Cora Stephan / 22.08.2024 / 14:00 / Foto: Pixabay (bearbeitet) / 17 / Seite ausdrucken

Toxische Weis(s)heit: Über Kriegstüchtigkeit und woran sie scheitert

„Kriegstüchtig“ sein setzt eine gewisse Souveränität voraus, was Energie, Lebensmittel und auch Medikamente betrifft. Davon kann, was Deutschland betrifft, nicht die Rede sein.

Ich gebe zu: Mir hat das gefallen, wie J.D. Vance leicht süffisant lächelnd bei der Münchner Sicherheitskonferenz zu seiner Nachbarin Ricarda Lang sagte: „Sie deindustrialisieren Ihr eigenes Land, während Sie gleichzeitig sagen, dass Putin um jeden Preis besiegt werden muss. Wenn Putin um jeden Preis besiegt werden muss, dann, liebe deutsche Freunde, hört auf, euer eigenes Land im Namen einer lächerlichen grünen Energiepolitik zu deindustrialisieren.“ 

Wie recht er hat. Deutschland ist nicht – wie der Verteidigungsminister Boris Pistorius fordert – „kriegstüchtig“, oder wenigsens verteidigungsbereit, und das wird es auch bis 2029 nicht werden. Es fehlen zum einen die beiden M: Manpower und Munition. Und F: Finanzen. Daran würde auch die Wiedereinführung einer Wehrpflicht nicht viel ändern, jedenfalls nicht kurzfristig. 

Doch „kriegstüchtig“ hat noch viele andere Facetten. Es geht ja nicht nur darum, dass Menschen an der Front zu Fuß, mit schwangerengerecht umgebauten Panzern oder als Spähtrupp am Computer oder Spezialisten für den Drohnenkrieg Krieg tatsächlich führen. Auch ist die Front längst diffuser, als sie im Ersten Weltkrieg noch war. 

Damals wurde insbesondere von den Briten eine gewaltige Propagandaschlacht geführt, noch immer eine treffliche Waffe, die auch jetzt im Konflikt um Russland und die Ukraine eine große Rolle spielt – und man glaube nicht, dass dabei nur die eine Seite lügt.

Was ist mit der Lebensmittelversorgung im Kriegsfall?

Vor allem aber fehlt die „Heimatfront“ in den Überlegungen des Verteidigungsministers. Da steht an erster Stelle das, was Vance die „lächerliche grüne Energiepolitik“ nennt, die nicht nur – längst spürbar – zur Deindustrialisierung führt. Es ist auch nicht gut für die Durchhaltefähigkeit der „Heimatfront“, wenn man dort frierend und hungrig im Dunkeln sitzt. Ein Land kann sich nur verteidigen, wenn es über zuverlässige Energiequellen verfügt. 

Doch seien wir nicht so: Wenigstens der Bundeswehr wird eine Feldküche zugestanden. Zur Not brät man sich da eben einen Storch. Doch was ist mit der Lebensmittelversorgung aller im Kriegsfall? Sollen sich die Deutschen dann immer noch auf den Weltmarkt verlassen, der ihnen liefert, was sie selbst nicht mehr zu erzeugen in der Lage sind? Das kann man – man erinnere sich an die Blockadepolitik der Briten im Ersten und der Alliierten im Zweiten Weltkrieg – leicht verhindern. 

Doch so weit zurück denkt die deutsche Agrarpolitik nicht, die schon seit längerem nichts anderes als ein systematisches Verdrängen vom Bauern und Landwirtschaft bewirkt, auf Anordnung und mit Unterstützung durch die EU. Und natürlich: des Klimas wegen! Auch das ist im Kriegsfall nicht hilfreich. 

(Ganz nebenbei, als Treppenwitz der Geschichte: Man hat in Deutschland das Cannabisverbot aufgehoben, bevor es eine Produktion im eigenen Land gibt, was die mächtige Drogenmafia ins Land gelockt hat, die nun ihre Konkurrenz blutig zu verdrängen versucht.)

