Archi W. Bechlenberg / 23.05.2021 / 06:05 / Foto: Wildermann / 21 / Seite ausdrucken

The Oyster is my world – “Wir leben im besten Deutschland, das es jemals gegeben hat”

Ich weiß, die Leser meiner Kolumne lieben vor allem die an Absurdität oft kaum zu übertreffenden Überschriften und Zwischenüberschriften. Dabei sind nahezu alle keineswegs meiner Fantasie entsprungen. „Die Klinik hat mein Gebiss verschlampt!“ ist ebenso authentisch wie „Büne Huber will zu Fürzen Tiktoktanzen“ oder „Tiktokerin zeigt ihren Blähbauch und geht damit viral“ oder „Sperma schützt vor Depressionen“. Im äußersten Fall sortiere ich schon mal ein wenig um oder verknüpfe zwei Headlines aus der Knallpresse zu einer. Aber das Meiste ist echt.

Da dies heute die zwanzigste Folge der Auster ist, habe ich mich entschlossen, aus diesem feierlichen Anlass den Ordner mit besonders abstrusen Überschriften und Aussagen, die ich bis heute finden konnte, zu öffnen und daraus zu schöpfen. Mit der Hauptüberschrift habe ich die Latte bereits erkennbar hoch gelegt. Ob das noch zu toppen ist, muss sich zeigen. (Pssst: Die Antwort lautet „Nein!“)

„Sommer kann ganz gut werden in Deutschland“

So der bekannte Wetterfrosch Christian Drosten. Dessen Prognosen sind bekanntlich unfehlbar. Natürlich meint Drosten nicht den Sommer als Jahreszeit, sondern als Pandämieabschnitt. Eigentlich kann man die alten Bezeichnungen für den Jahresverlauf ganz ad acta legen. Man kann das Jahr in vier Wellen aufteilen, höchstens noch ein wenig differenzieren. „Frühsommer“ wäre dann zum Beispiel „abklingende dritte Welle“, Spätsommer dann „die nächste Welle kommt“. Im Augenblick haben wir Spätfrühling, was sich daran zeigt, dass es hier und heute 12 Grad ist, seit der letzten Nacht pausenlos regnet und ich überlege, den Für-Alle-Fälle-Heizlüfter vom Dachboden zu holen. Was etwas heißen soll, normalerweise laufe ich noch im T-Shirt herum, wenn andere Leute bereits mehrere Pullover übereinander gezogen haben. Natürlich ist mir klar, dass das seit Wochen anhaltende Herbstwetter der Erderwärmung geschuldet ist, schließlich muss man zwischen Wetter und Klima unterscheiden. Fragen Sie den Nahostexperten Greta Thunberg. Der ist ja auch in Sachen Israel auf dem Stand der Dinge.

Großbritannien als Virusvariantengebiet eingestuft 

Ach was reg' ich mich auf. Zurück in bessere Zeiten. Ein Leser hatte neulich angeregt, doch einmal so prägende TV Serien wie „Bonanza“ oder „Rauchende Colts“ zurück in die Erinnerung zu rufen. Ich muss gestehen, dass meine Eindrücke aus dieser Zeit verblasst sind. Da gab es „Fury“, ein Pferd, das über die ganze Serie hinweg von dem selben Pferd dargestellt wurde (im Gegensatz zu Hund Lassie); dann einen Waisenjungen namens Joey  und einen Rancher namens Jim Newton, der in Wirklichkeit Peter Graves hieß und ganz ganz wirklich Peter Aurness. Er war – die Nase verrät es, der Bruder von James Aurness, der eigentlich James King Aurness hieß, aber bekannt wurde unter dem Namen Matt Dillon, seines Zeichens Marschall in Dodge City. So wie Marshall Dillon ein Sidekick namens Festus Haggen beigegeben wurde, hatte auch sein Bruder Peter einen schrulligen Partner, der hieß Pete Wilkey und war der Vormann der Ranch. Peter Graves war später der Chef der Mission Impossible und noch später ein Flugkapitän namens Over, der einem kleinen Jungen seltsame Fragen stellt.

