Cora Stephan / 09.01.2025 / 10:00 / Foto: 9gag / 39 / Seite ausdrucken

Artikeltyp:Meinung

Toxische Weis(s)heit: Opportunisten als Frühwarnsystem

Opportunisten sind flexibel, wenn sie merken, dass sich etwas grundlegend verschiebt. Spätestens seit Trumps Wiederwahl wechseln sie vermehrt die Seiten, weil sie merken, dass der Wind sich dreht.

Opportunisten haben einen schlechten Ruf. Sie hängen ihr Mäntelchen nach dem Wind, fallen um, wenn der mal stärker bläst, haben keine inneren Überzeugungen, kennen keine Moral, laufen denen hinterher, die sie für einflussreich halten, haben kein Rückgrat, kennen keine Werte, sondern höchstens schnöde eigene Interessen.

Und genau deshalb soll hier einmal eine Lanze für den Opportunismus gebrochen werden. Opportunisten sind wie der Kanarienvogel, der von den Bergleuten in die engen Stollen unter Tage mitgenommen wird. Der Kanarienvogel fällt um, wenn die Luft dünn wird. Er ist das Frühwarnsystem, das den Bergleuten sagt, wann es höchste Zeit ist, die Stellung zu räumen.

Opportunisten sind das Frühwarnsystem, das einen Machtwechsel ankündigt. Sie sind flexibel, wenn sie merken, dass sich etwas grundlegend verschiebt. Weit vor der Wahl Donald Trumps in den USA kündigte sich das politische Erdbeben bereits an. Während es unter der Ägide der Democrats tunlich war, einen woken Kurs der DEI zu verfolgen – „diversity, equity and inclusion“ (also Diversität, Gleichheit und Inklusion) – bröckelte 2024 amerikaweit die Bereitschaft, „in allen Bereichen eines Unternehmens möglichst vielfältige Mitarbeitende einzustellen in Bezug auf Herkunft, Geschlecht, Alter, Familienstand oder Behinderung“. Im Jahr 2024 trennten sich der Motorradbauer Harley Davidson, Autobauer Ford und der Luftfahrtkonzern Boeing von DEI-Programmen und den entsprechenden Beauftragten. Und zuletzt zog der Handelsgigant Walmart die Reißleine, unter Beifall von Elon Musk und Donald Trump.

Opportunisten oder wendige Realisten?

Mal schauen, wie lange Amazon noch an der „einladenden und inklusiven Kultur“ festhält. Jeff Bezos, dem auch die Washington Post gehört, war bereits vor der Wahl von der alten Sitte abgewichen, dort eine Wahlempfehlung für die Kandidatin der Democrats zu lancieren. Nun hat er sich dem künftigen Präsidenten bereits angedient, ebenso andere TechMilliardäre. Sie haben gemerkt, woher der Wind weht.

Selbst Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ist zu Kreuze gekrochen. Meta hatte bereits im Juli des vergangenen Jahres die Beschränkungen der Konten von Donald Trump bei Facebook und Instagram aufgehoben und hat es nun der Plattform X von Elon Musk gleichgetan: es soll Schluss sein mit „übertriebener Moderation“ durch politisch voreingenommene Faktenchecker, auch beim Thema Migration und bei Geschlechterfragen, da das „nicht mehr im Einklang mit der öffentlichen Meinung“ stehe. Leider gilt die Abkehr von willkürlichen Eingriffen noch nicht für Europa, auch wenn man sich bei Correctiv bereits davor fürchtet. Der grüne Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller verschickt bereits Drohbriefe: Sollte ein soziales Medium nicht mit Faktencheckern zusammenarbeiten, müsse es nachweisen, „dass es andere, gleich wirksame Risikominimierungsmaßnahmen ergreift.“

Die ganze woke Agenda hat sich keineswegs als der große Hit erwiesen, der Marktmacht erzeugt, im Gegenteil. Und in Hinblick auf die eigenen Interessen war es ein guter Schachzug, dem künftigen Präsidenten Trump entgegenzukommen. Handelt es sich hier nun also um rückgratlose Opportunisten oder wendige Realisten?

Beides, steht zu vermuten. Opportunisten haben gezwungenermaßen eine größere Nähe zur Wirklichkeit als jene moralgesättigte Politik, die nur Gut und Böse kennt. Mit der aber sind wir in Deutschland reich bedient. Eine „wertebasierte“ Außenpolitik, wie Annalena Baerbock sie zu vertreten behauptet, ist wertlos, wenn die nationalen Interessen dabei keine Rolle spielen. Der politische Moralismus führt dazu, dass Gefühle statt Argumente die Debatten bestimmen, und dass vernünftige Kompromisse nicht mehr möglich sind.

Wir brauchen Opportunisten, die begreifen, was mit dem Machtwechsel in den USA auch auf uns zukommt  und die ihre Chance ergreifen. Mit gesenktem oder erhobenem Haupt – egal.

