Sie wollen die Demokratie abschaffen. Sie wollen das Parlament entmachten. Sie möchten den Bürger mundtot machen. Sie wollen den Systemwechsel. Das proklamieren ganz offen die Grünen, die SPD und die Merz-CDU. Mit einer verblüffenden Schamlosigkeit.
Bereits am Dienstag, den 12. November, sollen sich Spitzenpolitiker der Grünen und der SPD in einer Videokonferenz getroffen haben, um über ein AfD-Verbotsverfahren und den entsprechenden Antrag der Grünen zu beraten.
Verfassungsrechtler Christoph Möllers, der Sache an sich nicht abgeneigt, soll dabei allerdings zu bedenken gegeben haben, dass bei diesem oder einem anderen Antrag „dann sofort die V-Leute in den Vorstandsebenen und so weiter abgezogen werden müssten“, dass „diese Art von nachrichtendienstlicher Überwachung der AfD aufgegeben werden“ müsste. An V-Männern im Parteivorstand ist einst bekanntlich das erste NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert.
Der Hinweis auf die abzuziehenden V-Leute des Verfassungsschutzes im Falle eines Verbotsverfahrens ist nicht neu. Den haben auch andere Verfassungsrechtler schon gegeben. Tja. Und woher weiß man dann von irgendwelchen üblen Machenschaften der AfD?
Dennoch sei die Zeit für den Antrag günstig, hätte es in der Videokonferenz geheißen, da man nach der nächsten Bundestagswahl vielleicht keine Mehrheit mehr dafür habe. Und manch ein Teilnehmer schien beeindruckt: „Ne Partei zu verbieten, die zweistellige Prozentzahlen bekommt, das ist halt irgendwie auch schon krass.“
Krass. Wenn das kein Fake ist – aber bislang hat niemand die Sache angezweifelt. Und ehrlich gesagt, um einen alten Richterspruch zu variieren, das Ganze ist den Beteiligten durchaus zuzutrauen. Das sieht man auch auf X so, unter anderem bei Ulrich Vosgerau und Stefan Homburg. Auch Cicero berichtet über das „Protokoll eines internen Abgeordnetengesprächs zum AfD-Verbot“.
Denn Rotgrün wünscht sich sehnlichst, ihre politische Konkurrenz auszuschalten – nicht etwa durch bessere und überzeugendere Politik, wie es vor Äonen üblich gewesen sein mag. Sondern durch die Diffamierung und den Ausschluss aller Wähler dieser Partei, deren Stimmanteil der letzten Sonntagsfrage zufolge bereits jetzt höher liegt als der der Grünen oder der SPD.
Ein sehr spezielles Verhältnis zur parlamentarischen Demokratie
Zwei Verlierer tun sich zusammen, um der zahlenmäßig überlegenen Konkurrenz den Saft abzudrehen. Unter unverfrorenem Ignorieren von Wählerstimmen. Denkbar ist es.
Das Protokoll jedenfalls wirkt recht authentisch – obwohl: KI? Aber wem kann man noch trauen? Es wurde, sagt die Quelle, von einem „Undercover“-Mitarbeiter von „freilich“ erstellt. Hier ist es in Gänze nachzulesen. Demokratiefeindlich? In der Tat.
Bei Friedrich Merz, in dem einige noch immer den Hoffnungsträger gegen Rotgrün und Ampel sehen, geht es ganz offen und sehr deutlich zur Sache. Mit ihm haben wir einen Aspiranten auf das Bundeskanzleramt, der ein sehr spezielles Verhältnis zur parlamentarischen Demokratie hat. Ich erinnere mich nicht daran, dass ein Politiker jemals so deutlich ausgesprochen hat, wie er sich Demokratie vorstellt: Man spricht sich ab, von Partei zu Partei! Ganz einfach! Unterhaken, Zusammenhalt, Gemeinsinn!
Und dagegen hat Olaf Scholz verstoßen, der sich doch soeben noch in schönster Einigkeit bei Merz unterhakte. Doch Scholz hat einen Gesetzesentwurf zum Paragraphen 218 unterschrieben, der noch vor Neuwahlen beschlossen werden soll, dem man bei der CDU erwartungsgemäß nicht zustimmen kann. Merz zeigt sich entsetzt: Das sei skandalös.
Denn er sieht die Notwendigkeiten der Zeit ganz anders. „Ich möchte, dass wir jetzt nur noch die Dinge auf die Tagesordnung setzen, die wir vorher im Konsens zwischen Opposition und restlicher Regierung vereinbart haben.“ Also Opposition wie CDU und AfD? Nicht ganz. Denn: „Ich möchte, dass wir jetzt nur noch die Dinge auf die Tagesordnung setzen, die wir vorher im Konsens zwischen Opposition und restlicher Regierung vereinbart haben. Um uns alle – die Regierung und uns – davor zu bewahren, dass wir am Ende Zufallsmehrheiten im Saal mit der AfD oder den Linken haben. Ich will das nicht!“
Wer verstößt hier gegen die parlamentarische Demokratie?
Merz will das Parlament ausschalten – natürlich vor allem die Partei, die der CDU hart auf den Fersen ist: die AfD. Wer also verstößt hier gegen die parlamentarische Demokratie? Friedrich Merz. Einen solchen Mann kann man nicht zum Kanzler machen. Um Merz zu zitieren: „Ich will das nicht.“
Auch andere wollen das nicht. Bei der AfD rumort es. Angesichts des drohenden Merz erscheint manch einem Scholz als das kleinere Übel. Jedenfalls kursieren seit Tagen Ideen im Netz, wie man den fliegenden Friedrich zum Absturz bringen kann. Der AfD-Abgeordnete Jürgen Pohl sagt: „Klar und offiziell möchte ich mitteilen, dass ich Herrn Merz unter keinen Umständen in verantwortungsvoller Position sehen möchte. (…) Ich muss und ich werde somit in der Vertrauensabstimmung für oder gegen Scholz, für Scholz, als das kleinere Übel stimmen.“ Solcherlei erwägen offenbar auch Christina Braun oder sogar Tino Chrupalla – und womöglich nicht wenige andere aus der AfD.
Was also, wenn Olaf Scholz die Vertrauensfrage nicht verliert, weil die AfD für ihn stimmt? Und Merz alle Chancen verspielt, weil er auch in Sachfragen nicht mit der AfD gehen will? „Man sollte die Verlockung, die das Fehlen einer Mehrheit im Bundestag für die AfD bedeutet, nicht unterschätzen.“ In der Tat.
Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Ihr aktueller Roman heißt „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“.
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