Wenn Frauen hassen – „Hühner, Schweine, Kühe melken“   

Fury hieß eigentlich Highland Dale, später auch Beauty und wurde stolze 29 Jahre alt, der Hengst bekam Fanpost aus aller Welt, überwiegend von Mädchen um die zehn Jahre alt, sie wünschten sich natürlich eigenhufig unterzeichnete Autogrammkarten. Er spielte auch in weiteren Filmen mit, darunter in „Johnny Guitar – Wenn Frauen hassen“ sowie in der Western-Serie Bonanza (was unter Experten für schauspielende Pferde allerdings nicht ganz unumstritten ist).

Bonanza. Ich konnte es nicht oft sehen; natürlich hätte ich gerne, an amerikanischen Serien war zu dieser Zeit schwerer Mangel. Doch es kam, soweit ich mich erinnere, im „Deutsches Fernsehen“ (heute: „Das Erste“; damals gab es noch kein Zweites) zu einer ungünstigen Zeit. Zunächst Samstag Nachmittag, wenn mein Vater seinen Schlaf hielt, später, nach mehrjähriger Pause, im Zweiten ab 1967 sonntags kurz nach Mittag, wenn mein Vater seinen Schlaf hielt. 

„Es hat ein bisschen Fieber und Schüttelfrost gegeben“ 

Bonanza war eine seltsame Serie. Ein Vater wohnt mit drei geschlechtsreifen Söhnen auf einem weitläufigen Anwesen im nicht wirklich wilden Westen nahe dem Lake Tahoe. Dass die drei Söhne völlig verschieden aussahen, lag daran, dass Vater Ben drei Frauen heiratete, zu Müttern machte und wieder verlor. Schnell erkannte ich als aufstrebender Pubertierender, dass es in Bonanza weniger um den Wilden Westen, als mehr um Moral ging. Das half mir, leichter über den nur seltenen Genuss der Folgen hinweg zu kommen. Geschossen wurde nicht oft, Prügeleien oder gar Schusswechsel waren fast immer Folge von Missverständnissen oder Verwechslungen. Da ging es bei Marshall Dillon in Dodge City doch deutlich lebhafter zu.

Noch moralingetränkter als Bonanza waren die Serien „Unsere kleine Farm“ und „Ein Engel auf Erden“, mit denen der Darsteller des Little Joe sich nach dem Ende von Bonanza verwirklichte. Davon habe ich nie eine Folge gesehen. Dass Bonanza Anfang 1973 beendet wurde, war eine Folge des frühen Todes von Hoss-Darsteller Dan Blocker, der mit nur 44 Jahren an den Folgen einer Operation verstarb. Ohne Hoss war die Serie für die meisten Fans nicht mehr sehenswert; zudem hatte sich bereits vorher Bruder Adam (Pernell Roberts) aus Bonanza verabschiedet, er fand die Geschichten beziehungsweise seine Rolle einfach zu doof und spielte lieber in anspruchsvolleren Produktionen wie „Die Leute von der Shiloh Ranch“, „Police Woman“, „The Love Boat“ oder „Unsere Lassie“.

Skinny-Jeans und Vokuhila verboten 

Um meine Erinnerung aufzufrischen, machte ich mich online auf die Suche nach Bonanze-Folgen, und bereits beim ersten Fund musste ich schlucken. „Dark Star“ heißt die Folge, in der sich Little Joe in eine hinreißende junge Frau verliebt, die er quasi gefunden hat. Ein Ereignis, das sich auch hierzulande, zum Beispiel in Köln Ehrenfeld, wieder zutragen kann, ist die Schöne doch auf der Flucht vor einem Wolf gestrauchelt und ohnmächtig liegen geblieben. Zwar ein gefallenes Mädchen also, aber nicht von der Sorte, wie man sie im Silver Dollar Saloon von Virginia City antrifft. Joe verjagt die Bestie, birgt die Verletzte und bringt sie auf die Ponderosa Ranch. Zunächst hält man sie für eine (Achtung!) Indianerin, es stellt sich aber heraus, dass der Fall noch viel ernster ist: Sie ist eine (Achtung! Achtung!) Zigeunerin. Joe macht das nichts aus, Pa hingegen ist weniger begeistert, schließlich haben die Landstreicher nicht nur seinen Grund und Boden betreten, sie klauen auch noch wie die Raben. Man stelle sich nur vor, so etwas würde heute gedreht! Da kann man sich doch eher Mel Gibson in der Rolle von Moshe Dajan oder Bruce Willis als Martin Luther King vorstellen.

