Cora Stephan / 27.06.2024 / 12:00 / Foto: Wikicommons (bearbeitet) / 17 / Seite ausdrucken

Toxische Weis(s)heit: Keine Zeit für Traktorendemos

Die Bauern haben gerade viel Arbeit und können im Moment nicht protestieren, während die Bundesregierung Trostpflaster anbietet und die EU gerade neue Zumutungen beschlossen hat.

Man hört so gar nichts mehr von den Bauern, die doch seit Anfang des Jahres mit ihren spektakulären Traktorendemos so sichtbar waren? Also ich höre sie, hier im Dorf, wie sie die paar sonnigen Tage nutzen, um vor dem nächsten Regenguss das Heu einzubringen. Insofern war es ein geschickter Schachzug von der Regierung, gerade jetzt das neue Agrarpaket vorzustellen, da muss man keine neuen Traktorendemos nach Berlin befürchten.

Denn das Agrarpaket, auf das sich die Bundesregierung am Dienstag geeinigt hat und das in der kommenden Woche im Bundestag verabschiedet werden soll, ist ein höchst bescheidenes Päckchen. Bürokratieabbau und eine kleine steuerliche Entlastung durch „Gewinnglättung“ über drei Jahre, so dass die Landwirte die Einkünfte aus guten und schlechten Jahren besser miteinander verrechnen können – das war’s in etwa. Halt: Die Abschaffung der Vergünstigungen beim Agrar-Diesel wurde auf drei Jahre gestreckt.

Das hilft nicht viel, zumal die Angriffe aus anderen Richtungen weitergehen. Noch droht Ursula von der Leyens „Green Deal“, also die Abschaffung der „schmutzigen fossilen Energien“ bis 2050, was die niederländischen Bauern dazu bewogen hat, eine eigene Partei in die Regierung zu schicken. Mit abseitigen Vorschriften soll die gesamte europäische Landwirtschaft abgewürgt werden. Umso bemerkenswerter die offensichtliche Kehrtwende im Nachbarland und seit den Wahlen zum EU-Parlament in der gesamten EU.

Der zweite Angriff auf die Landwirtschaft erfolgte jüngst durch das im Hauruckverfahren durchgepeitschte „Naturwiederherstellungsgesetz“ der EU-Umweltminister, das die Ergebnisse der EU-Wahlen nicht berücksichtigt. Mal abgesehen davon, dass wir in Europa in Kulturlandschaften leben und eine „Wiederherstellung“ der Natur eine absurde Idee ist, geht es dabei etwa um die Wiedervernässung von Mooren oder um „Waldökosysteme“, in denen Totholz stehen- und liegenbleiben soll. Ein Paradies für den lieben Borkenkäfer und eine Freude für Waldbrandstifter!

Ideologie im steten Kampf gegen die Realität

Wie die „Renaturierung“ wirkt, beschreibt ein Bauer namens Fritz am Beispiel eines Beherbergungsbetriebs im ländlichen Raum mit 60 Betten. Von den 60 Zimmern muss man nunmehr zehn für die Natur weit offen halten, was Gäste verständlicherweise eher abschreckt, man wird also Verluste machen. Nun, wird die „Renaturierungsbehörde“ auf die Klage des Herbergsvaters sagen, „für die Natur müsse nun mal jeder ein Opfer bringen. Und es sei doch besser, ihr Betrieb ‚brennt ab‘ als die ganze Welt.

Ideologie im steten Kampf gegen die Realität. Man will offenbar schlichtweg die heimische Landwirtschaft einschränken zugunsten von „Landschaftselementen mit hohem Naturschutzwert“ – und womöglich zugunsten billiger Anbieter auf dem Weltmarkt. Ganz klar: Es geht gegen die Bauern, die angeblich die Gewässer vergiften und die Insekten ausrotten. (Mein Vorschlag dazu wäre, übrigens, die ganzjährige Ausbringung von Misthaufen, das lieben die kleinen Flügler.)

Nun, die Abstimmung fiel knapp aus und das Gesetz wäre wohl nicht verabschiedet worden, wenn nicht die grüne Klimaministerin Österreichs, Leonore Gewessler, zugestimmt hätte – gegen das explizite Verbot von Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer. Inzwischen liegen zwei Anzeigen wegen Amtsmissbrauch gegen sie vor. Nach der ÖVP hat auch der Bauernbund Österreich Anzeige erstattet. Gewessler habe sich skrupellos über den innerstaatlichen Konsens hinweggesetzt.

Vielleicht war Europa ja einst eine Wüste?

Es gab also Krach in Österreich – gut möglich, dass die Grünen bei der nächsten Regierung nicht mehr dabei sein werden. Das gilt auch für Deutschland. Man mag die Partei des Moralisierens und Bevormundens nicht mehr.

Und mit „Natur“ oder gar deren Schutz hat eine Partei wohl kaum noch etwas am Hut, die ganz ohne Technologiefolgeabschätzung das Land mit Windmühlen vollstellen und „Landschaftselemente“ mit Solarpaneelen zupflastern will. Das schützt weder die Natur noch das Klima. Oben werden Vögel und Insekten von den Rotorblättern erschlagen, und unter den Paneelen verschwindet fruchtbarer Boden, denn dort wird es brütend heiß.

