Thilo Schneider / 16.06.2018 / 08:02 / Foto: Pixabay / 7 / Seite ausdrucken

Thilos WM-Tagebuch (2)

Ich bin immer noch nicht in WM-Laune. Derzeit finde ich das Endspiel um die Deutschlandmeisterschaft zwischen dem VfS („Verein für Seehofer“) München gegen den 1. FC („Fanclub“) Merkel viel spannender. Bisher ist die Partie da von vielen Fouls, miesen Fehlpässen und überharten Einsätzen geprägt und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis einer der Spitzenspieler mit einer Roten Karte (von der SPD) vom Platz fliegt.

Ich glaube nicht, dass das Match diesmal Unentschieden ausgeht, aber falls doch, dann wird es zuerst in die Verlängerung und anschließend in die Wahlwiederholung gehen. Ja, ich bin fast geneigt, mir eine blau-weiße Rautenfahne (so als Kompromiss zwischen beiden Mannschaften) ans Auto zu hängen, aber die gibt es leider nicht bei Aldi kostenlos zum Bierfässchen dazu. Aber da bin ich derzeit wirklich am Mitfiebern. 

Ansonsten ist das sehr ärgerlich, dass ich mittags um 14.00 Uhr arbeiten muss. So entging mir bei der weltgrößte Fußballmesse  das absolute Topspiel der Uruguayer (nennt man die so?) gegen die Ägypter (die nennt man so). Wenn ich das richtig verstanden habe, dann haben die Ägypter einmal mehr den Nachweis erbracht, dass das Bauen von Pyramiden einfacher ist als ein Spiel gegen den Fifa/CocaCola-Weltranglistenvierzehnten (die Liste heißt zu meiner Überraschung tatsächlich genau so) zu gewinnen.

Presseberichten zufolge wären das grauenhafte 89 Minuten Lebenszeit gewesen, die ich da verschwendet hätte, hätte ich mir diesen Grottenkick angetan. Das Tor fiel erst, als die völlig platten Ägypter schon so halb vom Platz waren. Manchmal hilft das ja beim Einlochen, wenn kein Gegner auf dem Platz ist. Angela Merkel kennt das ja auch aus 13 Jahren Kanzlerscha… Moment! Ich soll doch hier nicht über Politik reden! Ist doch Sport! Ist was ganz anderes. Immerhin: vielleicht ist es doch nicht so ärgerlich, dass ich mittags um 14.00 Uhr arbeiten muss. 

Godzilla gegen Barbie

Im zweiten Match des Tages treffen gleich zwei ramadangeschwächte Mannschaften am Zuckerfestday zusammen. Marokko gegen Iran. Sunniten gegen Schiiten. Nordwestafrika gegen Vorderasien. Rot gegen weiß. Godzilla gegen Barbie. Die Marokkaner legen nämlich los wie die Feuerwehr und stürmen die etwas konsternierten Perser in Grund und Boten. Böse Zungen behaupten ja, die Marokkaner hätten es vielleicht mit dem Essverbot im Ramadan nicht so genau genommen, und ich könnte mir vorstellen, dass so etwas durchaus auch einmal vor einem Dopinggericht landet. Auf jeden Fall fliegen den armen Iranern die Bälle nur so um die Köpfe, aber ach… die Marokkaner können sicher viel – sie treffen nur leider nicht das Tor. Trotzdem, und daher dauert es satte 42 Minuten, bis der erste wirklich nennenswerte iranische Angriff vor das marokkanische Tor kommt. Nutzt aber da auch nix, weil die Iraner auch nix können. Deswegen geht es torlos in die Halbzeit. Aber es war wenigstens munterer als die Oppositionsarbeit der Grün_Innen*. Obwohl – so schwer ist das ja auch nicht.  Verdammt, ich bin schon wieder bei der Politik…

Auf jeden Fall kommen die Mannschaften – anders als nach der letzten Damenwahl in Deutschland – unverändert auf das Feld der Ehre. Die Marokkaner stürmen, wie schon in der ersten Halbzeit, munter drauflos, scheitern aber jedes Mal wieder an der Unfähigkeit, den Ball auch einzulochen. Auch das kennen wir in Bayern von der CSU recht gut (ich kann’s mir nicht verkneifen...). Nach 60 Spielminuten machen sich allerdings bei beiden Mannschaften langsam Ermüdungserscheinungen bemerkbar, die Spieler fallen reihenweise um, und ich schreibe jetzt ausnahmsweise nichts über die SPD, obwohl ich gekonnt hätte.

