Der amerikanische Präsidentschaftskandidat Barak Obama will am 24. Juli Deutschland besuchen und am Brandenburger Tor eine Wahlkampsrede halten. Berlins Partybürgermeister Klaus Wowereit findet das toll. Das ist es auch: Toll. Kein Franzose käme auf die Idee, Oskar Lafontaine eine Wahlkampfrede vor dem Arc de Triomphe zu erlauben. Kein Engländer würde einfallen, einem Kaczynski den polnischen Stimmenfang vor dem Buckingham Palace zu organisieren. Kein Russe könnte sich vorstellen, dass Ségolène Royal vor dem Kreml Parteiwerbung betreibt. Und warum nicht? Weil es ein Ehrgefühl für nationale Symbole gibt. Und dies verbietet es, solche Orte zu politischen Händeln fremder Nationen zu missbrauchen. Es sind die Kategorien von Achtung und Respekt, die verletzt werden, wenn man die Inkunabeln befreundeter Ländern zur Wahlkampf-Staffage parteilicher Interessen degradiert.
Es wirft ein sonderbares Licht auf den umtriebigen Kandidaten Obama, wenn er die Welt offenbar unter rein inszenatorischen Kategorien organisieren will. Er zeigt mit seiner Anfrage nämlich unverhohlen, dass ihn Deutschland nicht wirklich interessiert. Ihn reizt vor allem das Bühnenbild einer fotogenen Szenerie. Zu anderen Zeiten hätte eine kritische Öffentlichkeit das als Show-Imperialismus angeprangert. Heute sagt man gelassen: Es ist ungeschickt.
Denn jenseits der gefühligen und protokollarischen Kategorien ist der Vorgang auch politisch kurzsichtig. Eine deutsche Regierung kann und wird sich nicht in fremde Machtkämpfe einmischen. Es gehört zur politischen Klugheit von demokratischen Regierungen sich aus Wahlen anderer Länder immer heraus zu halten. Das hat etwas mit Respekt zu tun, aber auch mit Kalkül. Denn man weiß ja nie, wer gewinnt, und also empfiehlt sich aus eigenem Interesse Neutralität.Die Bundesregierung kann deswegen Obama nicht gewähren, was sie nicht auch McCain gewähren würde. Damit bringt Obama, noch bevor er US-Präsident geworden ist, einen seiner wichtigsten Bündnispartner in peinliche Situationen. Klug ist das nicht. Aber offenbar denkt er nicht in langfristigen Kategorien der Realpolitik sondern in kurzfristigen Effekten von Showpolitik.
Darin trifft sich Obama mit Klaus Wowereit, der im selben Moment das Wahlkampfspektakel begrüßt und das feierliche Gelöbnis der Bundeswehr vor dem Reichstag ablehnt. Wie ein Barmixer des Zeitgeistes, im wahrsten Sinne des Wortes ein brandenburger Tor, degradiert Wowereit damit die Integrität des Staatsbewußtsein zu einem Cocktail der Partymeilenrepublik. Deutschland erreicht nun jedenfalls ein Vexierbild von Obama, das derzeit in Amerika schon heftig diskutiert wird. Eigentlich wünscht man sich nach den bleiernen Bush-Jahren einen reformerischen, jugendlichen Aufbruch für Amerika, so wie Obama ihn verkörpert. Bei genauem Hinsehen aber wird man stutzig, wofür die Magie des Wandels („Change“ ist das Wort des Jahres in den USA) denn eigentlich genutzt werden soll. Oder ob es eine Magie der Selbstdarstellung bleibt.
Die außenpolitischen Eskapaden Obamas in den letzten Wochen lassen bei vielen europäischen Obama-Freunden die Zweifel wachsen, ob man sich über einen Präsidenten Obama nachher noch so freuen kann wie derzeit über den Kandidaten Obama, der wie ein schwarzer Kennedy die Neu-Erfindung der USA sympathisch verkörpert. Seine jüngsten Kehrtwenden vom Irakkrieg bis zur Todesstrafe lassen erahnen, dass Obama ein großer Showmaster, aber ein kleiner Stratege ist. Er wirkt im doppelten Sinne des Wortes „toll“.