Thilo Schneider / 18.06.2018 / 08:01 / Foto: Pixabay / 19 / Seite ausdrucken

Thilos WM-Tagebuch (4)

Ich habe mir bei Aldi Deutschlandchips und Deutschlandbier und Cola-Büchsen mit „Hol Dir Jogis Lieblingsspieler“-Aufdrucken gekauft, aber das WM-Fieber will und will mich nicht packen. Ich habe gedacht, beim „Public Viewing“ könnte das besser werden, aber da waren nur ein paar türkische Fans mit ihren Fahnen, und alles, was an Mexikanern bei uns im Schtetl gestrandet ist. Eigentlich hätten wir alle Einen essen gehen können, und so habe ich das Public Viewing zugunsten eines Private Viewing fallen lassen. Wenn ich dann muss, dann muss ich wenigstens kein Dixi-Klo benutzen.

Vielleicht liegt es auch daran, dass ich von Gündogan kein Shirt mit Widmung („Für meinen Lieblingsautoren“) bekommen habe, ich weiß es nicht. Oder doch, ich weiß es: Mich ärgert das Mimimi des DFB und von Löw, und ich kann und will mich nicht mit einer „Mannschaft“ identifizieren, die Söldner in ihren Reihen duldet, deren Loyalität einer anderen Farbe gilt. Da bin ich sehr old style. Ich würde ja auch einen Mitarbeiter entlassen, der lieber woanders arbeiten möchte. Ich bin gespannt, wie lange Merkel noch „mit diesem Mann zusammenarbeiten“ möchte. Und da meine ich nicht Seehofer, sondern Niersbach, den DFB-Präsidenten. Obwohl... die Kanzlerin hat ja auch in der ehemaligen Nationalmannschaft „eine gesamteuropäische Lösung“ gesucht.

Der WM-Tag beginnt heute mit dem Kracher Costa Rica gegen Serbien, eine der Partien, die außer Serben und Costa-Ricanern nur Talentscouts interessiert, die noch Spieler für den 1. FC Fredenbeck oder die Alemannia Mariendorf suchen. Fündig könnten sie bei Aleksandr Kolarov werden, der das einzige Tor dieses traurigen Regionalligakicks erzielt und die Serben als Sieger vom Platz gehen lässt. Ich kann’s nicht kommentieren, ich bin ja nur wegen des Torjubels zwischendurch aufgewacht.

Meine leider total rechtzeitig verstorbene Oma

Im zweiten Spiel des Tages stehen sich endlich der Titelverteidiger und Mexiko gegenüber. Ein Spiel, das Leidenschaft, Kampf, Hingabe, Tempo und Schnelligkeit verspricht. Und zwar auf Seiten der Mexikaner. Hätte die Nationalmannschaft gespielt, dann hätte ich mich vielleicht geärgert, aber so war es ja nur „die Mannschaft“, die sich ihrer Trikotfarben schämt. Meine leider total rechtzeitig verstorbene Oma hat immer gesagt: „Wenn Du nichts Positives zu sagen hast, dann sag lieber gar nichts.“ Allerdings war meine Oma auch geschieden und konnte ein echtes Ekel sein, deswegen ist es mir völlig egal, was sie zu sagen hatte. Trotzdem wollen wir ja positiv bleiben. Und das ist durchaus möglich:

„Die Mannschaft“ hat nämlich sehr integrativ gespielt. Alle zehn Mann und vielleicht auch Plattenhardt, hätte er mal den Ball gekriegt. Immer wieder bekommen sowohl Özil als auch andere Nicht-Mannschaftsmitglieder den Ball, um Wertschätzung und Respekt auszudrücken. „Die Mannschaft“ ist nämlich sehr nett und sieht gut aus, und alle Frisuren haben bis zum Schluss gehalten. Haltung ist heutzutage sehr wichtig. Özil hat das heute eindrucksvoll unter Beweis gestellt und seine Antwort auf dem Platz gegeben. Leider war von der Antwort nichts zu hören, aber dafür war von ihm ja auch nichts zu sehen, da gleicht sich das aus. Wahrscheinlich wollte er lieber Türken als Deutsche anspielen, aber da war er ja alleine auf dem Platz. Gündogan war vermutlich am T-Shirt-Signieren.

Aber natürlich waren trotzdem alle Sympathien bei dem vermeintlich schwächeren Gegner, nämlich bei Jogis Jungs. Und weil heute der ehemalige „Tag der Einheit“ ist, gerät die ehemalige Nationalmannschaft auch prompt nach 35 Minuten mit 1:0 ins Hintertreffen. Und die deutschen Zuschauer sind endlich einmal einheitlich einer Meinung: nämlich dass das verdient ist. Von den Mexikanern.

