Eine Stadt die in der Coronazeit durch besonders rigide Freiheitseinschränkungen von sich reden machte, setzt sich plötzlich für „Vielfalt und Demokratie“ ein. Ulm ist ein prima Beispiel für den moralischen Absturz deutscher Würdenträger.
„Wir werden einander viel verzeihen müssen“, sagte Jens Spahn einst, auf dem Höhepunkt der Panikpandemie deutscher Gesundheitsminister. Wie soll das gehen? Fast alles, was während der Panikkampagne angeordnet, verhindert, niedergeschlagen wurde, ist unverzeihlich.
Mithilfe der Angstmache mit der Erzählung von einem angeblich massenwirksamen und tödlichen Virus wurde eine Bresche in all das geschlagen, was Bürger vor staatlicher Willkür schützen soll: in die Grundrechte. Und die besagen, dass die Freiheit eines jeden unverletzlich ist, dass es ein Recht auf körperliche Unversehrtheit gibt, dass Freizügigkeit gilt und die Freiheit, sich mit anderen zu versammeln. Und schließlich sei die Würde des Menschen unantastbar.
Wer während der großen Panikpandemie nicht zu seinen sterbenden Angehörigen durfte, wird an dieser Stelle in Tränen ausbrechen oder bitter lachen. Das Tragen insbesondere der FFP2-Masken über einen längeren Zeitraum hinweg wird selbst denen nicht angeraten, die sie aus beruflichen Gründen tragen, weil sie mit Glasfasern oder Ölnebel zu tun haben. Nun aber mussten auch alle anderen eine tragen, obwohl die hässlichen Dinger erwiesenermaßen kein Virus abhalten. Körperliche Unversehrtheit? Plötzlich wurde man genötigt, sich einen ungetesteten Stoff spritzen zu lassen, der, wen wundert es, Nebenwirkungen hat und noch nicht einmal davor schützte, das Virus weiterzuverbreiten. Testpflicht aber gab es nur für Ungeimpfte, diese unsolidarischen Infektionstreiber und Covidioten, denen volle Härte angedroht wurde.
Auch, wer vertrieben wurde, weil er lesend auf einer Parkbank saß, dürfte das Gefühl haben, dass die Sache mit der Freiheit so ernst nicht gemeint sein kann. Von Versammlungsfreiheit konnte erst recht nicht die Rede sein. Man sollte zuhause bleiben, nur im engsten Familienkreis, erkrankte Kinder absondern, die, auch wenn sie gesund schienen, in Verdacht gerieten, eine Lebensgefahr für Oma und Opa zu sein. Gaststätten und Einzelhandel haben sich noch heute nicht von den damaligen Kontaktsperren erholt. Und vor allem hatte der misstrauische Bürger wenig Gelegenheit, sich mit Gleichgesinnten zusammenzurotten, etwa, um die große Erzählung zu zerpflücken oder gar Widerstand zu planen. Man musste die Nachbarn fürchten, die zum Melden aufgefordert waren.
„Aktiv für die Verteidigung der Grundrechte“
Nein, das alles kann man gar nicht verzeihen, zumal bereits jetzt wieder zu spüren ist, wie Politiker und Regierende auf den nächsten Ausnahmezustand spekulieren, um das Volk handzahm zu machen. Es ist verdammt finster geworden in Deutschland, in dem man einst „gut und gerne“ lebte.
Richten wir den Blick mit Norbert Haering auf die Stadt Ulm. Dort erließ man im Winter 2021/22 eine FFP2-Maskenpflicht für die gesamte Innenstadt. Unmaskierten drohte man zur Durchsetzung „Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch“ an. Nachdem Norbert Haering das öffentlich gemacht hatte, erklärten Stadt und Polizei handzahm: „Der Einsatz der Schusswaffe zur Durchsetzung einer Maskenpflicht ist ausgeschlossen.“ Nanu! Wir hätten es ihnen glatt zugetraut.
Nun aber ist das Ulmer Polit-Establishment geläutert und hat ein Bündnis „Gemeinsam für Vielfalt und Demokratie“ gegründet, das ist ja gerade Mode. Die prominenten Erstunterzeichner, darunter viele Politiker, wollen „aktiv für die Verteidigung der Grundrechte“ eintreten. Na, endlich! Oder bloße Heuchelei?
Denn schon der erste Satz in der Petition unterstreicht, wohin die Reise geht: Man zeigt sich „schockiert von Meldungen über geplante Massendeportationen aus Deutschland“. Nein, damit ist nicht Olaf Scholzens Forderung nach „Deportation“ gemeint, sondern das, was man sich aus der Kolportage über ein angebliches Geheimtreffen in Potsdam zurechtgebogen hat, eine Story, die sich im Übrigen längst als Ente herausgestellt hat.
Aber macht ja nichts, gegen die AfD könne man mit Fakten eh nichts ausrichten, ließ sich kürzlich der „Volksverpetzer“ in der taz hören. Und die taz bewarb den Text mit: „Schluss mit Faktenchecks, die Wahrheit hilft rein gar nichts gegen die AfD.“ Insofern: Freiheit für die Lüge!
Der Bürger lässt sich ungern verarschen
So macht man es auch in Ulm, für „Vielfalt und Demokratie“ eben, und beruft sich dabei – auf Sophie Scholl, die für die Freiheit in den Tod ging. Schließlich gehe es um Widerstand gegen die „Feinde der Demokratie“! Kleiner hat man’s in Ulm nicht.
Die Geschwister Scholl forderten auf einem Flugblatt: „Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses, Schutz des einzelnen Bürgers vor der Willkür verbrecherischer Gewaltstaaten, das sind die Grundlagen des neuen Europas.“ Die Ulmer schrieben das ab, unterschlugen dabei aber ein „s" und ein „a“. Aus „Gewaltstaaten“ wurde „Gewalttaten“.
Absicht? Versehen? Oder hat man es passend gemacht – „damit Wahlen wie die Europawahl im Juni 2024 (…) nicht zu Protestwahlen werden“ und die Wähler wissen: Der Kampf gegen „Rechts“ hat oberste Priorität? Das Echo auf die Petition ist bislang bescheiden. Der Bürger lässt sich ungern verarschen. Wir lernen: Der politmedialen Blase geht der Arsch auf Grundeis. Gut so.
Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Ihr aktueller Roman heißt „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“.
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