Natürlich wird nichts aus der Liebelei von Little Joe und der Zauberhaften; dabei muss er sogar einen messergewandten Nebenbuhler entleiben. Aber Zigeuner sind nun einmal nicht für das Leben auf einer Farm geschaffen, erst recht nicht, wenn auch noch ein tollpatschiger Chinese namens Hop Sing in der Küche das Sagen hat und damit sämtliche Klischees vervollständigt. Halt nein, noch ein Klischee oben drauf: natürlich sprach in den deutschsprachigen Folgen niemand anders als Gerd Duwner den Hop Sing, wer auch sonst. Seine bekannteste Synchronisation eines Chinesen dürfte die von Mr. Yunioshi in „Frühstück bei Tiffany's“ sein; leider online und synchronisiert nicht mehr zu finden. Wwgen Rassismus und so.

Russin tötet Ehemann mit dem Po 

Ich hätte Joe die schöne Tirza aber auch nicht gegönnt, schließlich tötet er in einer Folge meinen Lieblingsschurken Jack Elam. Wobei ich zugeben muss, dass Elam ständig getötet wird, mal von Susan Hayward, mal von Lee Marvin  oder von Miss Kitty in Rauchende Colts. Elam ist auch eine der drei Hackfressen, die zu Beginn von „Once upon a time in the West“ ihre metabolischen Prozesse einstellen müssen, dank Charles Bronson. 

Den Recherchen von Correctiv zufolge gibt es keine Belege 

Immerhin, so oft er starb, so oft erstand Jack Elam auch wieder auf. Besonders pittoresk in Cannonball Run mit Burt Reynolds. Ich habe den alten Zausel immer gerne gesehen und viele Filmliebhaber offenbar auch – Elam war als Schauspieler gut beschäftigt. Was er nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken hatte, dass er sich als Knabe mit einem Bleistift ein Auge ausstach. 

Was immer auch passiert, man weiß eben nie, wozu es gut sein könnte.

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Leserpost

netiquette:

Bechlenberg Archi W. / 23.05.2021

Zu der berühmten Anfangsszene von Once upon the time noch eine Hintergrundgeschichte. Von den drei Killern, die auf Bronson warten (Woody Strode, Jack Elam und Al Mulock) sieht man letzteren nur zweimal kurz in Großaufnahme und ab ca. 02:00 nur noch in der Totalen bzw. von hinten. Der Grund: Mulock stürzte sich mitten im Dreh aus dem Fenster seines Hotelzimmers zu Tode, vermutlich, weil ihm in der Einöde von Almeria in Spanien die Drogen ausgegangen waren. Zwei Zeugen, an deren Fenster Mulock vorbei gefallen war, bargen ihn und wollten ihn zu einem Krankenhaus bringen. Regisseur Sergio Leone allerdings stoppte die Aktion für ein paar Minuten: Mulock war nämlich in seinem Kostüm aus dem Fenster gesprungen, und das wurde noch gebraucht, um die Szene mit einem Ersatzkiller fertig zu drehen.

Paul Siemons / 23.05.2021

Fury soll später noch sein Gnadenbrot als vierte Ehefrau von Altbunsenbrenner Schröder geknabbert haben.

Mathias Rudek / 23.05.2021

Die Assoziationsketten, die Metaphern, das gebildete “Stückgut”, einfach klasse lieber Archie. Bitte machen Sie weiter.

Frank van Rossum / 23.05.2021

Greta, die Fachkraft für Klima- und Nahostpolitik hat sich ein neues Standbein erschlossen: Die Virologie. Auf N-Tv online wird sie zitiert: Der Ausbruch des Corona-Virus ist in der Lebensmittelproduktion begründet. Sicherheitshalber habe ich schnell mein Gewächshaus desinfiziert.

