Karl Pfeifer / 17.01.2010 / 16:17 / 0 / Seite ausdrucken

Tony in Ethno-Rausch

Tony Judt behauptet in seinem letzten Artikel in der Süddeutschen Zeitung : “Der Ethno-Mythos einer direkten jüdischen Abstammungslinie war für die Legitimität des jüdischen Staates und somit für die institutionalisierte Vorzugsbehandlung der Juden gegenüber den Nicht-Juden essentiell.“

Was Judt die institutionelle Vorzugsbehandlung der Juden in Israel nennt, das wird so auch bleiben, d.h. Juden werden – solange das Rückkehrgesetz nicht abgeschafft wird –  schneller als andere die Staatsbürgerschaft erhalten können. Doch solche Regelungen gibt es auch in anderen Ländern. Zum Beispiel können Kinder eines Briten, die nie in ihrem Leben im Vereinten Königreich waren, die britische Staatsbürgerschaft erlangen. Und ähnliche Gesetze bezüglich der Staatsbürgerschaft gibt es auch in Griechenland, Island, Japan, Schweiz, Holland, Türkei, Jordanien, Saudi Arabien usw.

Deutschland hat Hunderttausende von “Russlanddeutschen“ bevorzugt integriert, die irgendeinen Ahnen hatten, der vor Jahrhunderten aus Deutschland ausgewandert war. Die meisten dieser Einwanderer konnten, als sie nach Deutschland kamen, nicht Deutsch. Also ist die israelische Regelung eine auch anderswo übliche. Judt unterstellt den Zionisten, den „Ethno-Mythos einer direkten jüdischen Abstammungslinie“ propagiert zu haben.

Da lohnt es mal in die Tagebücher von Theodor Herzl reinzuschauen.

Am 21. November 1895 besuchte der Gründer der modernen zionistischen Bewegung den Schriftsteller Israel Zangwill in seinem Haus in London und bemerkte:
“Dennoch einigen wir uns über Hauptpunkte. Er ist auch für unsere territoriale Selbständigkeit. Er steht aber auf dem Rassenstandpunkt, den ich schon nicht akzeptieren kann, wenn ich ihn und mich ansehe. Ich meine nur: wir sind eine historische Einheit, eine Nation mit anthropologischen Verschiedenheiten. Das genügt auch für den Judenstaat. Keine Nation hat die Einheit der Rasse.“

Tony Judt ist ein ausgezeichneter Kenner der europäischen Sozialdemokratie und als solcher respektiert. Wenn er aber nun über Israel und den Zionismus schreibt, könnte man von einem Universitätsprofessor erwarten, dass er sich die Mühe nimmt und die Quellen liest.

Die Antisemiten behaupteten vor 1948 Juden wären nicht fähig einen Staat zu bilden.

1942 schrieb der Nazipropagandist Hermann Erich Seifert: “ Die Juden haben in ihrer ganzen Geschichte und erst in jüngster Zeit [Birobidjan in der Sowjetunion] bewiesen, daß sie nicht fähig sind, einen eigenen Staat zu bilden. Dazu fehlt ihnen nicht nur die vertikale Gliederung des Volkes, ohne die ein Staat überhaupt nicht bestehen kann, sondern dazu fehlen auch Eigenschaften wie Ordnungssinn, Disziplin, Organisationsgabe, Verantwortungs- und Pflichtgefühl und vieles andere mehr.“ [1]

Da nun ein jüdischer Staat mit einer Mehrheit von 5,8 Millionen Juden existiert, haben die Antisemiten ihre Argumentation geändert, nun versuchen sie diesen Staat zu delegitimieren, ihn zu verteufeln und ihm allein – mit an den Haaren herbeigezogenen „Gründen“  - das Recht auf Existenz abzusprechen.

Judt und andere „gute Juden“ bedienen mit solchen seichten Texten Antisemiten, denn auch dem Gutgläubigsten sollte klar sein, was mit den Juden Israels geschehen würde, wenn der einzige demokratische Staat im Nahen Osten abgeschafft werden würde.

1) “Der Jude zwischen den Fronten der Rassen, der Völker, der Kulturen“, Berlin 1942, Seite 156

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