Worüber reden wir eigentlich, wenn es um „Kriegstüchtigkeit“ geht?

„Kriegstüchtig“ sein setzt eine gewisse Souveränität voraus, was Energie, Lebensmittel und auch Medikamente betrifft. Davon kann, was Deutschland betrifft, die Rede nicht sein. Und ob die öffentlich-rechtliche Propagandamaschine noch ihr kriegstüchtiges Werk tut, sobald sie nicht mehr gut geölt wird, ist ebenfalls fraglich. 

Mit anderen Worten: Worüber reden wir eigentlich, wenn es um „Kriegstüchtigkeit“ geht? Im „Spiegel“ wird in womöglich beruhigender Absicht geschrieben, dass Deutschland innerhalb der NATO nur eine andere Rolle einnehme: „Anders als noch im Kalten Krieg ist Deutschland nicht mehr Frontstaat des Bündnisses, sondern eine Drehscheibe für verbündete Streitkräfte.“ Na klar: So eine Drehscheibe ist kein Ziel mehr für weitreichende Waffen! Magisch!

Womöglich sehen die Bundesbürger die Sache ein wenig realistischer als unsere Politiker. Im April 2024 meinten rund 79 Prozent der Befragten in Deutschland, dass die Bundeswehr als Teil der NATO eher schlecht aufgestellt sei. Das ist womöglich noch untertrieben. Wenn Pistorius glaubt, sich mit seiner Rhetorik als neuer starker Mann gegenüber Lauchen wie Olaf Scholz profilieren zu können, dann ist das nicht nur zynisch. Es ist vor allem völlig unrealistisch.

 

Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Ihr aktueller Roman heißt „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“.

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Leserpost

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F.Güttler / 22.08.2024

Alles in allem ein guter Beitrag. Danke dafür. Dennoch ist ein kleiner Fehler unterlaufen. Zitat: “Vor allem aber fehlt die Heimatfront in den Überlegungen des Verteidigungsministers”. Als Beispiel nennen sie dafür die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung.  Das ist aber nicht in der Verantwortlichkeit des Verteidigungsministers. Wenn es um Kriegsvorsorge geht, unterscheidet man die militärische und die zivile Verteidigung. Die Militärische Verteidigung ist Sache des Verteidigungsministers. Sie umfasst alles, was notwendig ist für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr. Natürlich gehören da auch Verwaltung und Versorgung eine Rolle. Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Kriegseinwirkungen gehören zur zivilen Verteidigung. Dazu gehört die Notversorgung mit allen notwendigen Gütern. Dazu gehören aber auch Schutzmaßnahmen vor Kriegsfolgen. Genau dafür betreibt der Bund das THW (Zivilschutz). Natürlich werden auch im Krieg Einheiten des Katastrophenschutzes (Länder) zum Einsatz gebracht. All diese Maßnahmen der zivilen Verteidigung liegen nicht in der Zuständigkeit des Verteidigungsministers. Die liegen ind der Zuständigkeit des Innenministers, derzeit einer Innenministerin. Wenn wir also über Heimatfront reden, besser wäre der zutreffende Begriff “zivile Verteidigung”, dann sollten wir unseren Blick auf Nancy Faeser richten. Ich glaube aber nicht, dass die das überhaupt weiß. Auch der Wirtschaftsminister hat da Aufgaben. Der muss beispielsweise Unternehmen verpflichten, bestimmte Güter für die Kriegswirtschaft zu produzieren. In Krise und Krieg kann das tatsächlich per Leistungsbescheid angeordnet werden.

Roland Völlmer / 22.08.2024

Ich musste Grundwehrdienst leisten und denke, kann daher mitreden. Die erste Regel im Krieg lautet: die Logistik entscheidet. Ohne mampf kein Kampf. Soldaten sind nach drei Tagen ohne Essen verhungert.

