Volker Seitz / 02.06.2018 / 17:00 / 6 / Seite ausdrucken

Tödliche Konflikte zwischen Ackerbauern und Viehzüchtern 

Seit Jahrzehnten streiten Ackerbauern und wandernde Viehzüchter in vielen Ländern Afrikas um Weiderechte und Wasser. Eine der Ursachen für die Konflikte liegt darin, dass die meisten Landrechte in Afrika südlich der Sahara nicht schriftlich festgehalten sind. Nur etwa zehn Prozent der ländlichen Flächen in Afrika sind formal dokumentiert. Nutzungsrechte werden in fast allen Fällen mündlich vereinbart. Ressourcennutzungsrechte sind oft nicht an Landrechte gekoppelt. Wachsende Auseinandersetzungen und Konflikte sind absehbar. Land ist in manchen Ländern knapp geworden und Viehzüchter beanspruchen immer mehr Flächen. Das Zusammenleben von Ackerbauern und Viehzüchtern wird immer schwieriger.

In Ländern wie zum Beispiel Mali, Burkina Faso, Guinea, Tschad, Niger, Nigeria, Benin, Kenia kostet der Konflikt jedes Jahr Menschenleben, wenn Bauern und Viehzüchter, die meist bewaffnet sind, aneinander geraten. Typische Konflikte mit sesshaften Landwirten beruhen darauf, dass sich die Nomaden auf Traditionen berufen, während bei den Bauern wegen der Bevölkerungsentwicklung der Bedarf an Ackerland wächst. Tiere laufen frei umher und zertrampeln Ackerland vor oder während der Ernte. Obwohl die Bauern so ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können, werden die Verursacher der Schäden, die Hirten und die Besitzer der Tiere, oft nicht bestraft. Wenn die Justiz korrupt ist, können Viehzüchter sich das Urteil kaufen.

In Nordkamerun werden Landkonflikte durch einen „Lamido“, einen Chef aus der Ethnie der Fulbe, geschlichtet. Es gibt zwar in einigen Ländern Landnutzungspläne auf Dorfebene, aber durchziehende Nomaden (Transhumanz) sind daran nicht beteiligt. Allerdings wird die Saison der Transhumanz vom Norden in den Süden im Niger jedes Jahr nach dem Ende der Regenzeit im Radio angekündigt und ein Datum genannt, wann die Felder abgeerntet sein müssen.

Im Grenzgebiet zwischen Äthiopien und Kenia kommt es immer häufiger zu Kämpfen zwischen verschiedenen Völkern. Äthiopische Nomaden überschreiten auf der Suche nach Wasser die Grenze zu Kenia. Das führt zu Konflikten.

„Das Rindvieh als Landplage“

„In Kenia gibt es Ziegenherden bis zu 1.000 Tieren und Rinderherden von 500 Tieren. Kenia kennt keine gesetzliche Regelung für Viehhaltung“, schrieb Thomas Scheen in der F.A.Z. vom 23. Februar 2017, „Das Rindvieh als Landplage“. Vieh sei die neue Währung in Kenia, seit das Finanzamt ein digitales Steuersystem eingeführt habe. Die Tiere seien nicht erfasst, und der Handel mit ihnen werde bar abgewickelt.

Ende Dezember 2017 kam es zu tödlichen Kämpfen zwischen christlichen Bauern und Viehhirten der muslimischen Fulani-Volksgruppe (einst ein nomadisches Hirtenvolk, das sich auf die gesamte Sahelzone von Mauretanien bis zum Sudan verteilt) im südöstlichen Bundesstaat Benue in Nigeria. 80 Menschen, darunter Frauen und Kinder, wurden getötet und bei einem Massenbegräbnis am Stadtrand von Makurdi beigesetzt. Der Verteilungskampf wird zunehmend mit Mord und Totschlag ausgetragen, trotzdem wurde offenbar bis heute niemand festgenommen. Die Sicherheitskräfte sind völlig überfordert. Osai Ojigho, die Direktorin von Amnesty International in Nigeria, spricht von „fast anarchischen Zuständen“.

Der Landwirtschaftsminister gibt zu, dass „alle bisherigen Regierungen den lange schwelenden Konflikt sträflich vernachlässigt haben“. Ein neues Gesetz verbietet es den Viehhirten in Benue, weiterhin als Nomaden durch den Bundesstaat zu ziehen. Damit sollten die jahrzehntelangen blutigen Konflikte beendet werden. Doch die Vertreter der Hirten lehnen das Gesetz ab. Auch in anderen Bundesstaaten im ethnisch und religiös gemischten Zentrum Nigerias war es zuvor zu Kämpfen zwischen sesshaften Landwirten und Viehhirten gekommen.

