Cora Stephan / 28.11.2024 / 12:00 / Foto: Imago / 58 / Seite ausdrucken

Toxische Weis(s)heit: Vorsicht Demokratie!

Wenn es nach Friedrich Merz geht, ist das Parlament ein Störfaktor für „unsere“ Demokratie.

Was ist Demokratie? „Unsere Demokratie“, das wissen wir mittlerweile, es wurde uns lange genug eingebleut, ist jedenfalls nicht Ihre, Deine oder meine Demokratie, sie gehört den demokratischen Parteien, die darüber bestimmen, welche Partei nicht demokratisch ist, und damit auch nicht die Stimme für diese Schwefelpartei. Kapiert?

Könnte man die schwefligen Mandatsträger einfach aus dem Bundestag vertreiben, bräuchte man das neue Wahlrecht nicht, das bei der nächsten Bundestagswahl im Februar gilt: Es soll den aufgeblähten Bundestag von 733 Abgeordneten auf nur noch 630 Repräsentanten verschlanken. Das dürfte kaum auffallen, sind doch die Reihen selbst bei wichtigen Debatten meist ziemlich gelichtet. Und im Notfall haben die Abgeordneten eh nichts zu sagen. Man erinnere sich an Angela Merkels Griechenland- und Eurorettung: Da wurde ein kompliziertes Werk auf Englisch den Abgeordneten unter solchem Zeitdruck zum Abstimmen vorgelegt, dass sie höchstens kurz drüberblasen konnten. Also! 

Doch natürlich gibt es mehr als einen Haken bei der Sache. Damit die Parteienherrschaft nicht überhandnimmt, gibt es eine Erst- und eine Zweitstimme, mit der Erststimme wird ein Direktkandidat gewählt, mit der Zweitstimme eine der Parteien und ihre Liste. Ein Direktkandidat aus dem Wahlkreis, davon jedenfalls wird ausgegangen, könnte prinzipiell dem Wähler persönlich bekannt sein, das wäre demokratietheoretisch schön, weil es Vertrauen herstellt  

Die Liste der Parteien aber ist den Wählern denkbar fern, hier werden bewährte Genossen bedient, die oft nichts anderes vom Leben kennen als die Partei. Wenn man sich Gestalten wie Emilia Fester oder Tessa Ganserer ansieht oder an die letzten drei Verteidigungsministerinnen denkt, müsste man der Erststimme den Vorzug geben. Den Dödel oder die Dödelin kenne ich wenigstens, sie vom Brillengeschäft, ihn vom Getränkemarkt. Doch nun richtet sich die Sitzverteilung ausschließlich nach den Zweitstimmen. Direktmandate zählen nur, wenn sie durch die Zweitstimmen gedeckt sind. 

Wieder eine kleine Illusion weniger

Partei sticht Person. Mit anderen Worten: Ob die mit den Erststimmen gewählte Person am Ende tatsächlich das Mandat erhält, wird erst nach der Wahl berechnet. 

Okay. Also wieder eine kleine Illusion weniger, für alle, die noch gehofft hatten, der Parteienmacht sei wenigstens ein bescheidener Bremsklotz beigegeben. Doch was macht das schon? Bereits jetzt entmachtet die „Brandmauer“ faktisch die Stimmen für die Schwefelpartei AfD, mit der ja niemand will. 

Wenn es nach Friedrich Merz geht, ist das Parlament ein Störfaktor für „unsere“ Demokratie. Und So zitierte ich ihn in meiner vorherigen Kolumne für die Achse: „Ich möchte, dass wir jetzt nur noch die Dinge auf die Tagesordnung setzen, die wir vorher im Konsens zwischen Opposition und restlicher Regierung vereinbart haben. Um uns alle – die Regierung und uns – davor zu bewahren, dass wir am Ende Zufallsmehrheiten im Saal mit der AfD oder den Linken haben. Ich will das nicht!“ 

Wer auf „Zufallsmehrheiten“ verzichten will, was immer das sein soll, muss bei jedem Gesetzesvorhaben, das es auf die Tagesordnung schaffen soll, einzeln prüfen, wie die Mehrheitsverhältnisse sind. Grotesk? Irgendwie schon. Und irgendwie nicht konsequent genug. Denn wenn das so ist, dann stellt sich doch messerscharf die Frage, wozu wir überhaupt ein Parlament brauchen, in dem es zu Mehrheiten kommen könnte, die Friedrich Merz nicht will. Weil der Wähler nicht wählt, was er wählen soll? Faktisch entscheidet damit die AfD darüber, welche Angelegenheiten nicht zur Sprache kommen dürfen, weil ihre Abgeordnete zustimmen könnten, derweil eine Große Koalition (die dank der SPD nicht mehr sonderlich groß ist) schon vorher auskungelt, was zu beschließen sei. 

765.000 Euro je Abgeordnetem

Konsequent wäre es, man schaffte den Bundestag einfach ab und natürlich auch die Wahlen, die angesichts steigender Papierpreise sowieso viel zu teuer sind. 

Der Bundestag kostete 2022 mehr als eine Milliarde Euro. Die aktiven mandatsbezogenen Kosten betrugen jährlich 765.000 Euro je Abgeordnetem, hinzu kommen Pensionsansprüche. Ein Viertel der Gesamtkosten geht auf das Konto von Mitarbeitern, die Abgeordnete eingestellt haben. 