Georg Dobler / 22.08.2024

Wer ein Land, das bangen muss ohne Blackout über den nächsten Winter zu kommen (Ukraine will Gasdurchleitung Richtung Deutschland beenden, Niederlande liefern nicht mehr weil sie ein Gasfeld schließen und die Sonne hört schon nachmittags auf zu strahle) kriegstüchtig machen will dürfte ungefähr 1 Lichtjahr von der Realität entfernt sein. Aber mit Realitätsverlust und Winter haben wir ja Erfahrung, man nannte es Unternehmen Barbarossa.

Günter H. Probst / 22.08.2024

Vor der Verteidigungsfähigkeit steht die Verteidigungswilligkeit. Durch jetzt bald 80 Jahre begrüßenswerten Frieden für D, der streckenweise mit einer Armee von fast 500 000 Mann erhalten wurde, und der Delegierung der Kriegs- und Friedensfrage an Andere, ist eine geistige und materielle Lähmung in der Bevölkerung und seinen Eliten eingetreten. Und ein Teil der Mitteldeutschen scheint bereit zu sein, die Umwandlung in eine RBZ hin zu nehmen, weil die Erinnerung an die glorreiche SBZ der Ausplünderung noch lebendig ist. Verloren gegangen ist die Erkenntnis, daß die vorrangige Legitimierung der Staatlichkeit die Innere und Äußere Sicherheit ist. Nur, wenn man Innen nicht auf den Tod durch Messerstecher und Selbstmordbomber, und von außen nicht auf den Tod durch russische Überschall- oder Atomraketen vorbereitet sein muß, kann sich überhaupt die Kreativität und Kraft der auf Dauer gerichteten Produktion entfalten. Dabei ist die strategische Lage von D gar nicht so schlecht, da ein Kriegsbündnis von Frankreich, Italien und Rußland, wie im 1.WK, heute eher unwahrscheinlich ist, und GB und USA Rußland bei deren Angriff auf Osteuropa und D wohl auch keine Waffen und Munition, wie im 2.WK, liefern würden. Da die russische Marine kaum in der Lage sein wird, die Versorgungswege nach Westeuropa abzuschneiden, käme es auch nicht zu Steckrübenwintern. Eine selbstbewußte und nicht gelähmte Bevölkerung würde allerdings über die von Ihnen genannten Probleme nachdenken und versuchen, diese zu lösen.

Hannelore Wolf / 22.08.2024

Ach, wie recht Sie haben, liebe Frau Stephan. Unsere sogenannten Politiker handeln eben stets nach dem Motto: mundus vult decipi ergo decipiator. Und sie kommen damit durch, dank einer perfekten Propaganda!

finn waidjuk / 22.08.2024

Kriegstüchtig? Gegen Russland? Dass ich nicht lache! Der Krieg in der Ukraine fordert ja nur deshalb einen so hohen Blutzoll, weil dort unten Russen gegen Russen kämpfen. Ein konventioneller Krieg Russlands gegen die woke Wehr würde von 12 bis Mittag dauern. Wenigstens wäre danach Frieden. Aber davon einmal ganz abgesehen, der Feind ist doch längst im Land! Er kam zwar tatsächlich aus dem Osten, wurde aber eingeladen und mit Plüschtieren begrüßt.  Zur Strafe dafür benimmt er sich jetzt wie der “Jäger aus Kurpfalz”, .... er schießt sein Wild daher, gleich wie es ihm gefällt..” Man ersetze “Wild” durch “Deutsche” und man ist sofort im Bilde über die Zustände in Deutschland. Gut, vergewaltigt hat der Jäger meines Wissens nach niemanden, er ging gleich auf Nummer sicher: “... wohl zwischen seinem Bein, da muss der Hirsch geschossen sein .... ” Aber das war ja die gute alte Zeit. Und wie es weiter geht, weiß man ja auch schon: “Jetzt reit ich nicht mehr heim ....”.

George Samsonis / 22.08.2024

Die NATO hätte das ganze Kriegsgerät, das an die Ukraine geliefert wurde, besser an die NATO-Ostgrenze gestellt ...

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