Claudio Casula / 16.06.2021 / 06:00 / Foto: Imago / 136 / Seite ausdrucken

Til will nicht schweigen

Es ist schon ein Kreuz mit Tilman Valentin „Til“ Schweiger: Der Mann ist einfach nicht zu fassen. Unberechenbar. Leistet sich zu jedem Thema eine eigene Meinung. Engagiert sich einerseits gegen Kinderarmut, setzt sich mit der nach ihm benannten Foundation für die Verbesserung der Chancen benachteiligter Kinder und Jugendlicher jeglicher Herkunft und ihrer Teilhabe an Bildung und sozialer Integration ebenso ein wie für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, machte sich in der Flüchtlingskrise ab 2015 für die Aufnahme der Zuwanderer stark und kündigte sogar an, ein Flüchtlingsheim zu bauen, das Vorzeigecharakter haben sollte, allerdings bis heute nicht realisiert wurde.

Andererseits eckte der Schauspieler und Regisseur („Keinohrhasen“, „Kokowääh“, „Honig im Kopf“) auch immer wieder mal an. Kritisierte etwa in einer Talkshow den zu milden Umgang mit Kindermördern und -schändern („Deutsches Gutmenschentum kotzt mich an“) und forderte eine Meldepflicht für Sexualstraftäter. Außerdem bekannte er sich zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan, was ihm einen Farbbeutelanschlag auf seine Hamburger Villa einbrachte, begangen von „Tatortverunreiniger_innen“, die sich in einem Bekennerschreiben stolz der Tat bezichtigten.

Das vielleicht Schlimmste für die Presse: Schweiger pflegt sie weiträumig zu umfahren, insbesondere die High-Brow-Filmfeuilletonisten und Cineasten, die nur Filme goutieren, „die keine Sau kennt“ (Schweiger), und über seine seichten Werke, die gleichwohl ein Millionenpublikum finden, nur die Nase rümpfen. Deshalb zeigt der Til schon seit Jahren seine Filme vor dem Kinostart nicht mehr in Pressevorführungen, denn nichts trifft den Journo so hart, wie für überflüssig gehalten und auch noch um Drinks und Häppchen gebracht zu werden. Spätestens seitdem haben sie den unangepassten Typen im Visier.

„Du musst die Schnauze halten, dann passiert dir nichts“

Seinen gesunden Menschenverstand oder jedenfalls seinen Hang zur eigenen Meinung hat sich Schweiger bis heute bewahrt, wohl wissend, dass er sich damit nicht nur Freunde macht („Du musst die Schnauze halten, dann passiert dir nichts“). Und jetzt hat er etwas Unverzeihliches getan, das sich nicht mehr rückgängig machen lässt, nämlich bei Instagram ein Foto gepostet mit der Bildunterschrift: „barefoot boat mit meinem helden boris reitschuster“, sogar noch mit einem roten Herzchen garniert.

Er hat „Jehova“ gesagt! Die Presse, sonst stets Vielfalt und Toleranz predigend, ist empört. Und wie man das heute so macht als Journalist, wenn man sich über jemanden empört und entrüstet, wird über die Empörung und Entrüstung in den sozialen Medien berichtet: „Sturm der Entrüstung: Empörte Menschen wollen Til Schweiger canceln“ (Berliner Zeitung).

Die Stuttgarter Zeitung fragt bang: „Wird Til Schweiger zum Verschwörungstheoretiker? Zumindest bekennt er auf Instagram offen seine Sympathie für einen Mann, der Thesen der sogenannten ,Querdenker‘ aufgreift (sic!)“

Die Magdeburger Volksstimme titelt: „Ausflugsfoto mit Coronaverharmloser und Putin-Kritiker Reitschuster: Til Schweiger erntet Shitstorm“

Und der Focus meldet: „,Mein Held‘: Plötzlich postet Til Schweiger ein Foto mit fragwürdigem Corona-Autor“ (der „stark umstritten“ sei, wohl weil er es in der Bundespressekonferenz wagt, die Corona-Politik der Bundesregierung zu kritisieren).