Hans Monikus / 23.05.2021

Wie jeden Sonntag war die Kolumne mal wieder Anlass durch alte Filmclips zu surfen. Also nicht Bonanza, das war was für uns Kinder vor dem Schlafengehen. Lieber die Spaghetti Western. Hier natürlich durch die Initialzündung Jack Elam in Once Upon A Time In The West, der Film wirkte selbst in den späten 70ern noch. Nicht nur die schöne und grandiose Schauspielerin Claudia Cardinale weckt Erinnerungen sondern natürlich all die harten Burschen, die es allein gegen die Autorität aufnahmen, ohne selbst dabei makellos zu sein. So wollten wir auch sein, wir pubertierende Jungmänner und -frauen. In einem Wohlstand Nachkriegsdeutschland aufgewachsen, deren jüngste Vergangenheit der pure Horror war und sowas wie Ehre, Treue und Selbstdisziplin verständlicherweise verpönt. Scheinbar sehnten wir uns trotzdem danach in all den verfallenden traditionellen Strukturen auf dem Weg nach etwas ganz Neuem. Niemand hat uns aber gesagt, wie das aussehen soll und wir selbst haben es auch nicht gewusst, geschweige denn hinbekommen. Wir haben das daraus gemacht, was heute Realität ist. Aber irgendwie kann´s das ja net sein. Hat nun die Bonanza und Rock n Roll Generation es geschafft, die Welt besser zu machen? Also besser als die ihrer Väter, nicht der Großväter, das war keine Kunst. I doubt it. Immerhin toppt unser Versagen die nächste Generation, also unsere Kinder. Es wird ein langer Weg. Persönlich glaube ich sowieso nicht, dass dieser jemals in irgendwas Besseren endet. Daher bin ich rückblickend froh im Zeitfenster dieser kaputten heilen Welt aufgewachsen zu sein, wo es einmal einen kleinen Ausblick auf eine bessere Zukunft gab. Eine Hoffnung im ansonsten seit Menschengedenken gleichen Ablauf von Gewalt, Krieg, Unterdrückung und Elend, wo immer nur die Geld-Elite ein halbwegs angenehmes Dasein haben durfte. Unter all den totalitären Systemen und Ideologien war allein die Demokratie eine nette Idee. Hat leider auch nicht funktioniert.

Stanley Milgram / 23.05.2021

BLÖD: „Irrer Geheimplan enthüllt: Stalin züchtete Affen-Menschen für den Krieg“ ist mein Tor des Jahrhunderts. (Bonanza kam damals doch zeitgleich mit der Sportschau?)

N.Lehmann / 23.05.2021

Herr Bechlenberg, einfach Klasse!  Warum die Dummmichel nicht von #-Mutti lassen können, liegt an deren nie aufgearbeiteten pupateren Kultsendungen, wie z.B. ” Angst essen Seele auf” oder “Klein Anna Böckchen auf dem Jungfernsteg”. Ohne sorge Theater von und mit IM Erika halt.

Hans Reinhardt / 23.05.2021

Die Ponderosa-Ranch war ein Fake. Ich habe es selbst gesehen, sie war in Wirklichkeit ziemlich klein und das Obergeschoss existierte nur in einem Studio in Hollywood. Hop “Mistel Kattelwigt” Sing wohnte auch nicht dort. Die Filmbosse haben uns also schon belogen, als wir noch Kinder waren. Noch enttäuschter war ich aber, als ich vor dem Ranchhaus von “High Chapparal” stand. Das war nun richtig winzig. Blue Boy lebte also mit Vater, Stiefmutter, Onkel Buck und dem Nichtsnutz Manolito in ziemlich beengten Verhältnissen. Da konnte einem schon mal der Colt ausrutschen. Außerdem wurden sie in regelmäßigen Abständen von Apatschen belästigt. Aber egal, damals war es meine absolute Lieblingswesternserie, die Musik war der Hammer und sie war überhaupt das Härteste, was das ÖR damals in puncto Western zu bieten hatte. Soweit ich mich erinnere, kam sie immer Dienstags um 21:00 Uhr. Soviel ich weiß, steht das Ranchhaus heute noch, die Apatschen brennen schon lange keine Häuser mehr ab und machen sich höchstens noch über deutsche Touristen lustig. Aber das ist eine andere Geschichte.

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