Thilo Schneider / 23.06.2018 / 14:00 / Foto: Pixabay / 7 / Seite ausdrucken

Thilos WM-Tagebuch (6)

Ich konnte jetzt leider die letzten beiden Tage nicht aufschreiben, weil ich doch in Hurghada bin. Das liegt in Ägypten am Roten Meer und galt früher mal als Tauchparadies, bis sie die Pauschaltouristen wie mich, die Spanien nicht mehr wollen und von der Türkei nicht mehr gewollt werden, ins Land gelassen haben. Seitdem läuft in den Speisesälen Ägyptens ein kleiner Wettbewerb, wer die besseren Pyramiden baut. Die Ägypter in der Antike oder russische Touris heute am Buffett. Ich würde mal auf 5:0 für die Russkis tippen, aber das Spiel war ja schon.

Leider habe ich deswegen nur das Spiel Argentinien gegen Kroatien live verfolgen können, weil die nur das gezeigt haben und ich zu geizig für WLAN war, um mir die anderen Partien auf dem Ipad anzuschauen. Von den anderen Ergebnissen habe ich mich von einer hier im Hotel lärmenden Minigang von Deutsch-Libanesen eher unfreiwillig informieren lassen. Die waren nicht zu überhören, hamdullilah. Außerdem habe ich Urlaub.

Und von dem "Spiel" der Albi Celeste wusste ich auch nur deshalb, weil unsere kroatische Tischnachbarin jubelnd aufgesprungen ist, als der entfernte Lautsprecher der Live-Übertragung am Strand augenscheinlich das 1:0 verkündete und sie ihren Lover hockenließ, um sich den Rest des Spiels anzusehen. Da meine Gefährtin und ich schon fertig mit Essen und Romantik waren, sind wir ihr gefolgt. Ich kann das zugeben. Na gut, eigentlich bin ich ihr gefolgt und meine Gefährtin mir, hinter ihr dann der Galan der Kroatin. Also wie auf'm Platz.

Der „jedsch exdrem foggusierte DeEfBe-Dräner“ 

Jedenfalls konnte ich so schön mit angucken, wie Kroatien Argentinien schlägt, dafür die Argentinier die Kroaten schlagen (die Argentinos machen immer ein Drama, wenn sie hinten liegen), wie Maradonna heult (warum quälen sie den alten Mann jedes Mal so) und wie die Kroatin ihren Begleiter schlägt, der sie zurück an den Platz zerren will, wegen der Urlaubsromantik und so. Im Endergebnis stehen die Argentinier jetzt vor dem Spiel gegen Südkorea mit dem Rücken zur Wand, aber das kennen sie ja noch aus Pinochets Zeiten der Militärdiktatur (wie alt bin ich eigentlich, um mich daran noch ohne Google zu erinnern?). Gut, die Kroaten sind aber auch ein unangenehmer Gegner, wie das auch die Deutschen sicher bestätigen können... Die ganzen "Itschs" haben gekämpft, als ginge es um die Loslösung von Serbien, und so wurde aus Messi eine "mess" (auf dieses Wortspiel freue ich mich schon seit Beginn der WM). 

Im WM-Fieber bin ich also immer noch nicht, zumal das, was die Ägypter als Trinkwasser bezeichnen, derzeit meine Därme reinigt und ich gefühlt mehr Kohletabletten in mich reinstecke, als sie in Essen je gefördert haben. Der Reiseprofi spricht hier auch vom "Fluch des Pharaos", und ich bin auch zerstochener als die Reifen eines vor der "Roten Flora" geparkten Porsche Cayenne. 