Nicht nur des Nuschelns, sondern auch seiner Kontakte schuldig

Dass Schweiger schon zuvor Maskenpflicht und andere vom RKI der Regierung empfohlene Maßnahmen, die dann umgesetzt wurden, kritisiert und, ebenfalls bei Instagram, eine Karikatur gepostet hatte, die RKI-Chef Lothar Wieler als Lottofee vor einer Lostrommel zeigte („Herzlich Willkommen zur Ziehung der Infektionszahlen!“), deutete ja schon darauf hin, dass er auch in dieser Frage nicht jede offizielle Gewissheit schlucken würde. Aber nun einen „umstrittenen“ Journalisten, einen „Verschwörungstheoretiker“, „Schwurbler“ und „Querdenker“ als seinen „Helden“ zu bezeichnen, ja gar mit ihm auf einen fröhlichen Bootstörn zu gehen, ohne sich dieses Vorhaben im Vorfeld von der Ethikkommission genehmigen zu lassen, das geht eindeutig zu weit! Ab jetzt muss sich Schweiger, bisher hauptsächlich wegen Nuschelns in seinen Filmrollen in der Kritik, auch noch Kontaktschuld vorwerfen lassen.

Schon machen gefühlte Zehntausende den ungemein originellen Wortwitz vom „Keinhirnhasen“ (beiseite gesagt: „Keinhirnmime“ wäre, wenn schon, intelligenter), werden Hoffnungen laut, der Filmemacher möge sich mit dieser Aktion „ins Aus geschossen“ haben, der unvermeidliche Jan Böhmermann attestiert Schweiger „Honig im Kopf“ und überhaupt reißt sich die Längsdenkerblase vor Wut mitten entzwei. Um noch einmal die Berliner Zeitung zu zitieren: Empörte Menschen wollen Til Schweiger canceln.

Dem Til dürfte es egal sein, er wird sich etwas dabei gedacht haben, als er das woke Milieu mit seinem Instagram-Post triggerte. „Unterschätzt ist man immer einen Schritt voraus“, hat er mal gesagt. Wie wahr. Wenn ihm etwas gegen den Strich geht, lässt er es seine Umgebung ohnehin gern mal wissen. Und außerdem: Nicht wenige werden sich freuen, wenn nach den #allesdichtmachen-Schauspielern wieder jemand mit einer gewissen Medienpräsenz gegen die in diesem Land verhängte Omertà verstößt. Die Kritiker der verhängnisvollen Corona-Politik jedenfalls verstecken sich längst nicht mehr im dunklen Keller. In diesem Sinne: Til, der Kampf geht weiter!

Foto: Imago

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Leserpost

netiquette:

Fred Burig / 16.06.2021

@Angela Seegers: “.... um Aufmerksamkeit zu erregen…....” Da stimme ich ihnen zu. T. Schweiger braucht wieder mal etwas öffentliche Wahrnehmung. Würde er besser aus seinen Nachnahmen “Schweiger” das passende Verb ableiten, wäre es für mich erträglicher ! MfG

dr.goetze / 16.06.2021

@M.Kulla: irgendwas verstehen Sie falsch! Die Leistung von Til (mit einem L) ist, dass er nicht zurück rudert wie Konzerngrößen von VW, Siemens oder auch den vielen Schauspielern unlängst, wenn Gegenwind aufkommt! Und das beweist Rückgrat, stellt ihn auf eine Stufe mit Schauspielern wie Jan Josef Liefers. Vielleicht nicht von der Schauspielleistung oder der artikulierten Aussprache her, aber als Mensch in dieser Situation der cancel culture Scheißestürme. (Sorry, aber Deutsch ausgesprochen wird der “shitstorm” zu dem, was er wirklich ist, nämlich tödlich giftig - der englische Ausdruck verniedlicht ihn fast!)

