Artikeltyp:Meinung

Tja, liebes Berlin: Trump kommt 

Trump kommt. Was tun? Beten? All denen, die den nun fast hundertprozentig sicheren nächsten US-Präsidenten für den Gottseibeiuns halten, könnte in der Tat nichts anderes übrig bleiben.

Teufelsaustreibung also. Das gilt nicht zuletzt für die Bundesregierung, die sich ja in Treue fest mit dem netten alten Mann verbunden hat, dem man so gerne unter die Arme greifen möchte, wenn er zum Mikrofon und wieder zurück in sein Oval Office trippelt. Doch der Gedanke, dass Joe Biden dort nicht mehr lange bleiben wird, lässt sich auch im rotgrüngelben Berlin nicht mehr abwehren, weder mit Knoblauch noch mit gemurmelten Beschwörungsformeln. Die Realität holt Berlin ein.

Es ist eine alte und immer wieder fragwürdige Tradition in der Politik, nach dem Motto zu denken und handeln, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Die deutsche Politik und ebenso die sie begleitenden Journalisten waren zu sehr damit beschäftigt, Donald Trump in Grund und Boden zu verdammen, um sich ernsthafte Gedanken darüber zu machen, was eigentlich zu tun ist, wenn nicht der ins Weiße Haus einzieht, den man gerne hätte, sondern der, den man partout nicht mag.

Das hat viel mit Parteipolitik zu tun und auch eine Menge mit europäischem Hochmut. Schon bei Trumps erstem Eintritt ins Weiße Haus hat Angela Merkel ziemlich herablassend eine enge Zusammenarbeit mit ihm „auf der Basis der westlichen Werte“ angeboten. Dabei hat sie wohl vergessen, dass Deutschland nicht zu den führenden Erfindern der westlichen Werte gehört. Damals wie heute gilt: Der guten alten Bundesrepublik steht Hochmut nicht gut zu Gesicht. Außerdem bleibt uns gar nichts anderes übrig, als mit Amerika zusammenzuarbeiten. Zumal wir mit dieser Zusammenarbeit seit Jahrzehnten bestens gefahren sind. In der Tat waren und sind es die westlichen Werte, die uns zusammenhalten. 

Ich habe die Häme über Ronald Reagan erlebt

Man muss sich nicht immer lieben. Aber versuchen, sich zu verstehen, sollte man schon. Und zu diesem Verstehen gehört nun mal, dass Amerika anders tickt und immer wieder Männer an seine Spitze wählt, die dem klassischen Europäer nicht passen. Ich habe seinerzeit als Amerika-Korrespondent die Häme erlebt, mit der Ronald Reagan hierzulande begleitet wurde. Und dann hat er für Deutschland etwas getan, was Deutschland ohne ihn nie zustande gebracht hätte.

Donald Trump ist nicht Ronald Reagan. Aber er wird der nächste Präsident sein. Das war schon nach der Debatte klar, bei der sein Kontrahent Joe Biden eine so traurige Figur abgab. Und jetzt nach dem Attentat ist die Sache gelaufen. Der Kontrast der Bilder könnte symbolmächtiger nicht sein. Hier der blutende Donald Trump mit kämpferisch erhobener Faust, dort der zusehends alternde, vorsichtig schlurfende Amtsinhaber. Bitte dreimal raten, wer hier wie der Sieger aussieht.

Man kann sich nun darüber ergehen und tut es auch, wie es zu dem Attentat kommen konnte, das Trump knapp überlebt hat. Und das ihn zugleich endgültig ins Weiße Haus katapultieren wird. Ja, die hässliche und hasstriefende Spaltung Amerikas spielt eine beklagenswerte Rolle. Aber auch dabei ist, anders als es hierzulande dargestellt wird, Trump nicht der Alleinschuldige. Der mediale Hass auf Trump kommt dem Hass nahe, den Trump in Richtung seiner Gegner versprüht. 