Es ist trostlos, was sich danach auf dem Platz tut. „Die Mannschaft“, deren nationaler Vorgänger sich die Weltmeisterschaft erspielt hat, paddelt vor sich hin, es hagelt Fehlpässe, das Spiel ist langweilig, dröge und witzlos – zumindest für einen Freund „der Mannschaft“. Wer heute Abend Mexikaner ist, der hatte viel zu lachen und zu feiern. Einen derart zerfahrenen Hühnerhaufen hat man von einer deutschen Nationalmannschaft selten gesehen.

Früher als „die Panzer“ bezeichnet, heute „die Pussies“

Aber die steht ja auch nicht auf dem Platz. Bei der „Mannschaft“ läuft eben ein ganz anderer (Werbe-)film. Fazit: Früher wurde die Nationalmannschaft von der internationalen Sport- und Schrottpresse respektvoll und auch ein wenig ängstlich als „die Panzer“ bezeichnet, heute dürfte „die Pussies“ noch eine der netteren Bezeichnungen sein. Und da nehme ich Toni Kroos und Marko Reus ausdrücklich aus. Wenigstens die beiden haben es ehrlich versucht. Aber man muss sich auch nicht wundern: Wenn die deutschen Fans eben die repräsentativste und politisch korrekteste „Mannschaft“, die Deutschland je hatte, nicht bedingungslos unterstützen, dann muss man sich auch nicht wundern, wenn die Internationalspieler keine Lust haben, sich die Frisur in Zweikämpfen kaputtzumachen. Wofür auch? Nur, dass es wieder „soundso“ heißt?

Im letzten Spiel des heutigen Tages treffen sich Brasilien und die Schweiz. Die Schweizer Nationalmannschaft heißt übrigens im Volksmund „die Nati“, was aber „Natzi“ gesprochen wird, etwas, das in Deutschland undenkbar wäre und zu kopfsteinpflasterfliegenden Demos führen würde. Die brasilianische Mannschaft wird gerne auch „Selecao“ genannt, was „Selesau“ ausgesprochen wird, da ist das wie bei den Argentiniern. Das bedeutet „Auswahl“ und ist wie eine Packung „Merci“-Schokolade. Die „Selecao“ hat sich versehentlich mal 7:1 von den „Panzern“ überrollen lassen, aber den Schock besser als die damaligen Sieger verdaut.

Pflichtgemäß erledigen die Brasilianer nach 20 Minuten ihr 1:0 und verwalten bis zur Pause ihr Ergebnis besser als das BAMF seine Asylanerkennungen. Die Eidgenossen haben zwar wenig Chancen, stürmen aber immer wieder wacker an, wie sich das für „Natzis“ gehört. Augenscheinlich spielen die Schweizer auch die Halbzeit durch, denn als die Brasilianer mental wieder auf den Platz kommen, haben die Schwytzr bereits in der 50sten Minute zur Überraschung aller schon auf 1:1 ausgeglichen.

In der Folge stellt sich die Frage, ob die Brasilianer nun die in den roten oder die in den gelben Trikots sind, so gut und clever halten die Schweizer mit und kommen gefühlt zu mehr Chancen als die Brasilianer. Natürlich haben die Eidgenossen nicht die spielerischen Qualitäten der Brasilianer – das ist aber nicht schlimm, da die Brasilianer auch nicht die spielerischen Qualitäten der Brasilianer haben. Und so sehe ich als Unbeteiligter eine muntere Partie, die trotz nur zweier Tore so viel Spaß macht, dass sich selbst der Schiedsrichter weigert, das Spiel abzupfeifen. Als nach für Schweizer Uhrwerkspräzision ewig langen 96 Minuten endlich der Schlusspfiff ertönt, ist die zweite Überraschung des Tages perfekt: Die tapfere Nati trotz der Selecao ein überraschendes 1:1 ab.

Im Endspiel um die deutsche Kanzlerinnenschaft ist das Ergebnis nach wie vor offen: Horst Seehofer kann jedenfalls „nicht mehr mit dieser Frau zusammenarbeiten“, und es bleibt spannend, wann er die Kanzlerin entlässt. Özil möchte sich hierzu nicht äußern. Wolfgang Niersbach erklärt deshalb die Diskussion für beendet. Basta!

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Volker Seitz / 18.06.2018

@Wilfried Cremer In Frankreich wird die deutsche Nationalmannschaft schon seit Jahren als „Le Mannschaft“ bezeichnet. Die Häme über die gestrige Niederlage hält sich übrigens in den französischen Medien in Grenzen. Dies liegt vielleicht daran, dass „Le Bleu“am Samstag nur mit Mühe gewonnen haben.

Thomas Lechtenberg / 18.06.2018

Breaking news: Wolfgang Niersbach ist nicht mehr Präsident des DFB….....;)

Thomas Weidner / 18.06.2018

Wettbewerb ist asozial, da es spielbedingt einen Verlierer (selbst bei “unentschieden” gibt es eine bessere und eine schlechtere Mannschaft) und letztlich sogar ein Ranking geben wird. Dabei sein ist alles - und hinterher liegen sich alle Spieler in den Armen und weinen vor Freude… Gutmenschentum Ende.