Paul Siemons / 16.06.2021

Nichts kann das juste Millieu mehr empören, als wenn einer der “ihren” aus der Reihe tanzt. Oder gleich mehrere wie vor einigen Wochen. Da kommen stalinistische Vernichtungsfantasien in den ach so moralisch sauberen Bessermenschen hoch. Die sind nämlich in der Hölle ihrer Seelen vielmals teuflischer als die vermeintlichen Bösen. Wie mich dieses bigotte Millieu ankotzt!

Martin Schmitt / 16.06.2021

Für mich hat Til Schweiger bis in alle Ewigkeit verschissen - damals habe ich ihn nämlich erst gefeiert für seine Aussagen im TV-Talk gegen Kinderschänder, aber wenig später ist er ja dann doch zurückgerudert (wahrscheinlich auf Anraten seiner Manager, aber trotzdem). Zweitens seine Arroganz und Großkotzigkeit in Zeiten der Flüchtlingskrise (2015) gegenüber den Kritikern. Seit dem habe ich keinen einzigen Film mehr mit und schon gar nicht von ihm angeschaut. Er ist doch auch nur so ein Systemling, hört auf ihn hier als Helden darzustellen. Man sollte Wetten abgeben können ab wann er (Schweiger) sich wieder distanziert von Boris Reitschuster.

M.-A. Schneider / 16.06.2021

Er gehört wahrlich nicht zu meinen Lieblingsschauspielern, ebenso wenig wie ein Großteil seiner Filme mich überzeugen könnte. Aber sein Mut gerade jetzt, und wohl wissend, dass er sich damit durchaus ins Abseits schießen kann, ist schon sehr beachtlich und nötigt einem viel Respekt ab. Alle Anhänger von Boris Reitschuster wird es freuen, dass er weitere prominente Unterstützer findet und hoffen, dass endlich mehr Menschen aufwachen und erkennen, wie es in Wahrheit um die Meinungsfreiheit in unserem Land bestellt ist. Sie gilt nur, wenn sie dem Mainstream und der Huldigung von Frau Merkel und ihrer treuen Gefolgschaft gilt. Alles, was abweicht, muss gestrichen, ausgegrenzt oder vernichtet werden.

Lutz Herzer / 16.06.2021

Das Einzige, was dieser Typ perfekt beherrscht, ist Til Schweiger sein, wovon sich offenbar gut leben lässt. Jetzt aber gerade mal das zu checken, was die Spatzen schon lange von den Dächern pfeifen, ist noch nicht so der ganz große Burner. Das Enfant Terrible muss erst noch rausgelassen werden. Nix mit mein Held. Das ist viel zu kuschelig. Werde selbst ein Held!

Ralf Pöhling / 16.06.2021

Da wird einem der Herr Schweiger plötzlich sympathisch. Seine Filme waren nie mein Ding. Und nicht etwa weil mir irgendein herbeifabulierter Anspruch fehlen würde, mir fehlt da eher das politinkorrekte Geratter und Geschepper. Aber seine Nähe zu Reitschuster offenbart doch plötzlich genau das. Und nicht nur das. Sondern auch Köpfchen. Ich weiß nicht, ob es Reitschuster selbst begriffen hat, aber kein anderer Journalist in Deutschland ist so nah dran. So nah an der Wahrheit. Was dann auch die Vernebelung als “Verschwörungstheoretiker” erklärt.

S.Müller-Marek / 16.06.2021

Leute, die finanziell so abgesichert sind wie TS, können sich eine eigene Meinung eher leisten und öffentlich kundtun, als die, die um Wohnung, Arbeitsplatz uvm. fürchten müssen, wenn sie von der alles beherrschenden Gesinnung abweichen. (Bestes Beispiel: Karl Lagerfeld. Sein Geld hat ihm die Freiheit der eigenen Meinung gegeben). Ich finde es dieses Mal gut, was TS sagt und das er BR zur Seite steht. Keine Frage!!!! Aber, was bitteschön machen wir hier auf der Achse???? Seit Monaten unterstützen wir BR ebenfalls durch unsere Kommentare. Schade, dass niemals öffentlich bekannt wird, WIE VIELE WIR SIND!!!

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