Ihre programmatischen Vorstellungen zeigen, warum viele konservative Positionen heute attraktiv sind im Unterschied zum moralisierenden Tugendterror der Linken. Weil sie sich an der Realität orientieren und nicht an irgendeinem Endziel. Meloni glaubt, Freiheit sei auf ihrer und nicht der linken Seite.
Oktober 2019. Um die 200 000 Italiener stehen in Rom auf der Piazza San Giovanni. Giorgia Meloni spricht, 20 Minuten lang, aus dem Stegreif. Und beendet ihre Rede mit dem leidenschaftlichen Ausruf: „Ich bin Giorgia. Ich bin eine Frau. Ich bin eine Mutter. Ich bin Italienerin. Ich bin Christin. Und das werde ich mir nicht nehmen lassen.“ Applaus. Kurze Zeit später wird daraus ein Song, remixt zu Discobeat, gemeint als gemeine Satire. Doch es wird ein Hit, zu dem man tanzt. Und es ist der Titel ihres Buchs.
Es spricht nicht gerade für Mut und Offenheit unseres Literaturbetriebs, dass die Autobiografie von Georgia Meloni aus dem Jahre 2021 erst jüngst einen deutschen Verlag fand. 2025 ist nun einiges überholt, etwa ihre Beziehung zu Andrea Giambruno, dem Vater ihrer Tochter Ginevra, mit dem sie seit 2013 zusammen, aber nicht verheiratet war, und von dem sie sich 2023 trennte.
Dabei ist ihre Autobiografie weit interessanter als vieles, was Politiker oder Verlage sonst so für veröffentlichungswürdig halten. Die von Angela Merkel habe ich nur gezwungenermaßen gelesen und die von Robert Habeck verweigert.
Gut, zu Beginn menschelt es schwer. Meloni wuchs ohne Vater und bei der Mutter auf. Beinahe wäre sie von ihrer Mutter abgetrieben worden. Was Wunder, dass sie sich nicht für die „Freiheit“ zur Abtreibung begeistern kann. Während die Mutter sich und ihre Töchter mit dem Schreiben von an die 140 Liebesromanen durchbringt, wird die Tochter bei den liebenden Großeltern zum Dickerchen gemästet, was ihr Spott und Häme einträgt.
Sie fühlten sich revolutionär und visionär
Wäre Giorgia nicht bei den Rechten gelandet – mit 15 trat sie der Ortsgruppe der Jugendfront des Movimento Sociale Italiano bei - hätte es vielleicht auch eine linke Blase von Außenseitern gegeben, in der sie sich beheimatet gefühlt hätte, im römischen Viertel Garbatella – „es war wie auf dem Dorf.“ Die Jugendlichen eroberten ihr Viertel, wie es auch die linken Spontis in Deutschland taten: etwa mit der Organisation von Stadtteilfesten. Beim Karneval verkleideten sie sich als die Protagonisten aus „Der Herr der Ringe“ von Tolkien. Meloni hatte mit 1.60 m die richtige Größe für einen Hobbit. Und wie auf der Linken stritt man sich endlos über die richtige Linie. Nur in einem war man sich offenbar einig: im Streben nach einer „Union freie europäischer Völker“ anstelle einer EU der Bürokraten. Sie fühlten sich revolutionär und visionär.
Vor allem eines unterschied die jungen Italiener fundamental von den antiautoritären Deutschen: sie waren glühende Patrioten. Und damit eckte Meloni natürlich auch in den Versammlungen der Studenten an. (Sie studierte Sprachen – heute beherrscht sie Englisch, Spanisch und Französisch fließend.) Die Auseinandersetzungen mit den eher linken Studenten bezeichnet sie heute als ausgezeichnetes Training für jemanden, der sich in der Politik durchsetzen will und eigentlich schüchtern ist. Mit 29 Jahren wird Meloni Vizepräsidentin in der römischen Abgeordnetenkammer, mit 31 ist sie die jüngste Ministerin in der Geschichte Italiens. Und heute kann sich niemand mehr vorstellen, dass man sie hat hänseln können oder dass sie schüchtern war. Wie sie den arroganten französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf den Pott setzt, leidenschaftlich, der Italien als „dégueulasse“ („zum Kotzen“) beschimpft hat – großartig. Und sie empfiehlt ihm, dessen Land vom Uranabbau im Niger profitiert, den einzig wahren Antikolonialismus: „Statt Europa mit Afrikanern zu bevölkern, wäre es da nicht viel vernünftiger, Afrika von bestimmten Europäern zu befreien?“
Den Aufstieg der 2012 gegründeten Fratelli d’Italia dauert und fordert alles. Und dann geschieht das Wunder. 2022 wird Meloni Ministerpräsident – nein, sie gendert nicht, das Amt ist gemeint, nicht das Geschlecht. Sie erobert seit ihrem Amtsantritt nicht nur die Sympathie von Elon Musk und Donald Trump.