Doch wer weiß: vielleicht war Europa ja einst eine Wüste? Dann hätten wir damit tatsächlich eine „Wiederherstelllung der Natur“. Ohne Menschen, die stören.

 

Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Ihr aktueller Roman heißt „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“.

Foto: David Baldi (user PandaDB) - Transferred from en.wikipedia.org [1]: 2007-01-21 22:38 . . PandaDB . . Traditional Eastern European Farmer Woman. I (David Baldi, PandaDB) am the original author of this photograph and do hereby release it into the public domain for use on en.wikipedia.org., Gemeinfrei, via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Nikolaus Neininger / 27.06.2024

@Reiner Gerlach: Keine arbeitsfähige Regierung? Das hatten sie doch vor einer Weile in Belgien, ein halbes Jahr lang, wenn ich mich richtig erinnere - und was hat es geschadet?

Irene Luh / 27.06.2024

Die Bauern überall auf dieser Welt, so auch unsere, sind gerade jetzt mit der Beseitigung von echtem Unkraut beschäftigt, welches sich unbarmherzig überall auf dem Acker zeigt und versucht die Ernte zu schwächen, die Gewinnmarge zu senken, auch unter dem Nullpunkt. Mit Glyphosat & Co oder ohne, was noch sehr viel schwerer ist. ++ Man kann den schwer arbeitenden, unabhängig sein wollenden, Bauern nicht alles aufbürden. ++ Das andere Unkraut in der EU-Zentrale, Berlin, Paris, Rom, Washington, bleibt für den Rest der Bevölkerung. Das nennt sich Arbeitsteilung. ++ Außerdem, die lügenden Massenmedien signalisieren, alles in “Butter”. Keine Probleme.

Harry Hirsch / 27.06.2024

Das muss einer sich mal vorstellen: Da haben Menschen vor mehreren hundert Jahren mit einfachsten Mitteln, also Hacke, Schaufel wenns hoch kam noch ein primitives Pferdefuhrwerk,( nicht wie heute mit Hydraulikbagger,  LKW etc.) unfruchtbares nasses Land urbar gemacht um darauf Lebensmittel anzubauen. Und dieses dämliche Grūnvolk will dieses mühsam errungene Land wieder „der Natur zurück geben“. Haben die noch alle Latten am Zaun?

M.-A. Schneider / 27.06.2024

Über das Ausmaß der Konsequenzen des EU - oder Regierungshandelns wird nicht nachgedacht, genauso wie bei Einem, der aus dem zwölften Stock eines Hochhauses springt und beim 10. noch feststellt: geht doch! Bis es dann ganz schnell nicht mehr geht. Allein die Folgen der Renaturierung von Mooren - die mühsame Trockenlegung hat Generationen gedauert und fruchtbares Ackerland geschaffen - wären schon katastrophal. Aber wir haben ja fabelhaftes Politpersonal, das genau weiß, was zu tun ist, nämlich weiter der Realität auszuweichen und Fakten zu leugnen oder schlicht nicht zu kennen und der Ideologie der Welten - und “Klimarettung” zu folgen, Deutschland ist schließlich Vorbild und Moralweltmeister ,das wird schon!

Juri Sirotov / 27.06.2024

Hallo-erstmal ich komme aus der Provinz, habe viel Zeit und lese viel. Mir sind da einige Fragwürdigkeiten aufgefallen.Gates mutiert zu einen der größten landwirtschaftsflächen Besitzern in den USA.Vielleicht auch in der Ukraine und hier wird interessant.Durch den Krieg werden die landwirtschaflichen Flächen noch billiger , man kauft sich ein. Um Hemmnisse beim Export in die EU zu verhindern sorgt man dazu, dass die Ukraine EU Mitglied wird.In der Zeit macht man es den Bauern in Europa schwer die geben früher oder später auf. Die VDL sorgt schon dafür, dass die Richtlinien europaweit umgesetzt werden.So ist der Markt für die Erzeugnisse der Ukraine frei und der neue BIZ läuft wie geschmiert.Bei der Coronapandemie hats auch schon geklappt.Viele haben sich gefreut, nur diejenigen die es bezahlen müssen sind sich noch nicht im klaren wer das bezahlt hat.

Rainer Niersberger / 27.06.2024

Die illegale Ernte scheint eines der tabuisierten Phänomene zu sein, eines, das natuerlich nicht ueberrascht. Die kleineren Anfaenge liegen schon etwas zurueck und die Zunahme im ganz grossen Stil ist erwartbar gewesen. Irgendwann, in vermutlich nicht mehr allzuferner Zukunft, wird man dann doch ueberrascht! feststellen, dass es auf den Feldern kaum noch etwas zu ernten gibt. Aber auch das bzw deren Folgen wird den Michel, genauer 80 % von ihm, nicht sonderlich beunruhigen.  Blumen, vermutlich weil nicht essbar, sind bei den Archaikern uebrigens weniger gefragt, Obst durchaus. Das Gemüse wird folgen.

Rolf Mainz / 27.06.2024

Man stelle sich vor, die EU müsse endlich einmal etwas Vernünftiges entscheiden. Tiefe Ratlosigkeit würde Brüssel befallen. Und so tut man/frau das, was man/frau dort am besten kann: Drangsalieren und Dilettieren, für viel Geld, sehr viel Geld.

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