Beide Trainer begnügen sich damit, ihre Spieler auszuwechseln, damit überhaupt Bewegung auf dem Rasen ist. In der Nachspielzeit wechseln die Marokkaner plötzlich die Taktik, wenn sie schon nicht das iranische Tor treffen, dann nehmen sie eben das eigene, und so steht es plötzlich 1:0 für den Iran, als der Schiedsrichter schon auf seiner Pfeife herumkaut. Der Iran gewinnt somit unverdient gegen unverdrossene Marokkaner, aber der Fußballgott hat seine eigene Agenda, und die ist nicht immer gerecht.

Apropos Fußballgott: Das letzte Spiel des Abends ist dann eher nebensächlich, es spielen nur Ronaldo und zehn andere Personen gegen Spanien, das hat man in Europa ja jeden Tag. Die einzige Neuigkeit ist, dass die Spanier ihren bisherigen Trainer gefeuert haben (Gerüchten zufolge ist er nach Deutschland geflohen) und einem neuen Mann die Chance geben, das spanische Fußballspiel zu ruinieren.

Wir bilden zu dritt einen Fußgängerkorso

Es geht auch gleich gut los, in der dritten Minute purzelt Ronaldo im spanischen Strafraum über einen Nacho und bekommt einen Elfmeter zugesprochen, den er, weil er kein Engländer ist, auch brav verwandelt. 1:0 für Ronaldo. Die Portugiesen beschließen, dass das erst einmal genug Arbeit war, denn die Spanier müssen ja jetzt kommen, was sie auch tun. Trotzdem dauert es noch satte 21 Minuten, bis die Spanier sich zuerst mit einem saftigen Ellbogencheck von Costa gegen irgendeinen von Ronaldos Personal und anschließend mit dem Gegentor revanchieren. Wie das ökonomischer geht, haben aber heute schon der Iran und Uruguay vorgemacht. So etwas genügt auch noch in der Nachspielzeit. Trotz des Ausgleichs bleiben Ronaldos Jungs allerdings mediterran entspannt und begnügen sich beim fast einzigen Vorstoß in die spanische Hälfte nach weiteren 20 Minuten mit dem erneuten Führungstreffer. Und dreimal dürfen Sie raten, wer der Torschütze ist, die anderen Namen müssen Sie sich eh nicht merken. Danach geht Ronaldo grinsend in die Halbzeit.

In der zweiten Hälfte bleiben die Portugiesen wieder locker, während die Verzweiflung die Spanier zu Höchstleistungen treibt. Schließlich rächt sich der Schlendrian der westlichsten Europäer, und die Spanier machen nach 10 Minuten mal wieder den Ausgleich. Die Selesau (oder so) ist von dieser Unverschämtheit derart überrascht, dass sie gar nicht bemerkt, dass sich ihr Gegner nach nur drei Minuten schon wieder vor dem eigenen Strafraum befindet. Während also in Villabajo noch getrauert wird, ist Villarriba schon wieder vor dem Tor, und Team Ronaldo kassiert das 3:2. Und wenn ein Tor einem Spiel nicht gut getan hat, dann war es dieses. Bis zur 70sten Minute tut sich dann auch nicht viel, die Portugiesen sehen den Spaniern beim Ballschieben zu, die Trainer vertreiben  sich die Zeit mit Nasenbohren und Auswechslungen. Was will man auch sonst machen? Es nähert sich die 90ste Minute. Die Zeit, in der bisher knapp 50 Prozent aller Tore gefallen sind. Die Spanier lassen sich von der Behäbigkeit der Portugiesen mehr als die CDU von Merkel einlullen, und so steht in der 88sten Minute plötzlich wieder er, dessen Namen Sie sowieso wissen, vor dem spanischen Tor und tut, was er immer tut und trifft zum Ausgleich. Zur Strafe gibt es fünf Minuten obendrauf, diesmal verweigert aber Spanien das Mitspiel, und er, dessen Namen Sie wissen, fällt jetzt auch vor Erschöpfung um. Schlusspfiff  und Ronaldo ist Torschützenkönig der bisherigen WM.