Die Schilderung ihrer politischen Karriere setzt brauchbare Kenntnisse der italienischen Verhältnisse voraus. Erstaunen wird auch den Uneingeweihten, dass ihre Regierung stabil zu bleiben scheint – ungewöhnlich für italienische Verhältnisse. Ihr wird als Pragmatismus angerechnet, dass sie keine radikalen Sprünge tut. Immerhin hat sie es fertiggebracht, in Sachen Migration zwei Aufnahmelager in Albanien zu vereinbaren. Ihre scharfe Kritik an der EU hat sie zurückgenommen – was man an dem geradezu herzlichen Verhältnis zu Ursula von der Leyen erkennen kann. Das ist überaus schade, denn ihre Vorstellung von einem „Europa der Vaterländer“ ist bezwingend. Meloni vertritt eine Vorstellung nationalstaatlicher Souveränität, wie sie in Deutschland noch immer zum Unaussprechlichen gehört. Und sie beharrt auf nationaler Identität – was eigentlich unseren Altlinken gefallen müsste, die einst für Italien schwärmten.
Akt des Widerstands im Namen der Freiheit
Ihr Temperament, ihr Stil, ihr Charme macht sie mittlerweile zur Popikone. Und ihre programmatischen Vorstellungen zeigen, warum viele konservative Positionen heute attraktiv sind im Unterschied zum moralisierenden Tugendterror der Linken. Weil sie sich an der Realität orientieren und nicht an irgendeinem Endziel. Weil sie Widerstand sind gegen globalistische Gleichheitswünsche. Meloni glaubt, Freiheit sei auf ihrer und nicht der linken Seite. Und damit hat sie recht, wie man am woken und politisch korrekten Zeitgeist studieren kann.
Und ist es nicht richtig, wenn sie sagt, jeder, der glaubt, eine hohe und edle Mission erfüllen zu müssen, wie linker und islamischer Fanatismus, glaube auch, er müsse alle aus dem Weg räumen, die ihn daran hindern wollen? Sie interpretiert rechts sein „als einen Akt des Widerstands im Namen der Freiheit, des Vertrauens in die Menschen und der Eintracht unter den Völkern.“ „Die Familie, die Nation und Europa gemeinsam bilden die tausendjährige Zivilisation, die den Westen geprägt hat.“
Übrigens: In Italien sind linke Parteien und Gewerkschaften mit Referenden zur schnelleren Einbürgerung und einer Reform der Arbeitsgesetze gescheitert. Die nötige Teilnahme von 50 Prozent wurde deutlich unterschritten. Das war als Angriff auf Meloni gedacht. War wohl nichts.
Kein politisches Projekt kann ohne ein Zugehörigkeitsgefühl von Dauer sein. Man sieht es an Deutschland, in dem Politiker kaum mehr als den Bezug zum Nationalsozialismus zu kennen scheinen und die vergangene deutsche Schuld gern nutzen, um die Bürger beim Zügel zu halten. Wenn heute alles als „Nazi“ beschimpft werden darf, was nicht links ist, dann entsteht, wenn überhaupt, nur eine negative Bindung. Nicht etwa die Deutschen, sondern die Italienerin Georgia Meloni schlägt vor, den 9. November zum Feiertag Europas zu machen. Warum? Weil die Demokratie nicht mit der Niederlage Hitlerdeutschlands und des Italien von Mussolini zurückgekehrt sei, sondern erst 1989, als die Mauer fiel und der Ostblock zerfiel.
Meloni war als junge Frau auf der Suche, so wie es heute viele junge Menschen sind. Vieles, was sie schreibt, ist geeignet, gerade ihnen eine Orientierung zu geben. Und unsereins findet das blonde Energiebündel einfach nur erfrischend. Rechts, also nicht links, sieht neuerdings ziemlich gut aus.
Melonis Buch „Ich bin Giorgia“ können Sie hier im Achgut-Shop bestellen:
Giorgia Meloni / „Ich bin Giorgia – Meine Wurzeln, meine Ideen.“
Europa Verlag / Hardcover / 21.0 x 13.0 cm / ISBN 978-3-95890-654-9 / 26,00 €
Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Ihr aktueller Roman heißt „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“.
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