürte eine innere Erektion, deren Folgen er der Welt mitteilen musste: „Meinen Hass bekommst du nicht. Du bekommst meine Betroffenheit und Traurigkeit, meine Ruhe und Entschlossenheit. In mir wächst das Mitgefühl und die Liebe ...“

Kaum vorzustellen, wie sehr das Mitgefühl und die Liebe in ihm wachsen würden, wäre über Wien ein Flugzeug abgestürzt und hätte den halben Naschmarkt platt gemacht. Voller Liebe und Mitgefühl und mit der Leidenschaft einer Hyäne macht er sich daran, dem Mörder zu erklären, was ihn zu seiner Tat getrieben habe. Die sei „ein kindlicher Schrei nach Liebe“ gewesen, ein „Gieren nach Zugehörigkeit und Geborgenheit“, das unbeachtet blieb. „Warum hat dich diese Welt nicht genährt? Welche Umarmung wurde dir verweigert? Wieso bist du dem Feuer deiner Seele nicht begegnet? ... Du wolltest Lebendigkeit spüren und findest sie nur am Abzug einer Waffe. Du wolltest ein Mann sein, ein echter Mann, der für Großes durchs Feuer geht. Die Gier nach diesem Feuer, nach der Größe, nach der Lebendigkeit hat dich verschlungen, verblendet, verkrüppelt. Du mordest, um dich zu spüren. Du bist innerlich gestorben.“

Der Offene Brief des „Gärtner des Lebens“ an den toten Killer endet mit einer nekrophilen Verbeugung: „Ich bin verbunden, mit dem Leben, dem Tod, den Menschen, mit dir – du Mörder, du mordender Mensch. Meinen Hass bekommst du nicht. Eine weinende Umarmung.“

Zur falschen Zeit am falschen Ort

Würde Josef Fritzl diese Geschichte lesen, bekäme er vor Rührung feuchte Augen. „Noch einer, der es gut gemeint hat“, würde er denken. Matthias Strolz aber bekommt nicht einmal Hausverbot, weder im „Landtmann“ noch bei „Plachuta“. Er heult in sein Schmusekissen und umarmt in Gedanken einen Mann, der gemordet hat, weil er sich „spüren“ wollte. Ja, wenn das kein Motiv ist! Selbstverwirklichung!

Das ist echt nicht zu toppen. Es sei denn, man/frau ist mit einem der Opfer des „mordenden Menschen“ verwandt. „Am 2. November so gegen 20 Uhr waren fünf Personen zur falschen Zeit am falschen Ort. Alle fünf sind jetzt tot, eine davon war meine Schwester“, hat gestern Irmgard P. als „Gastkommentar“ im Standard geschrieben. Ihre Schwester Gudrun saß „entspannt und fröhlich“ mit Kollegen bei einem Feierabendbier, und plötzlich schlug das Schicksal zu: „Neben all den vielen anderen Menschen war auch ein junger Mann in der Nähe, der offensichtlich für sich nur noch den Weg als einzig möglichen gesehen hat, schwer bewaffnet und um sich schießend möglichst viele Menschen zu töten, bevor er selbst getötet wird. Die beiden sind aufeinandergetroffen – und jetzt trauern wir ...“

So betrachtet war das Ganze eine Art erweiterter Selbstmord. Man ist aufeinandergetroffen, und keiner hat das Treffen überlebt. Wäre ihre Schwester Gudrun, schreibt Irmgard im Standard, nicht ums Leben gekommen, hätte sie sich gewünscht, „diesem jungen Menschen“ gegenüber zu treten, ihn angesprochen und gesagt: 'Hör sofort auf mit dem Scheiß, das ist doch Blödsinn. Leg die Waffen weg und setz dich her zu mir. Erzähl mir, was dich so wütend macht.'“ Und sie hätte „so lange mit ihm geredet, diskutiert und gestritten, bis er gesehen hätte, es gibt viele Wege für ihn und nicht nur diesen einen.“

Ein Jammer, dass es zu diesem therapeutischen Gespräch nicht gekommen ist.

