Bei der Erdbeerernte werden dringend Helfer benötig. Diese Maßnahme hätte zwei Vorteile: frische Erdbeeren im Laden und Arbeitsbeschaffung für all jene, die nicht arbeiten. Doch Vater Staat sorgt mit Bürgergeld für Arbeitsunlust.
Die Erdbeer-Ernte ist in diesem Jahr auf 70.000 Tonnen zurückgegangen, wie das Statistische Bundesamt meldet. Das sind 24 Prozent weniger als im Vorjahr und 34 Prozent weniger als im Schnitt der letzten fünf Jahre, der laut Amt bei 107.000 Tonnen liegt.
Lag’s am „Klimawandel“, an der höllischen Erhitzung des Planeten? Angesichts des Frühjahrs, das ein halber Winter war: wohl eher nicht. Es fehlten die Erdbeerpflücker. Ich finde ja schon lange, wir sollten die „Fachkräfte“ lieber den Ländern überlassen, die sie womöglich dringender brauchen. Es würde ja schon ausreichen, wenn eine rotgrünwoke Politik die vorhandenen Spezialisten nicht geradezu vergraulen würde.
Was wir fast noch dringender benötigen: Menschen, die sich auch mal die Finger schmutzig machen wollen. Die beim Erdbeerpflücken helfen, damit die Dinger nicht auf den Feldern vergammeln – oder unerschwinglich werden. Das wäre doch etwas für all die Schulabgänger ohne echte „Hochschulreife“! Glücklich im Erdbeerfeld, statt an den Universitäten Orchideenfächer zu studieren und hernach gar keinen – oder nur noch einen Job in der Verwaltung bekommen, damit es nicht so auffällt, dass hier am Bedarf vorbei produziert wurde.
Ohne Anreize
Ach, und dann sind da noch all jene, die frisch eingereist sind. Fürs Erdbeerpflücken müssen sie noch nicht einmal Deutsch können, wären runter von der Straße und müssten sich nicht dauernd durchs Messerschwingen abreagieren. Haben wir keine Arbeitsfähigen? Die Zahl der Arbeitslosen ist auf 2,7 Millionen Personen gestiegen – die Zahl der erwerbsfähigen Empfänger von Bürgergeld sogar auf über 4 Millionen Menschen. Knapp die Hälfte davon sind Zuwanderer. Junge Männer, die man am Rand eines Dorfs in Unterkünften unterbringt und sich selbst überlässt.
Es gibt keinen Anreiz zu arbeiten, wenn ein nicht gerade geringes Bürgergeld die Maloche ausgesprochen unattraktiv macht. Schließlich ist die Ernte auf dem Feld trotz Erdbeeren kein reines Vergnügen, einmal ist es die Sonne, dann wieder der Regen und schließlich das endlose Bücken und Buckeln – warum sollte man sich darauf einlassen, wenn man am Ende nur 200 Euro mehr erhält, als wenn man zuhause geblieben wäre.
Lassen wir die Erdbeeren einmal weg: In einer alternden Gesellschaft gibt es viel zu tun. Wer gräbt den Garten um? Wer reinigt die Regenrinnen? Wer putzt, wer hilft im Haushalt? Solche Tätigkeiten gelten schon lange nicht mehr als „Beruf“ – und ihre Bedeutung wird unterschätzt. Es gibt, etwa auf dem Land, nicht nur immer weniger Zahn- oder Augenärzte, auch Handwerker sind rar geworden. Corona und eine irre Wirtschaftspolitik sorgen ebenfalls dafür, dass sich „Arbeit nicht mehr lohnt“. Zum Trost gibt es das Bürgergeld, das von jenen bezahlt wird, die nicht nur arbeiten können, sondern auch wollen.
Das Elend am Opferdiskurs
Dabei wäre das Erdbeeren ernten (und alle anderen Tätigkeiten, die eher anspruchslos sind) ein möglicher Einstieg in den Ausstieg aus der Staatsabhängigkeit – und ein Ausweg aus dem Gefühl, unnütz zu sei. Niemand wird bis ans Ende des Lebens Erdbeerpflücker sein. Staatliche Wohltaten gewöhnen ihren Nutznießern die Selbstverantwortung ab. Das ist das, was man „erlernte Hilflosigkeit“ nennt: Menschen glauben, an ihrer Lebenssituation nichts ändern zu können. So ein Bürgergeld verführt genau dazu.
J.D. Vance, Running Mate von Donald Trump und ein Vielgescholtener, hat bei den Marines gelernt, dass man weit mehr vermag, als man sich jemals zugetraut hat. Martialischer Drill, um sich selbst zu befähigen? Nein. Das ist eine Botschaft, die man auch außerhalb eines soldatischen Drills verstehen kann: Lass dich nicht herunterziehen von den Umständen, und mögen sie auch noch so beschissen sein. Und warte nicht darauf, dass der Staat dir hilft. Das hilft nie.
Es würde womöglich schon helfen, wenn Menschen mit der Erwartung konfrontiert würden, dass sie sich selbst am Schopf aus dem Morast der Lethargie ziehen. Dass sie weder unfähig sind noch „die Gesellschaft“ für ihr Glück oder Unglück verantwortlich ist. Dass sie keine „Opfer“ sind. Das ist genau das Elend am Opferdiskurs. Immer sind die Anderen am eigenen Elend schuld. Das hat einen geldwerten Vorteil: Denn damit kann man sie bestens erpressen.
Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Ihr aktueller Roman heißt „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“.