Joachim Nikolaus Steinhöfel / 28.04.2021 / 07:16 / Foto: Imago / 65 / Seite ausdrucken

Teure Prozessniederlage für Jens Spahn

Das ist eine teure Prozessniederlage für Jens Spahn. Der Gesundheitsminister scheitert mit dem Versuch, den Millionenkaufpreis seiner Villa geheim zu halten. 

Ende September 2020 unternahm Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den tollkühnen Versuch, Medien von der Springer-Presse bis zum kleinen YouTuber mit Abmahnungen zu überziehen, soweit diese auch nur durch Verlinkung auf den “Business Insider”, der die korrekte Summe nannte, den Kaufpreis seiner Villa in Dahlem erwähnten. Etwas über 4.125 Millionen Euro sind es gewesen. Ein von uns vertretener YouTuber erhielt nach der Abmahnung eine anwaltliche Rechnung von über 3000,00 Euro. Ein bisschen übertrieben. Jetzt entschied, was nicht sooo überraschend kommt, das OLG Hamburg (7 U 16/21) gegen Spahn. Der Tagesspiegel berichtet:

„Spahn müsse es wegen seiner „überragenden Bekanntheit als einer der profiliertesten deutschen Politiker hinnehmen“, wenn über seine privaten Vermögensverhältnisse berichtet werde. Es sei für die politische Meinungsbildung von „ganz erheblichem Interesse“, wie Volksvertreter ihren Lebensunterhalt bestritten und wie sie finanziell situiert seien. Dies könne Rückschlüsse „auf ihre politische Unabhängigkeit, auf ihren Geschäftssinn, aber auch auf ihre politische Ausrichtung ermöglichen“.

Ich möchte mich nicht lange damit aufhalten, darüber zu sinnieren, ob Spahn klug beraten war, in dieser wackeligen Sache (es gibt einen jedenfalls Presserechtlern bekannten Präzedenzfall zu ähnlich misslungenen Bestrebungen von Joschka Fischer, auf den wir Spahn sogar hingewiesen haben) flächendeckend und imageschädigend vorzugehen, noch mehr Aufmerksamkeit auf den bemerkenswerten Kauf zu lenken und ob diese schwerwiegenden Mängel seines Urteilsvermögens Rückschlüsse zulassen auf seine Geeignetheit für ein Ministeramt. Ich möchte nur – mit freundlicher Genehmigung einer Mandantin – aus unserem Schreiben an die anwaltlichen Vertreter von Jens Spahn zitieren, das wir diesen im September 2020 zukommen ließen. Darin sind die Kostenrisiken von nur einigen der von unserem Gesundheitsminister angestrengten Verfahren bei deren vollständiger Durchführung aufgeführt. Man kann sich ein Bild machen, was Spahn jetzt zu zahlen haben wird. In unserem Schreiben heißt es:

Da wir gerade bei den Kosten sind. Dem Vernehmen nach ist es Ihnen gelungen, gegen Publikationen aus dem Hause Springer zwei vorläufige Unterlassungsbeschlüsse beim LG Hamburg zu erwirken. Diese wurden mit Streitwerten von € 80.000,00 bzw. € 100.000,00 erlassen.

Sicherlich haben Sie Ihren Mandanten, dem Sie dieses Schreiben ja auch vorlegen müssen, über die allein mit diesen Prozessen verbundenen Kostenrisiken aufgeklärt. Es mag noch RTL dazu kommen und wer weiß was Sie sonst noch angezettelt haben. Und das alles bei nicht auszuschließenden Prozeßniederlagen angesichts der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung vom 19.05.2009.

Also, wie teuer kann der Spaß wegen aus unserer Sicht faktisch belangloser Petitessen für Ihren Mandanten werden, wenn es schief geht?

