Die Bundesregierung will Dieselfahrverbote mit automatischen Kennzeichenkontrollen kontrollieren. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht schon im April 2008 geurteilt, dass die gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht verstoßen, wenn sie anlasslos, flächendeckend und unverhältnismässig sind.
Bei dem Verfahren werden alle vorbeifahrenden Fahrzeuge (inklusive Fahrer und Beifahrer) gefilmt, eine spezielle Software erkennt das Kennzeichen und gleicht dies mit einer Datenbank ab. Im Fall des Urteils gegen die Länder Schleswig-Holstein und Hessen sollte es immerhin um Straftaten gehen. Datensätze, die nicht in der Datenbank hinterlegt sind, sollen im Anschluß unmittelbar wieder gelöscht werden.Wörtlich heißt es
“Die automatisierte Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen darf nicht anlasslos erfolgen oder flächendeckend durchgeführt werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist im Übrigen nicht gewahrt, wenn die gesetzliche Ermächtigung die automatisierte Erfassung und Auswertung von Kraftfahrzeugkennzeichen ermöglicht, ohne dass konkrete Gefahrenlagen oder allgemein gesteigerte Risiken von Rechtsgutgefährdungen oder -verletzungen einen Anlass zur Einrichtung der Kennzeichenerfassung geben. Die stichprobenhafte Durchführung einer solchen Maßnahme kann gegebenenfalls zu Eingriffen von lediglich geringerer Intensität zulässig sein.” (Bundesverfassungsgericht 11. März 2008)
Anlasslos sind diese Aufzeichnungen im Fall der Kontrolle von Dieselfahrverboten bei allen PKW, die einen Ottomotor besitzen und keinen Dieselmotor. Genau genommen trifft dies auch auf die Fahrzeuge mit Dieselmotor zu, die die Abgasnormen V oder IV erfüllen. Für ihre Aufnahme besteht kein Rechtsgrund, weil sie ja keine Ordnungswidrigkeit oder Straftat begehen. Das ist bei Geschwindigkeitskontrollen anderes. Hier werden im Vorhinein nur Autos fotografiert oder gefilmt, die die zulässige Geschwindigkeit überschreiten oder den Abstand nicht eingehalten haben. Alle anderen Wagen bleiben ungeschoren.
Bevor die Fahrzeuge überhaupt aufgenommen werden, müssten die Dieselkontrolleure also die Emissionen messen, die die jeweiligen Wagen ausstoßen. Soweit mir bekannt, ist das unmöglich. Es würde aber insbesondere die Eigentümer der so hoch gelobten Wagen der Euro-V-Norm, wenn diese eine so genannte Hardware-Nachrüstung erfahren haben und nun als besonders sauber gelten. Dort sind – wenn ausreichend Platz im Wagen ist – zusätzliche Kataylsatoren und vergleichbare Anlagen eingebaut worden. Doch die brauchen mindestens eine Abgastemperatur von 150 bis 200 Grad, um überhaupt zu wirken. Man müsste also zusätzlich noch die Emissionen erhitzen, wenn der Diesel gerade gestartet ist oder im Kurzstreckenbetrieb operiert.
Es geht nicht um eine schwere Straftat
Das passiert denjenigen, die eine Software-Nachrüstung erfahren haben, nicht. Mit dem Motormanagement lässt sich die Kraftstoffeinspritzung so steuern, dass in diesem Geschwindigkeits- und Drehzahlfenster bei niedrigeren Abgastemperaturen niedrigere NOX-Werte erreicht werden. Und in bester Heidi-Klum-Manier können die Ordnungshüter am Ende der Show erklären: Ich habe heute leider kein Foto für Dich.
Aber das ist blanke Theorie, denn die individuellen Emissionen jedes Autos können heute im Vorbeifahren sicher noch nicht gemessen werden. Bleibt also nur die Kontrolle per Schadstoffklasse. Dafür müssen aber eben ALLE Autos erfasst werden und nicht nur die “Sünder”. Kontrolliert wird aber nicht, ob jemand eine schwere Straftat begangen hat. Es geht um eine schlichte Ordnungswidrigkeit, die wohl kaum einen solchen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht rechtfertigt.
Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht bereits geurteilt, dass alle Maßnahmen, auch Fahrverbote, verhältnismässig sein, ein anderes Wort für angemessen. Dass die Sperrung der A40, der Hauptschlagader des Ruhrgebietes, dieses Kriterium erfüllt, dürfte spätestens letztinstanzlich kassiert werden.
“So hat die US-Umweltbehörde in einem Bericht vom April 2018 bekräftigt, dass sie keinerlei Hinweise erkennen kann, dass sich Stickstoffdioxide (NO2) unterhalb eines Jahresmittelwerts von 100 Mikrogramm auf die Gesundheit auswirken. Eine Expertengruppe des britischen Gesundheitsministeriums hat in einem Gutachten vom August 2018 in Zweifel gezogen, dass NOx eine Auswirkung auf die Sterblichkeit hat.” Dies hat der AvD unlängst berichtet. Beide Institutionen können wohl kaum als Pressure Groups der Automobilindustrie gelten.
Wenn von der Überschreitung der zu niedrigen EU-Grenzwerte also nicht gesundheitsgefährdend ist, kann eine so rabiate Maßnahme wie die Sperrung einer ganzen Autobahn kaum verhältnismässig sein.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Oliver Lukicz sagte gegenüber dem Deutschlandfunk:
“Ich glaube, dass die Luftqualität sich in den deutschen Städten – das darf man nicht vergessen – massiv verbessert hat. Die Grenzwerte sind sehr ambitioniert. Hinzu kommt, dass wir in Deutschland besonders nah an der Straße messen, auch deswegen wir vor allem in Deutschland diese Werte haben, obwohl ja die gleichen Autos in ganz Europa fahren. Insofern ist festzuhalten, dass der NOX-Wert in den letzten Jahrzehnten um zwei Drittel gesunken ist. Der Grenzwert ist noch ein Stück ambitionierter. Und jetzt sagen alle Experten, dass durch den Flottenaustausch sich in den nächsten Jahren auch dieses Problem lösen lassen wird. Die Frage ist nur, was macht man jetzt in diesen zwei, drei, vier Jahren, die es noch brauchen wird, um in den genannten Städten unterhalb dieses Grenzwertes zu kommen. Da halte ich Fahrverbote für unverhältnismäßig in der Abwägung.”
Wien misst in Fußgängerzonen
Insgesamt sind die Schadstoffbelastungen in den letzten 20 Jahren real um 60 Prozent gesunken, auch die für NoX. Nur nicht so schnell wie die Grenzwerte vorgeben, die aber weit jenseits der Gesundheitsgefährdung liegen. Mittlerweile kommen auch Zweifel an den Meßmethoden auf, die nicht den europaweiten Vorschriften entsprechen. Der deutsche Gesetz- oder Richtliniengeber interpretiert die offensichtlich anders als der Rest der EU. Die Messstellen stehen näher am Straßenrand oder gar an oft befahrenen Kreuzungen. Wien mißt dagegen in Fußgängerzonen. Und auch die Ergebnisse erscheinen zweifelhaft. Im Herbst wurden in Oldenburg die Grenzwerte gerissen. Während die Straße wegen eines Marathons gesperrt waren.
Wie angemessen kann also eigentlich eine Überwachung eines Verbotes sein, das nicht verhältnismäßig ist? Diese Frage beschönigt das Problem? Wie achtet eine Regierung Verfassung und Menschenrechte, die sie wegen einer Ordnungswidrigkeit ignoriert. Die Rechnung der Regierung geht doch auf. Bis auf dem langen Weg der Instanzen eine gerichtliche Klärung erfolgt, sind Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, vergangen und man selbst genießt den wohlverdienten Ruhestand.
Für den mündigen Bürger stellt sich die wiederholt die Frage: Warum soll er sich an Recht und Gesetz halten, wenn es die Obrigkeit nicht tut. Der freiheitliche Rechtsstaat ist mittlerweile in seinen Grundfesten erschüttert.