Opportunisten sind flexibel, wenn sie merken, dass sich etwas grundlegend verschiebt. Spätestens seit Trumps Wiederwahl wechseln sie vermehrt die Seiten, weil sie merken, dass der Wind sich dreht.
Opportunisten haben einen schlechten Ruf. Sie hängen ihr Mäntelchen nach dem Wind, fallen um, wenn der mal stärker bläst, haben keine inneren Überzeugungen, kennen keine Moral, laufen denen hinterher, die sie für einflussreich halten, haben kein Rückgrat, kennen keine Werte, sondern höchstens schnöde eigene Interessen.
Und genau deshalb soll hier einmal eine Lanze für den Opportunismus gebrochen werden. Opportunisten sind wie der Kanarienvogel, der von den Bergleuten in die engen Stollen unter Tage mitgenommen wird. Der Kanarienvogel fällt um, wenn die Luft dünn wird. Er ist das Frühwarnsystem, das den Bergleuten sagt, wann es höchste Zeit ist, die Stellung zu räumen.
Opportunisten sind das Frühwarnsystem, das einen Machtwechsel ankündigt. Sie sind flexibel, wenn sie merken, dass sich etwas grundlegend verschiebt. Weit vor der Wahl Donald Trumps in den USA kündigte sich das politische Erdbeben bereits an. Während es unter der Ägide der Democrats tunlich war, einen woken Kurs der DEI zu verfolgen – „diversity, equity and inclusion“ (also Diversität, Gleichheit und Inklusion) – bröckelte 2024 amerikaweit die Bereitschaft, „in allen Bereichen eines Unternehmens möglichst vielfältige Mitarbeitende einzustellen in Bezug auf Herkunft, Geschlecht, Alter, Familienstand oder Behinderung“. Im Jahr 2024 trennten sich der Motorradbauer Harley Davidson, Autobauer Ford und der Luftfahrtkonzern Boeing von DEI-Programmen und den entsprechenden Beauftragten. Und zuletzt zog der Handelsgigant Walmart die Reißleine, unter Beifall von Elon Musk und Donald Trump.
Opportunisten oder wendige Realisten?
Mal schauen, wie lange Amazon noch an der „einladenden und inklusiven Kultur“ festhält. Jeff Bezos, dem auch die Washington Post gehört, war bereits vor der Wahl von der alten Sitte abgewichen, dort eine Wahlempfehlung für die Kandidatin der Democrats zu lancieren. Nun hat er sich dem künftigen Präsidenten bereits angedient, ebenso andere TechMilliardäre. Sie haben gemerkt, woher der Wind weht.
Selbst Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ist zu Kreuze gekrochen. Meta hatte bereits im Juli des vergangenen Jahres die Beschränkungen der Konten von Donald Trump bei Facebook und Instagram aufgehoben und hat es nun der Plattform X von Elon Musk gleichgetan: es soll Schluss sein mit „übertriebener Moderation“ durch politisch voreingenommene Faktenchecker, auch beim Thema Migration und bei Geschlechterfragen, da das „nicht mehr im Einklang mit der öffentlichen Meinung“ stehe. Leider gilt die Abkehr von willkürlichen Eingriffen noch nicht für Europa, auch wenn man sich bei Correctiv bereits davor fürchtet. Der grüne Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller verschickt bereits Drohbriefe: Sollte ein soziales Medium nicht mit Faktencheckern zusammenarbeiten, müsse es nachweisen, „dass es andere, gleich wirksame Risikominimierungsmaßnahmen ergreift.“
Die ganze woke Agenda hat sich keineswegs als der große Hit erwiesen, der Marktmacht erzeugt, im Gegenteil. Und in Hinblick auf die eigenen Interessen war es ein guter Schachzug, dem künftigen Präsidenten Trump entgegenzukommen. Handelt es sich hier nun also um rückgratlose Opportunisten oder wendige Realisten?
Beides, steht zu vermuten. Opportunisten haben gezwungenermaßen eine größere Nähe zur Wirklichkeit als jene moralgesättigte Politik, die nur Gut und Böse kennt. Mit der aber sind wir in Deutschland reich bedient. Eine „wertebasierte“ Außenpolitik, wie Annalena Baerbock sie zu vertreten behauptet, ist wertlos, wenn die nationalen Interessen dabei keine Rolle spielen. Der politische Moralismus führt dazu, dass Gefühle statt Argumente die Debatten bestimmen, und dass vernünftige Kompromisse nicht mehr möglich sind.
Wir brauchen Opportunisten, die begreifen, was mit dem Machtwechsel in den USA auch auf uns zukommt und die ihre Chance ergreifen. Mit gesenktem oder erhobenem Haupt – egal.
Dr. Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Ihr aktueller Roman heißt „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“.