Das Kostenrisiko nur für das Eilverfahren mit einem Streitwert von € 80.000,00 sieht so aus:

Kostenrisiko – 80.000,00 Streitwert

Basisdaten 

Gegenstandswert/Streitwert 80.000,00 €

Umsatzsteuer (%) 16

Anzahl Mandanten 1

Anzahl Gegner 1

Anzahl gegnerische Rechtsanwälte 1

 

Gerichtliche Vertretung 

1. Instanz  2. Instanz 

Streitwert 80.000,00 €  Streitwert 80.000,00 €

Vergleichsmehrwert 0,00 €  Vergleichsmehrwert 0,00 €

Eigene Anwaltskosten  Eigene Anwaltskosten 

Verfahrensgebühr 3100 VV RVG 1,31.732,90 €  3200 VV RVG 1,62.132,80 €

anrechenbare gem. Vorbem. 3 IV VV RVG 0,00 €  gem. Vorbem. 3 IV VV RVG 0,00 €

Terminsgebühr 3104 VV RVG 1,21.599,60 €  3202 VV RVG 1,21.599,60 €

Auslagen 7001, 7002 VV RVG 20,00 €  7001, 7002 VV RVG 20,00 €

sonstige Kosten 7000, 7003 ff VV RVG 0,00 €  7000, 7003 ff VV RVG 0,00 €

Umsatzsteuer 7008 VV RVG 536,40 €  7008 VV RVG 600,38 €

Summe 3.888,90 €  Summe 4.352,78 € 

Gegnerische Anwaltskosten  Gegnerische Anwaltskosten 

Verfahrensgebühr 3100 VV RVG 1,31.732,90 €  3200 VV RVG 1,62.132,80 €

Terminsgebühr 3104 VV RVG 1,21.599,60 €  3202 VV RVG 1,21.599,60 €

Auslagen 7001, 7002 VV RVG20,00 €  7001, 7002 VV RVG 20,00 €

sonstige Kosten 7000, 7003 ff VV RVG 0,00 €  7000, 7003 ff VV RVG 0,00 €

Umsatzsteuer 7008 VV RVG 536,40 €  7008 VV RVG 600,38 €

Summe 3.888,90 €  Summe 4.352,78 € 

Gerichtskosten 2.358,00 €  Gerichtskosten 3.144,00 € 

Kostenrisiko 1. Instanz 10.135,80 €  Kostenrisiko 2. Instanz 11.849,56 € 

Gesamtkostenrisiko 10.135,80 €  Gesamtkostenrisiko 21.985,36 € 

Bei Eilverfahren und Hauptsacheverfahren kommt man so immerhin schon auf stattliche € 43.970,72 Prozesskostenrisiko.

Dann ist da noch das Verfahren mit einem Streitwert von € 100.000,00. Das Kostenrisiko nur für das Eilverfahren mit einem Streitwert von € 100.000,00 sieht so aus:

Kostenrisiko – 100.000,00 Streitwert

Basisdaten 

Gegenstandswert/Streitwert 100.000,00 €

Umsatzsteuer (%) 16

Anzahl Mandanten 1

Anzahl Gegner 1

Anzahl gegnerische Rechtsanwälte 1

 