Thielo Thielke schreibt am 28. Mai 2018 in der F.A.Z. unter dem Titel „Satanische Morde“ über den Konflikt in Nigeria: „Von Januar bis Ende April wurden in Nigeria bei Kämpfen zwischen Viehhirten und Ackerbauern 937 Menschen getötet und allein im Benue-Staat 170.000 vertrieben. Traditionell geht es bei den Rivalitäten um Wasser und Weide- oder Ackerland in einer Region, die immer schon extremen Klimaschwankungen unterworfen war, die immer wieder von Hungersnöten geplagt wird, in der das Überleben hart ist und das Bevölkerungswachstum explodiert.“

Anders in Ruanda. Die Rinder tragen dort Ohrmarken, und wer keinen Stall für die Tiere nachweisen kann, darf keine halten.

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“. Das Buch ist beim Verlag vergriffen. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe wird im September 2018 bei dtv erscheinen. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

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Marcel Seiler / 02.06.2018

Die afrikanische Bevölkerungsexplosion, die Land knapp macht, verlangt nach einer gesellschaftlichen Regelung der nun entstandenen Konflikte. Gewalt ist die “letzte” Regelung, nämlich die, die sich breit macht, wenn eine Gesellschaft keine andere findet. Die afrikanischen Gesellschaften haben die nicht leichte Aufgabe, ihre Rechts- und Gesellschaftsstrukturen den neuen Gegebenheit anzupassen. Wir können dies den Afrikanern nicht abnehmen.

Daniel Oehler / 02.06.2018

Konflikte zwischen sesshaften Bauern und umherziehenden Viehhirten kennt man nicht nur von Afrika. In den USA gab es im Wilden Westen blutige Auseinandersetzungen zwischen Ranchern und Farmern, vor allem wenn letztere es wagten, ihr kleines Flecklein Erde mit Stacheldraht zu sichern. Ein paar weitere Aspekte sind zu nennen: - Afrikas sesshafte Bauern können sich Nachts in sichere Behausungen zurückziehen. Nomaden müssen wehrhafter sein, um sich gegen wilde Tiere sein. Bei unseren Tierschützern steht wohl zu oft das Wohl von Raubtieren über dem der Menschen. - Konflikte zwischen Sesshaften und Herumziehenden? Gibt es auch in Europa in Gestalt der sogenannten Wanderzigeuner, mit denen sesshafte Zigeuner, von den sich für politisch korrekt haltenden Kreisen auch “Sinti und Roma” genannt, nichts zu tun haben wollen. Für nomadisierende Gruppen jeglicher Art gehört es zum Geschäftsmodell, die Sesshaften als Einkommensquelle zu betrachten. Das kann positiv sein, wie beim traditionellen “Hofzigeuner” der Siebenbürger Sachsen, muss es aber nicht. Nicht ohne Grund ist jeder Hof in Transylvanien im Herzen Rumäniens wie eine kleine Festung gegen Einbrecher und Diebe gesichert. Das Beispiel Rumänien zeigt aber auch, dass positiver Wandel möglich ist. Dort gehören Zigeunern zunehmend frommen Kirchengemeinden mit strengen ethischen Regeln an, was zu entsprechend positivem Verhalten führt.

Volker Seitz / 02.06.2018

@ Michael Boden Leider nein. Beste Grüße, Ihr VS

Rolf Menzen / 02.06.2018

Ruanda ist im Vergleich zu den meisten afrikanischen Staaten auch winzig und viel besser zu überwachen. Aber was anderes: Ist der Konflikt zwischen Ackerbauern und Viehzüchtern nicht schon 12.000 Jahre alt? Handelt nicht auch die biblische Geschichte von Kain und Abel von diesem Gegensatz?

Michael Boden / 02.06.2018

Nun ja, zuerst denkt man mal an Kain und Abel. Eigentlich sollte man ja seit mindestens hundert Jahren über sowas weit hinaus sein?. Sie kennen sich ja in Afrika wirklich gut aus, Herr Seitz. Deshalb Meine Frage : Sollte es wirklich so sein, dass in Schwarzafrika unter Briten, Franzosen (auch den peniblen Deutschen, weniger unter den den schlampigen Portugiesen), es keine juristisch abgesicherten Landrechte gab? Vielleicht sogar Flurkarten? Wurden vergessen, oder vernichtet? Wenn ja, fehlt mir da ein bißchen das Mitleid, muss ich mal so hart formulieren.

toni Keller / 02.06.2018

Der Konflikt zwischen Ackerbauern und Viehzüchtern ist archaisch und in dem Mythos von Kain und Abel festgehalten. Die mittelalterliche Almende war ein recht erfolgreicher Versuch das Problem im Sinn einer win-win Situation (die Viehherden weiden auf dem brachliegenden Ackerland und düngen es dabei) zu lösen. Im übrigen habe ich schon in den 70ern (also vor knapp 50 Jahren) in der Schule gelernt, dass die Herden in Anhängigkeit vom vorhandenen Wasser sich vergrößern und genau deshalb die, gut gemeinten, Brunnenbohrprojekte kontraproduktiv sind. Nur scheint es aktuell so, als würden wir solcherart archaischer Konflikte einfach hierher exportieren und das in ein Land, dass es verlernt hat KOnflikte überhaupt wahrzunehmen

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