Es lebe die Freiheit, dammich, möchte man da mit Javier Milei rufen, noch sinnloser als ein Parlament, in dem es keine „Zufallsmehrheiten“ gegen den Willen von Friedrich Merz geben darf, ist eine Regierung, die desto aufgeblähter ist, je weniger sie zustandebringt. 

Afuera! Raus damit!

 

Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Ihr aktueller Roman heißt „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“.

 

Foto: Imago

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Leserpost

netiquette:

U. Prengel / 28.11.2024

@ Alfons Hagenau: und jedes Jahr am 1. Mai gibt es eine große Parade, wo der Staatsratsvorsitzende vulgo Kanzler neben den Helden der Partei/Arbeit/Arbeiterpartei Huldigungen des bestellten Volkes vor Potemkinscher Kulisse abnimmt. Die Choreographie lässt sich - gegen eine geringe Gebühr - durch Mitarbeiter von Kim bestimmen lassen…

Dr. Konrad Voge / 28.11.2024

Besser wurde es nie. Gegen die Merz Regierung waren Merkel und Ampel Kindergarten.

Thomin Weller / 28.11.2024

@Boris Büche Danke für den Hinweis. Ich stelle mir eher die Frage nach dem Widerstandsrecht. Statt GG20.4 die Putativnotwehr. Zu gerne würde ich wissen wollen wieviele Eltern durch die Genmanipulationsspritze behinderte Kinder haben. Bei Gardasil war es der Fall, das PEI und die Korrupten haben natürlich geblockt! Der letzte der das Widerstandsrecht durchsetzen wollte, starb in der Badewanne, Fritz Bauer. Mein Tipp, YT Hannah Ahrendt ” Das legendäre Interview mit Günter Gaus. Im Zentrum stehen Gegenwartsfragen zu politischem Denken und Handeln.” Für mich hat sich eine schwerstkriminelle Bande die selbst vor morden oder einem Krieg nicht zurück schreckt, im Reichstag gebildet, gedeckt von der gesamten Büchner Justiz. Und nun versucht diese kleine konspirative Clique von Verfassungsleuten das zu definieren was Bassam Tibi schon lange zuvor gemacht hat. Leit(d)kultur. Die V-rechtler definieren Leitkultur, stecken aber selbst in einer Unkultur, für mich ultra rechts.

W. Renner / 28.11.2024

Meine letzte Rose habe ich anno dazumal an Ludwig Erhard vergeben. Jetzt bin ich im Ruhestand und lese die Bekenntnisse einer Wanderhure.

Gabriele Klein / 28.11.2024

zu diesem Thema empfehle ich den Artikel: Die Fantasie des Friedrich Merz – mit einem Ultimatum Russland in die Knie zwingen 14. November 2024, Nachdenkseiten - (Hatten wir das mit dem deutschen Größenwahn eigentlich nicht schon mal?).xxxx Es lohnt ein Vergleich des O-Ton eines Putin mit dem von Herrn Merz um die Frage zu klären, wer will weniger und wer hätte gerne mehr Krieg?  Eine weitere Frage wäre die, warum provoziert die eine Seite derart verbal?  Keiner der einen Krieg gewinnen will verrät normalerweise seinem Gegenüber was er alles vor hat, erst recht nicht, wenn seine Karten nicht die besten sind. Also von daher nochmals die Frage des Warums eines derart provokanten Geste? Warum wollen ausgerechnet die, die nicht können, dass der Andre (in diesem Falle Putin) vorangeht im Gefecht? Gehts vielleicht um was ganz andres als die Ukraine? Könnte es vielleicht sein, dass manch einer der diese Mordmaschinerie mit viel Geschrei anheizt mit der Ukraine ungefähr so viel am Hut hat wie ein Terrorist mit der Airline deren “Vogel” er gekapert hat? Vielleicht haben wir es hier mit nem ganz andern Krimi zu tun?  Wenn die ganze Welt in Geiselhaft genommen wird sollte man an gewisse Kreise die Frage des “Warums” nach einer sorgfältigen Bilanz des Waffenarsenals auf beiden Seiten schon stellen, und die Antwort auf genau diese Frage erhielt ich bis heute nicht.

gerhard giesemann / 28.11.2024

„Das Argument, man müsse die AfD politisch stellen, überzeugt aus Sicht der Rechtswissenschaftler nicht. „Die politische Auseinandersetzung erfordert zumindest, dass die Kontrahenten dieselben Regeln beachten.“ Mit diesem Argument würde ich ein Verbot von Islam/Daesh begründen. “Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.”― Recep Tayyip Erdoğan

Franklin Meissner / 28.11.2024

Ich will, das bei Merkel, Faeser, Lauterbach und Co die Handschellen klicken. Der Islam mit all seinen Symphatisanten muss unerbittlich zurückgedrängt werden. Ich will, daß Alice Weidel Bundeskanzlerin wird. Björn Höcke, wenn trotz eindeutigem Wahlsieg in Thüringen, er nicht Ministerpräsident werden kann, dann eben Innenminister. Die Rundfunkzwangsabgabe muss unverzüglich aufgehoben werden! Sämtliche durch Erpressung ergaunerten Gelder müssen zuzüglich Zinsen erstattet werden. Die Einheitspartei muss zur Verantwortung gezogen werden wegen vorsätzlichen, fahrlässigen Tötungen und Vergewaltigungen deutschen Staats-und Volksangehöhrigen. Erst dann!.. Kann man wieder von einer Perspektive für Deutsche und Deutschland sprechen.

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