Gerichtliche Vertretung 

1. Instanz  2. Instanz 

Streitwert 100.000,00 €  Streitwert 100.000,00 €

Vergleichsmehrwert 0,00 €  Vergleichsmehrwert 0,00 €

Eigene Anwaltskosten  Eigene Anwaltskosten 

Verfahrensgebühr 3100 VV RVG 1,31.953,90 €  3200 VV RVG 1,62.404,80 €

anrechenbare gem. Vorbem. 3 IV VV RVG 0,00 €  gem. Vorbem. 3 IV VV RVG 0,00 €

Terminsgebühr 3104 VV RVG 1,21.803,60 €  3202 VV RVG 1,21.803,60 €

Auslagen 7001, 7002 VV RVG20,00 €  7001, 7002 VV RVG 20,00 €

sonstige Kosten 7000, 7003 ff VV RVG 0,00 €  7000, 7003 ff VV RVG 0,00 €

Umsatzsteuer 7008 VV RVG 604,40 €  7008 VV RVG 676,54 €

Summe 4.381,90 €  Summe 4.904,94 € 

Gegnerische Anwaltskosten  Gegnerische Anwaltskosten 

Verfahrensgebühr 3100 VV RVG 1,31.953,90 €  3200 VV RVG 1,62.404,80 €

Terminsgebühr 3104 VV RVG 1,21.803,60 €  3202 VV RVG 1,21.803,60 €

Auslagen 7001, 7002 VV RVG 20,00 €  7001, 7002 VV RVG 20,00 €

sonstige Kosten 7000, 7003 ff VV RVG 0,00 €  7000, 7003 ff VV RVG 0,00 €

Umsatzsteuer 7008 VV RVG 604,40 €  7008 VV RVG 676,54 €

Summe 4.381,90 €  Summe 4.904,94 € 

Gerichtskosten 3.078,00 €  Gerichtskosten 4.104,00 € 

Kostenrisiko 1. Instanz 11.841,80 €  Kostenrisiko 2. Instanz 13.913,88 € 

Gesamtkostenrisiko 11.841,80 €  Gesamtkostenrisiko 25.755,68 € 

Bei Eilverfahren und Hauptsacheverfahren kommt man so immerhin schon auf stattliche € 51511,36 Prozesskostenrisiko. 

Allein das Risiko der beiden Verfahren gegen die Springer-Gruppe beträgt mithin € 95.482,08.

Unsere Mandantin findet dies so interessant, dass Sie darüber einen launigen Artikel veröffentlichen wird. Und da Sie vermutlich wissen, dass der Schlußsatz in Ihrem Schreiben, wonach dessen Inhalte nicht veröffentlicht werden dürfen, Rechtsunsinn ist, werden wir Ihnen als tüchtigem Streiter der Zunft vielleicht sogar eine kleine Nebenrolle einräumen.

Tja, hätte Jens Spahn doch besser auf unseren freundlichen Rat gehört. Er steht jetzt ziemlich…., ach, lassen wir das. Er hat es ja schon schwer genug.

Dieser Beitrag erscheint auch auf Joachim Steinhöfels Blog

Foto: Imago

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B. Biermann / 28.04.2021

Tja, von diesem Geld hätte er sich auch ein schönes, standesgemäßes Auto kaufen können (zB den E-Porsche Tycan als Jahreswagen, der das Porsche-typische Motorgebrüll künstlich generiert und mittels Lautsprecher an die Umwelt abgibt - das Wutgebrüll von JS dürfte allerdings noch weiter entfernt zu hören sein).

Jutta Schäfer / 28.04.2021

Einfach herrlich! Das gönne ich diesem .... (hier ein Adjektiv nach Bedarf einsetzen) Typen von Herzen.

Rolf Lindner / 28.04.2021

Für mich besteht die Frage, wozu überhaupt ein Mensch, der ja nicht zur Repräsentation verpflichtet ist, so einen Protzbau braucht. Dass er glaubt, dass Gerichte zu seinen Gunsten entscheiden, ist ja auch ein Zeichen für Größenwahn ;-).

Sebastian Weber / 28.04.2021

Der Anwalt von Spahn hat’s gut. Er setzt den Streitwert möglichst hoch an, denn das erhöht sein Honorar, das er ja auch bekommt, wenn er den Prozess für seinen Mandanten verliert. Aber es trifft bei Spahn ja zum Glück keinen Armen ...

Sirius Bellt / 28.04.2021

Oje, wenn das mal keinen Ehekrach gibt. Das Geld war doch sicher längst für ein Gäste-WC verplant? Na ja, müssen sie das Projekt eben nochmal 2 Monate hintenan stellen. Wird schon.

Albert Sommer / 28.04.2021

Herrlich! So spielt man mit unfähigen. Ich habe jede Zeile genossen :-)

Tobias Kramer / 28.04.2021

@Detlef Rogge: Alle, die sich jetzt noch schnell die Taschen vollmachen, stecken das Geld in große Immobilien und Grundstücke. Die sind wertstabil im Gegensatz zum Euro, wenn hier der Zusammenbruch kommt und man sich mit den Euroscheinen den Hintern abwischen kann. Mich würde mal interessieren, wieviele Politiker in den letzten beiden Jahren wieviele und wie teure Immobilien gekauft haben. Und wegen den Gerichtskosten: Das juckt Spahn nicht. Die Maskenverkäufe gehen weiter und die Impferei wird auch ganz einträglich sein. Das verschmerzt der mehr als die mediale Berichterstattung darüber.

Lars Bäcker / 28.04.2021

Die Kosten werden Spahn egal sein. Leute wie der finden immer jemanden, der für ihn zahlt. Auf dem einen oder anderen Wege. Wenn ich den Namen Spahn höre, denke ich immer an Korruption. Ich hoffe, dass ihm auch seine Masken-Mauscheleien um die Ohren fliegen werden.

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