Der viel tiefere Grund für so ein Attentat liegt anderswo. Er ist in Amerikas nicht erst heute entstandener Gewaltbereitschaft und in seinem Waffenkult zu suchen. Trump ist nicht der Erste, den ein Attentat erwischt hat. Ronald Reagan hat es massiver erwischt. Andere tödlich, von Abraham Lincoln über John F. Kennedy bis hin zu Martin Luther King, der ja auch wegen seiner Politik ermordet wurde. Sie alle haben auf unterschiedliche Weise Hass auf sich gezogen. Dem neuesten Opfer als verbalem Aufrührer geradezu die Hauptschuld an dem Attentat zu geben, ist eigentlich ein starkes Stück. In anderem Zusammenhang würde man von Opferumkehr sprechen.

Die Entscheidung der Amerikaner respektieren

Es hilft auch nichts. Die politische Klugheit und der politische Anstand verlangen es, nun nicht nur die Gewalttat zu bedauern, sondern auch die bevorstehende Entscheidung der Amerikaner zu respektieren. Mit einem Präsidenten Trump zusammenarbeiten? Na klar, was sonst! Und dazu gehört, sich gründlich und möglichst vorurteilsfrei auf diese Zusammenarbeit vorzubereiten. 

Im Übrigen ist es schon öfter vorgekommen, dass Regierungschefs, die sich eigentlich nicht mochten, doch noch eine wunderbare Freundschaft entwickelt haben. Das wird mit Trump nicht leicht sein. Er ist im Stil kein angenehmer Gesprächspartner. Von Manieren keine Spur. Aber er ist kein Kriegstreiber. Im Gegenteil. Und seine robuste Art macht auch beim Gegner Eindruck, was durchaus von Vorteil sein kann. Die NATO ist klugerweise schon dabei, sich „trumpfest“ zu machen. So dass der künftige Präsident für seine Verachtung weniger Anlass sehen dürfte. Im Übrigen war Trump nicht der einzige, ja nicht einmal der Erste, der die NATO für hirntot erklärt hat. Sie ist wieder auferstanden.

Ja, den Amerikanern täte es gut, ihre extremen gegenseitigen Abneigungen jetzt zu zügeln. Es gibt erste Anzeichen dagegen und dafür. Biden hat nach dem Attentat gut gesprochen, wie es sich gehört. Und Trump übt sich im Staatsmännischen. Das alles ist Sache Amerikas. Für die europäischen Regierungen ist es mindestens genauso wichtig, extreme Abneigungen hinter sich zu lassen und die Kurve in Richtung Trump zu nehmen. Es wird höchste Zeit.

 

Rainer Bonhorst, geboren 1942 in Nürnberg, arbeitete als Korrespondent der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in London und Washington. Von 1994 bis 2009 war er Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen-Zeitung.

Foto: By Pierre-Selim Huard - Self-photographed, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Gunther Laudahn / 16.07.2024

Präsident Trump ist die letzte Hoffnung für die westlichen Zivilisationen.

Marc Greiner / 16.07.2024

“Der mediale Hass auf Trump kommt dem Hass nahe, den Trump in Richtung seiner Gegner versprüht.”—-Gemäss dieser Formel gehört auch die Achse zu den Hass-Versprühern da sie Kritik an der aktuellen Politik übt. Also Hr. Bonhorst, wo bitte versprüht Trump Hass? Und wieso soll Trump ein unangenehmer Gesprächspartner sein? Und nein, Amerika hat keinen Waffenkult sondern eine gesunde Einstellung zu Freiheit und Selbstverteidigung. Alles Sachen die man in Deutschland gerne dem Staat delegiert mit den ersichtlichen Folgen für die Einheimischen, Stichwort “Migrantengewalt”. Übrigens: Auch in Israel laufen Menschen mit Waffen am Halfter. Fühlte mich gleich sicherer wenn so einer in der Nähe war und nicht umgekehrt.