 

Dr. Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Ihr aktueller Roman heißt „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“.

Foto: 9gag

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Leserpost

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J. Harms / 09.01.2025

Das Foto ist kongenial! Die penetrierte Katze als Sinnbild des modernen ÖRR-Konsumenten und Wählers. Von Politik und Qualitätsmedien seinen Kopf in eine Dose mit der einzig gültigen Wahrheit des betreuten Denkens gesteckt, dafür 9 Milliarden Euro zahlt, und brav sein Kreuz an der richtigen Stelle macht. Als Kirsche auf der Torte lässt er sich dafür noch devot von hinten durch die kalte Küche nageln!

Gerhard Rasch / 09.01.2025

James Lindsay sagt, daß die Gegner die Zweifler überzeugen müssen, dann bewegen sich auch die Normalos (Mitläufer) und das führt dazu, daß die Opportunisten ihre Positionen anpassen. Die Hohepriester (Ringleader) wird man nicht überzeugen können, aber das sind nur wenige. The times they are changing (hoffentlich schnell genug).

Robert Schleif / 09.01.2025

Es gab und gibt das tiefe Bedürfnis nach einer sauberen intakten Umwelt, fairem Umgang miteinander, sozialer Wärme, Chancengleichheit und kultureller Partizipation. Die Linksgrünwoken haben sich angeboten, dafür zu sorgen, dass diese Bedürfnisse besser befriedigt werden. Sie haben in der Praxis aber dafür gesorgt, dass es auf der Welt noch viel übler zugeht. Und deshalb gibt es „auf dem Markt“ immer noch die selben uralten Nachfragen – aber der Bedarf an Linksgrünwokismus ist gedeckt und dessen giftige verlogene Angebote lösen immer stärkeren Brechreiz aus.

Marcel Seiler / 09.01.2025

Göttlicher Text, die Rehabilitierung der gehassten Opportunisten! Vielen Dank. – Dass Frau Stephan jetzt mit Doktortitel aufkreuzt, ist ein weiteres Zeichen, dass Woke und der Gleichheitskult zu Ende gehen. Die Welt will wieder klare Strukturen und glaubwürdige, vertrauensvolle Hierarchien. Dazu gehören auch Doktor-Titel. Doktoren wird man dann, wenn man ihnen die Hand gibt, mit einem Diener begrüßen. Wenn es so weiter geht, werde auch ich demnächst meinen Doktortitel reaktivieren.

Karl Emagne / 09.01.2025

Die “Vorschläge” Trumps zu territorialen Erweiterungen sind Teil einer Militärstrategie des kollektiven Westens gegen Russland und China. Das Ende selbstschädigender wirrer Ideologien ebenfalls. So erfreulich die Rückbesinnung zur Vernunft zunächst einmal sein mag, werden die Zeiten in Europa deswegen nicht unbedingt besser. Zitat Trump: “Den USD als Reservewährung zu verlieren, ist wie einen Krieg zu verlieren.” Gewonnen werden darf dieser sehr gerne auf Kosten Europas. Allein die Entmachtung der Eurokraten wäre ein positiver Nebeneffekt. Aber für Deutschland bahnt sich eine Katastrophe an, sollten USA und NATO neben den Sanktionen gegen Russland noch ein Handelsembargo gegen China beschließen, natürlich ohne die Deutschen zu fragen. Wobei die Grünen von dieser Turbo-Deindustrialisierung vielleicht sogar begeistert wären.

janblank / 09.01.2025

Das Foto ist toll. Steht wahrscheinlich für: Das Altparteienkartell setzt sich beim deutschen Wähler durch.

Lars Tragl / 09.01.2025

@Gerd Quallo, DIE Partei der Opportunisten war schon vor der CDU die FDP , die Wanderhure der Politik. Dank Kohl und seinem “Mädschen” aus der SBZ, wurden auch die Schwarzen abgewrackt. Söder macht es jetzt mit der CSU ,der würde in jedem System der Welt Karriere machen,politisches Limbo ist angesagt, und funktioniert, Deppenland läuft. Was an Opportunisten gut sein soll,erschliesst sich mir nicht.Nazis wurden FDPler oder Schwarze,im Osten SEDler,später Wendehälse. Mit solchen Typen wurden Diktaturen erst gross, kam Hitler an die Macht, wurde die DDR lange am Leben gehalten, und Merkel wäre ohne das charakterlose Pack nie aufgestiegen und lange am Ruder geblieben. Jeder hat das Recht sich zu ändern, zu lernen, aber nur zum eigenen Nutzen die Fahne in den Wind zu stellen, das ist eine andere Sache. Ich kenne solche Typen aus der Wirtschaft, gerade in Grossbetrieben fängt das schon in unteren Ebenen an,treiben ungestört ihr Unwesen, das Resultat sieht man heute besser denn je. “Arschkriecher kommen weiter”, oder “wer schreibt, der bleibt”, sind keine leeren Floskeln.

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