Höre ich mich ansonsten bei der hier mit mir hausenden und schmausenden Arbeiterschaft mit teuren Tattoos um, dann haben Özil und Gündogan hier wenig Freunde, Boateng und Sane hingegen haben sie, aber Sane ist ja nicht einmal im Kader. Und signiert keine Trikots. Die Hoffnung der Internationalmannschaft ruht jetzt auf den "Führungsspielern" wie beispielsweise, äh, ehm, dem Dings. Jedenfalls wird Reus wohl in der Startelf gegen Schweden stehen und, glaubt man dem "jedsch exdrem foggusierten DeEfBe-Dräner", der Mannschaft (ich bleibe dabei – "Gemeinschaft" wäre weniger sexistisch gewesen) den erhofften Schub "nach vorne" geben. Oder nach hinten. Oder wo die Schweden am Samstag auch immer sein werden. Am besten für die "Mannschaft" wären sie allerdings in Stockholm. Dann könnten Özil und Gündogan endlich ihr Entschuldigungstor schießen. Ganz ohne lästiges Mannschaftsspiel. 

Es ist nun alles "eine Frage der Modivazion", wie der Bundeschtrainer badensert, denn "der Sieg muss im Kopf stattfinden", wie die allenthalben von der Presse herbeigezauberten "Motivationsexperten" und Schnellrestaurantpsychologen erklären.  Ich würde ja empfehlen, dass Horst Seehofer mit einem Einreiseverbot droht, sollte "die Mannschaft" in der Vorrunde 'rausfliegen, aber erstens ist Horst Seehofer so ernst wie der Räuber Hotzenplotz im Kasperletheater zu nehmen, zweitens geht das eh nur gesamteuropäisch, drittens fragt sich, wo das im Jahre 2018 in Deutschland eine Strafe sein soll. Fussballer werden überall gesucht. Erst recht von Diktatoren. Özil schweigt dazu und der FOCUS erklärt die Diskussion nun für beendet. 

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Leserpost

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Erwin Obermaier / 23.06.2018

Also uns geht es ähnlich. Seit Erdogan die Türkei in eine islamische Diktatur umbaut aber al-Sisi die Muslimbruderschaft zur terroristischen Vereinigung erklärt hat, sind wir lieber in Ägypten denn in der Türkei. Gegen den “Fluch des Pharaos” hilft Antinal und Zähneputzen mit Mineralwasser. Für die Romantik hilft ..., aber lassen wird dies an dieser Stelle besser. Ich hätte auch noch einen Hoteltipp gegen Lebensmittelpyramidenbau, aber ich will hier keine Schleichwerbung machen, bin aber gerne bereit, meinen Hauptaufenthaltsort in Hurghada per Email weiterzugeben. So, und jetzt schaun wir mal was heute Abend passiert. Ich habe nicht gedacht, daß die Internationalmanschaft so schnell ins Endspiel kommt. Und amit wünsche ich Ihnen “happy grilling” bei 45°C+ und einen erholsamen Urlaub und ich freue mich schon auf Thilos WM-Tagebuch (7).

Frank Dieckmann / 23.06.2018

Googeln wäre besser gewesen. Der Diktator hieß Jorge Rafael Videla! Pinochet war Chile. Dicht daneben ist auch vorbei.

Dieter Werner / 23.06.2018

Langsam fange ich an zu fiebern, dass die Gemeinschaft es bis zum Endspiel schafft. Nicht wegen dem Fußball, ich bin als Norddeutscher eher Handballfan, aber damit diese Reihe weiter fortgesetzt wird. Lange nicht mehr so gelacht.

Wolfgang Richter / 23.06.2018

Schönen Gruß ins selbst gequälte Urlaubsland. Hier ist es derzeit kühl und somit Mückenpause. Und das Wasser macht auch keinen Vorratskauf an Kohletabletten nötig, eher das bisherige Auftreten der Löw-Truppe bei manchem die Nutzung von Aspirin, was sich erledigen dürfte, wenn der Auftritt gegen die Schweden genauso emotionslos verläuft, wie gegen Mexiko. Dann wird auch für die Fußball-Masochisten Urlaub in locker gelöster Stimmung Programm.

Jörg Steenbeck / 23.06.2018

Argentinien spielt nicht gegen Südkorea!!!

Volker Kleinophorst / 23.06.2018

Na ganz ohne google geht das mit dem Erinnern wohl nicht mehr. Pinochet war Chile. (So was passiert mir allerdings auch gerne mal.)

Michael Glatz / 23.06.2018

Argentinien gegen Nigeria, lieber Herr Schneider.

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