Lucius De Geer / 16.07.2024

@J.Schneider: Den “pauschalen USA-Hass”, den Sie thematisieren, bilden Sie sich ein. Niemand hier im Forum hat etwas gegen die Vereinigten Staaten als demokratisch verfasstes Land per se oder sämtliche 50 Bundestaaten oder alle 340 Mio. Amerikaner usw. Alle Kritik richtet sich nach meiner Wahrnehmung stets gegen fragwürdige bis kriminelle US-Institutionen und Netzwerke sowie bzw. einzelne Vertreter derselben, die außerhalb der Verfassung und ohne Auftrag des Volkes agieren und sich ständig ohne Not und Grundlage in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einmischen. Oder muss man das fast 80 Jahre nach Kriegsende auch alles pauschal gut finden? Die siegreichen Amis von damals sind nicht die Amerikaner von heute, ebenso wie die heutigen Deutschen nicht dieselben sind wie die im 2. Weltkrieg. Den “Amis” von einst ewig dankbar zu sein und dafür die USA-Hegemonie von heute auszublenden, ist ebenso politisch naiv wie die Russen ewig für die Kriegsgreuel 1944/45 zu hassen (und die halten uns auch die Verbrechen der deutschen Soldaten nicht mehr vor). Also Polit-Romantik ist fehl am Platze, wo schlicht Realpolitik gefragt ist. Ich bin einst auch für den NATO-Doppelbeschluss eingetreten, doch heute möchte ich, dass nun auch die US-Armee als letzte Besatzungsmacht aus unserem Land abzieht.  Die kann ihre weltweiten Kriege von eigenem Territorium aus steuern - vielleicht überlegt man sich dann die eine oder andere Militäraktion besser…

Gerd Maar / 16.07.2024

@Richard Reit: mit solchen Leuten argumentieren zu wollen ist sinnlos. In deren Weltbild sind die Deutschen hilflose Opfer der USA. 40 Jahre sozialistische Propaganda haben gewirkt.

Richard Loewe / 16.07.2024

DJT ist nach einer Minute angeschossen auf dem Boden, wie ein homerischer Held wiederaufgestanden und wurde damit zur Projektionsfläche für Amerika. Man schaue sich dieses Video an. Epochal. Sowas ist nur hier in den Staaten möglich. Amerika wurde durch die perversen, kriegsgeilen Neolibs/NeoCons in die Knie gezwungen, es wird sich aber am 20. Januar 2025 berappeln und zu alter Größe aufrichten. Daß ausgerechnet DJT das Medium ist, wird Historiker in Brot und Lohn halten. JD Vance - wer Hillbilly Elegy noch nicht gelesen hat: sensationell! - wird DJTs Lebenswerk in den darauffolgenden 8 Jahren beenden.

Steve Acker / 16.07.2024

Es wurde ja grad der Vizepräsidenten-kandidat von Trump verkündet: J. D. Vance. Macht mir einen sehr guten , sehr vernünftigen Eindruck. und er ist 39.

Irene Luh / 16.07.2024

@Gerhard Schmidt, das Wort “officer” hat mehr als eine Bedeutung und es bedeutet auch “Offizier” in der schönen klaren deutschen Sprache. Wie Sie sicherlich nicht wissen, es gibt keine genauen Übersetzungen, von einer Sprache in die andere. Das war so in der Vergangenheit bis heute, ist auch heute so und wird auch in Zukunft immer so sein müssen! ++ Ich merke das ständig, wenn ich zwischen den sechs Sprachen hin und her übersetze, die ich beherrsche und verstehen kann. Meine siebte Sprache, die ich dabei bin zu erlernen, ist Russisch. Warum? Um die STASI-Methoden besser durchschauen zu können und mich von diesen kriminellen Intriganten unabhängiger zu machen. ++ Auch bin ich Expertin was wissenschaftliche Definitionen anbetrifft. ++ Zuletzt: es sind nicht meine Worte, ich habe diese von einem anderen Kommentator auf tichy übernommen. Das Wichtigste, das Allerwichtigste jedoch: die Aussage dieses Mannes entspricht der Wahrheit. Etwas was die kranke Lügen-STASI verheimlichen will. ++ Nicht nur, daß Ihr Kritikpunkt nicht greift, es nimmt der Aussage nichts, sie ist weiterhin wahr.

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