Beitragsbild: 9gag

Die im Artikel angesprochene Wertebasiertheit der Außenpolitik unserer schwarzköpf… äh, schwarzhaarigen Außenministerin ist doch bloß Eitelkeit, Selbstmarketing und vorgespielte Wokeness. Dabei ist sie kein Stückchen besser als die herkömmliche, aber dafür oft kontraproduktiv, zum Fremdschämen peinlich und, was die Folgen für uns angeht, desaströs. Ich weiß nicht, welche linksgrünwoken „Werte“ da in den letzten drei Jahren vertreten wurden. Und welches Bild von Frauen müssen diese Leute haben, wenn beispielsweise die Russland-Politik „feministisch“ sein soll…
Die im Artikel angesprochene Wertebasiertheit der Außenpolitik unserer schwarzköpf… äh, schwarzhaarigen Außenministerin ist doch bloß Eitelkeit, Selbstmarketing und vorgespielte Wokeness. Dabei ist sie kein Stückchen besser als herkömmliche, aber dafür oft kontraproduktiv, zum Fremdschämen peinlich und, was die Folgen für uns angeht, desaströs. Ich weiß nicht, welche linksgrünwoken „Werte“ da in den letzten drei Jahren vertreten wurden. Wenn beispielsweise die Russland-Politik „feministisch“ ist, dann bekomme ich eher Angst vor Frauen…
Nun ja - was ist der Unterschied zwischen einem Opportunisten und einem grünen Hardliner wie Habeck oder Graichen? “Die meisten Linken sind links, weil es die anderen auch sind”, spottete einst Fleischhauer. Heißt, auch der junge zutiefst wohlstandsbürgerliche Habeck war schon ein Opportunist, der sich mit grünen Tricks deutlich über Wert verkauft hat. Nur ist er zu hoch gestiegen - er kann nicht wie die Boeing-Manager einfach ins blaue Lager wechseln. Deswegen müssen die vielen kleinen und großen Habecks nun versuchen, noch abzugraichen, was geht.
@L. Luhmann: Zuckerberg will anstelle von rotgrünen “Faktencheckern” ein Community-Notes-System einführen. Wäre das nicht auch eine Empfehlung für die Achse? Keinerlei Zensur mehr von Kommentaren (außer Aufrufe zu Gewalt und Gefährdung von Kindeswohl), dafür ausschließlich die Bewertung der einzelnen Kommentare durch die Gemeinschaft der Foristen. Mich persönlich reizt Widerspruch und ich stelle mich gern der Überführung der Lüge.
“...Wir brauchen Opportunisten…mit gesenktem oder erhobenem Haupt – egal…” Genau! Das ist das, was dieses Land tatsächlich am allermeisten braucht. Mitläufer, die von nichts gewußt haben. Jesus Fucking Christ… hoffnungslos, dieses Land…
Nun, frei nach Darwin sichert Anpassung das Überleben (und vorauseilender Gehorsam die Karriere) ...
Die CDU, eine klassische Opportunistenpartei, wird sich freuen. Und endlich wird auch verstaendlich, warum sie ueber 30 % waehlen. Oder sind die Funktionäre der CDU keine Opportunisten, sondern gruene Ueberzeugungstaeter, nur schwarz gewandet? Eine gewisse Naehe zur Sozialdemokratie gibt es ja spätestens seit Adenauer, von einzelnen wenigen und deshalb eher wenig einflussreichen Herren abgesehen. Mit Erhardt fremdelte man ja auch. Bei einer Partei wuerde ich es grundsaetzlich begruessen zu wissen, fuer welchen Kern diese steht, zumindest zu erahnen, was nach der Wahl politisch zu erwarten ist. Dass Helfer zum Opportunismus neigen ist bekannt. Man koennte auch von parasitaeren Lebensformen sprechen, die sich gewöhnlich nicht gegen ihren Wirt richten. Willige Helfer gab es in Sch’land zu allen finsteren Zeiten zuhauf. Ist die Justiz resp ihr Personal opportunistisch und wenn ja, ist das positiv? Dass es dieses Phänomen, nicht zufaellig sehr ausgepraegt in Sch’land, gibt und man damit leben muss, ist klar. Elogen darauf fallen mir sehr schwer. Natuerlich sind hier die Faelle ausgenommen, in denen es um existentielle Grundentscheidungen geht. Ob die CDU bzw ihr Verhalten darunter faellt, erscheint zweifelhaft. Herr Merz koennte ohne Gefahr fuer Leib und Leben und sogar ohne materielle Probleme sich politisch anders entscheiden. Moeglich, dass er dann nicht mehr Bundeskanzler wird. Es soll Schlimmeres geben. Ich rate zur Vorsicht mit Exkulpationen oder Interpretationen, auch in Sachen Corona lange Zeit gerne verwendet, eine leider sehr beliebte deutsche Eigenschaft, die sehr selten Gutes nach sich zieht. Wenn es keine Bestände, keine Fixpunkte, keine Halteseile und Positionen mehr gibt, ein klares Ziel der Transformatoren, wird die Lage nicht besser. Ich neige aus guten Gruenden nicht dazu, die groesste Opportunistenpartei, der Name ist bekannt, zu waehlen.