Nachtrag: Nach dem "Gastkommentar" im Standard wurde die Schwester der ermordeten Gudrun zu einem Interview bei ZIB 2 eingeladen, wo sie ihren Appell "gegen Hass und für eine frühe Deradikalisierung" wiederholte. Hier ab 24:10  Wäre man früher dem Attentäer gegenüber tolerant gewesen, wäre er nicht versucht gewesen, "sich den Gruppen anzuschliießen, die radikalisieren". Sie und ihre ermordete Schwester seien "beide der Meinung, dass es viel einfacher ist, einen Jugendlichen davon abzuhalten, radikalisiert zu werden, als ihn dann später zu entradikalisieren".

 

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Leserpost

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Karin Krause / 07.11.2020

Unsere verdammte Toleranz und Nettigkeit wird uns in naher Zukunft unsere Freiheit kosten! Ich frage mich gerade, wenn es ein Anschlag/Vergewaltigung einer rechten Gruppierung gewesen wäre, wie wäre da die Reaktion ausgefallen?

Ulli Funk / 07.11.2020

Ich habe die Schwester des Opfers gestern in einer Fernsehsendung genau diesen Schwachsinn vor laufender Kamera absondern sehen. Wahrscheinlich tingelt sie damit jetzt durch die Welt. Ekelerregend.

Oliver Lang / 07.11.2020

Soviel Mitgefühl für einen Stephan Balliet Klon?

Rainer Niersberger / 07.11.2020

Ein “gutes” Beispiel fuer die schwere Psychopathologie des Westens. Teilen dieses Westens ist Alles abhanden gekommen, was die Evolution dem Homo sapiens mitgegeben hat, um zu überleben. Wie bereits mehrfach geschrieben, waere hier eine Therapie gegen den ueberbordenden Selbsthass zwingend, der inzwischen die Identität bestimmt und die Persönlichkeit zusammenhält. Ich hasse mich, also bin ich und ich habe es, boese wie ich bin, mehr als verdient. Frueher ging man (vielleicht) zur Berichte, heute laesst man sich von den ” richtigen”, opferkultmaessig von den Hinterbliebenen inszeniert, massakrieren. Krank. Aber wir wissen, wenn die Krankheit nur hinreichend viele erfasst, wird es wieder “normal”.

Stefan Riedel / 07.11.2020

That’ s Life, wenn du nicht von einem Muslimbruder geschachtet wirst.  Allahu Akbar, verrecke….

Peter Ackermann / 07.11.2020

Relativismus mit einer Brise Moral. Eine giftige Kost, die abzulehnen immer weniger Zeitgeister in der Lage sind. Die Illusion von Sicherheit ist vordergründiger, als die reale Abwesenheit selbiger.

Frank Stricker / 07.11.2020

Wie würde Dieter Bohlen so schön formulieren, “Mach einem Bekloppten mal klar, dass er bekloppt ist”. Die Wege des Herrn sind halt unergründlich, auch im schönen Wien ! Es wird sich doch sicherlich noch ein “Bekloppter” im rot-grünen Biotop finden lassen, der einen Zusammenhang zwischen dem Attentat und Donald Trump herstellen kann…......

Claudius Pappe / 07.11.2020

So sind unsere ” deutschen” Nationalspieler. Sehen sich als Opfer von Rassismus und sind selbst Rassisten. Fußballnationalspieler Rüdiger und Özil liken Hass-Post gegen Macron. “DFB äußert sich bislang nicht zum Fall Rüdiger Rüdiger hat den Beitrag, der in kyrillischer Schrift verfaßt ist, mit einem „Gefällt mir“ versehen. Ebenfalls gelikt wurde er vom ehemaligen Nationalspieler Mesut Özil. Auch wenn beide den Inhalt nicht verstanden haben könnten, so dürfte das Foto Macrons mit dem Fußabdruck darauf jedoch unmißverständlich sein. Plakate mit dem Motiv waren in den vergangenen Tagen bereits auf Anti-Macron-Demonstrationen gezeigt worden, bei denen auch zum Boykott französischer Produkte aufgerufen wurde.” Quelle : Politikversagen und Jungefreiheit

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