Dr. Michael Bauer / 18.06.2018

Grindel, Thilo, nicht (mehr) Niersbach! Es wäre zu schön, wenn das analog auch auf (nicht mehr) Merkel zuträfe..

Marc Hofmann / 18.06.2018

Mir ist ja beim Fussball Schauen die Galle hochgekommen, wie ich im Stadion die Deutschland Fahnen MIT DFB LOGO gesehen habe….haben alle ihre DFB LOGO Deutschland Fahne geschwenkt…wie bei allen Sozialistischen Massenveranstaltungen im gleichklang-gleichschritt und Einheits LOGO geklatscht…ob nun im braunen im tief roten oder eben jetzt im Grünen SOZALISMUS….alles muss sich der jeweiligen Gesinnung unterwerfen…als nächstes werden dann die Deutschland Fahnen mit DFB Logo durch die Multikulti Regenbogen Fahne ersetzt…kein wunder, dass die Spieler nicht mehr wissen warum und für wem Sie da auf einer WM oder EM spielen…für Deutschland und die Nation auf jeden Fall nicht mehr!

Wilfried Cremer / 18.06.2018

Es heißt übrigens “Die Mannschaft” nicht weil eine Scham getriebene Selbstverstümmelung stattgefunden hat, sondern weil vor Jahren mal irgendein amerikanischer Journalist das Wort schick fand und der DFB in internationalistisch unterwürfiger Schleimerei den Begriff übernahm.

Christian Fischer / 18.06.2018

Ist das irgendein Insider mit dem Niersbach, den ich nicht verstehe?? Der Präsident heißt Grindel!

Michael Scheffler / 18.06.2018

Lieber Her Schneider, für kleinkläubige Menschen wie Sie (und mich) hat das ZDF in seiner Serie “history” (früher hieß so was wohl mal “Geschichte”). Die gesellschaftspolitische Einordnung der Mannschaft vorgenommen. Wir müssen nur fest genug daran glauben, dan wird das schon was. Frei nach AM: “Wir schaffen das!”

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Thilo Schneider / 30.01.2024 / 16:00 / 20

Jahrestag: Die Schlacht von Stalingrad geht zu Ende

Heute vor 81 Jahren ernannte Hitler General Paulus, der mit seiner 6. Armee in Stalingrad dem Ende entgegensah, zum Generalfeldmarschall. Denn deutsche Generalfeldmarschälle ergaben sich…/ mehr

Thilo Schneider / 26.01.2024 / 16:00 / 20

Anleitung zum Systemwechsel

Ein echter demokratischer Systemwechsel müsste her. Aber wie könnte der aussehen? Bei den Ampel-Parteien herrscht mittlerweile echte Panik angesichts der Umfragewerte der AfD. Sollte diese…/ mehr

Thilo Schneider / 18.01.2024 / 16:00 / 25

Neuer Pass für einen schon länger hier Lebenden

Ich will einen neuen Reisepass beantragen. Doch um ihn zu bekommen, soll ich den abgelaufenen mitbringen, ebenso meine Heiratsurkunde und Geburtsurkunde. Warum muss ich mich…/ mehr

Thilo Schneider / 16.01.2024 / 15:00 / 73

Zastrow-FDP-Austritt: „Ich will den Leuten noch in die Augen schauen können“

Holger Zastrow, Ex-Bundesvize der FDP, kündigt. In seiner Austrittserklärung schreibt er: „Als jemand, der in der Öffentlichkeit steht und durch seinen Beruf mit sehr vielen…/ mehr

Thilo Schneider / 11.01.2024 / 14:00 / 64

Was würden Neuwahlen bringen?

Kein Zweifel, die Ampel hat fertig. „Neuwahlen!“ schallt es durchs Land, aber was würden die angesichts der aktuellen Umfrageergebnisse bringen, so lange die „Brandmauer“ steht…/ mehr

Thilo Schneider / 10.01.2024 / 14:00 / 35

Das rot-grüne Herz ist verletzt

Die Leute begehren auf, vorneweg die Bauern. Es wird viel geweint. In Berlin, Hamburg, München und Stuttgart. Aus Angst. Aus Angst, von den Futtertrögen des…/ mehr

Thilo Schneider / 24.12.2023 / 12:00 / 25

Meine Agnostiker-Weihnacht

Herrgottnochmal, ich feiere tatsächlich Weihnachten. Wenn es doch aber für mich als Agnostiker eigentlich „nichts zu feiern gibt“ – warum feiere ich dann? Die Geschichte…/ mehr

Thilo Schneider / 02.12.2023 / 12:00 / 15

Jahrestag: High Noon bei Austerlitz

In der auch „Drei-Kaiser-Schlacht“ genannten Schlacht in Mähren besiegt Napoleon Bonaparte am 2. Dezember 1805, genau ein Jahr nach seiner Kaiserkrönung, eine Allianz aus österreichischen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com