Ich winke meinen portugiesischen und spanischen Nachbarn zu, und wir treffen uns unten beim Spanier an der Ecke zu Cataplana und Paella. Wir bilden zu dritt einen Fußgängerkorso und rennen um die Fußgängerampel vor der Kneipe. Das hat Spaß gemacht.

Angela Merkel ist immer noch Kanzlerin. Özil möchte sich dazu nicht äußern, und Bierhoff erklärt die Diskussion jetzt für beendet. Die Internationalmannschaft muss sich in Ruhe vorbereiten. Basta!

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Leserpost

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Hubert Bauer / 16.06.2018

Ein hervorragender Artikel, wie auch schon der erste Teil vom WM-Tagebuch. Aber als patriotischer Bayer muss ich drauf hinweisen, dass die Farben des Freistaates Bayern nicht Blau-Weiß, sondern Weiß-Blau sind. (“Blau und Weiß - sagt der Preiß”).

Gabriele Schulze / 16.06.2018

Sitze gerade beim Lesen Ihres Textes dümmlich grinsend in der Öffentlichkeit - sehr schön!!

Rolph Martin / 16.06.2018

Lieber, sehr geehrter Herr Schneider! Ein herzliches Dankeschön für diese grandiose Idee des WM-Tagebuches! So erhalten auch wir unsere tägliche Dosis Fussball in stark gekürzter, aber würziger Form. Meine Nicht-mit-der-Internationalmannschaft mitfiebernde Familie freut sich auf eine weitere spannende Berichterstattung und würden auch über ein frühzeitiges Aus der Menschenschaft nicht traurig sein, da gewiss ist, dass Sie sich dann umso engagierter dem Endspiel VfS München gegen 1. FC Merkel widmen können. Herzlichste Grüße aus der Ukraine!

Ute Dauge / 16.06.2018

Mir geht es genauso wie Herrn Schneider. Die Fußballspiele sind nicht annähernd so interessant wie die politischen Spielchen in Berlin. Ich fürchte, es wird aber wieder ein Unentschieden geben, weil Herr Seehofer erneut einknickt und die Kanzlerin sich keinen Millimeter bewegt. Ich bin diese Grottenkicks leid und wünsche mir mal wieder Leidenschaft und Engagement auf dem politischen wie auf dem Fußballfeld.

Thomas Weidner / 16.06.2018

Der ist gut: “Internationalmannschaft” als Umschreibung für Söldnertruppe, die rein für Geld spielt und mit dem Land, für welches sie spielt, wenig bis absolut nichts zu tun haben will.

Fritz Kolb / 16.06.2018

Sehr witzig geschrieben, und zutreffend obendrein. Ich bin auch verwundert, dass Merkel immer noch Mannschaftskapitän ist, mit so vielen Fehlpässen wären alle ihre Vorgänger längst vom Platz genommen worden.  Aber Jogi ist nun mal ihr größter Fan. Und ja, Ronaldo ist wirklich der Größte.

Dietrich Herrmann / 16.06.2018

Ja ja, zwei Ronaldo-Schwälbchen (vorm Elfmeter und vorm Freistoß) - wozu haben die dort eigentlich den Video-Schiedsrichter? Ich glaube der pennt. Aber so gerecht geht’s eben nur beim Fußball zu. Apropos: Kann Merkel auch schwalben???

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