Ein stets wiederkehrender Alarmruf der "Klimaretter" ist: Immer mehr Menschen sterben durch den Klimawandel den Hitzetod! Wirklich? Was sagen die Zahlen? Und wie kommen "Klimaretter" trotzdem zu ihren Ergebnissen?
Es gibt Themen, die lassen den Autor dieser Zeilen nicht so recht los. Eines davon betrifft die tatsächlichen oder vielleicht auch nur vermeintlichen, weil häufig bloß prognostizierten gesundheitlichen Folgen des Klimawandels. Gerade bei den Prognosen zu Klimawandel und seinen Folgen hat man es allerdings nicht selten mit politisierenden Schrottstudien zu tun, deren Ergebnisse sich erst in fernerer Zukunft einstellen (sollen), wenn der Prognostiker das brennende Objekt seiner Begierde längst aus der Horizontalen betrachtet. Umso erfreulicher ist es, beim Thema Klimawandel und Gesundheit mal auf eine nüchtern-abwägende und völlig unalarmistische, dabei umfassende und auch noch didaktisch ungewöhnlich gut aufbereitete Literaturübersicht zu stoßen.
Eine Literaturübersicht des Breakthrough Institute
Die hier zu würdigende Arbeit stammt aus dem US-amerikanischen Breakthrough Institute. Diese unabhängige Forschungseinrichtung wurde u.a. von dem bekannten Umwelt-Aktivisten Michael Shellenberger gegründet, der das Institut aber mittlerweile verlassen hat. Die erwartungsgemäß auf Englisch veröffentlichte Arbeit trägt den Titel: „Human Deaths from Hot and Cold Temperatures and Implications for Climate Change“, also „Menschliche Todesfälle durch heiße und kalte Temperaturen und Implikationen für den Klimawandel“.
Dem Autor Patrick Brown kann nur zugestimmt werden, dass auf Grund der weltweit hohen Anzahl von temperaturabhängigen Todesopfern ein großes öffentliches und wissenschaftliches Interesse daran besteht, die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf das Sterberisiko genau zu untersuchen. Sind doch zu warme oder zu kalte Außentemperaturen, abhängig von der geographischen Lokalisation, an einem Prozent bis zehn Prozent aller Todesfälle beteiligt. Das entspricht weltweit pro Jahr in etwa 5,1 Millionen Todesfällen, die mit nicht-optimalen Außentemperaturen assoziiert sind.
Die Opfer sind nur in Ausnahmefällen direkt den zu kalten oder zu warmen Temperaturen zum Opfer gefallen, also erfroren oder einem Hitzschlag erlegen. Sie wären aber bei optimalen Temperaturen nicht gestorben. Für die Hitzetoten gilt allerdings einschränkend, dass sich darunter überproportional viele bereits todgeweihte Personen befinden, die durch zu warme Außentemperaturen dann häufig nur Tage oder einige Wochen früher versterben, als es die Natur ohnehin vorgesehen hätte. Ein Faktum allerdings, das v.a. Studien neueren Datums meist nicht mehr genauer in Augenschein nehmen. Die Gruppe der Kältetoten dagegen ist im allgemeinen in Bezug auf das Alter und relevante Vorerkrankungen deutlich heterogener.
Der wahre Bösewicht
Für Leser von achgut dürften einige Inhalte der hier zu würdigenden Literaturübersicht nicht ganz unbekannt sein, etwa, dass der wahre Bösewicht unter den nicht-optimalen Temperaturen keinesfalls die zu warmen, sondern die zu kalten sind. Sind diese doch weltweit im Durchschnitt für etwa neun von zehn der temperaturabhängigen Sterbefälle verantwortlich, während es nur bei einem von zehn dieser Sterbefälle zu warme Temperaturen sind. Nicht übersehen werden darf dabei, dass die Gesamtzahl der temperaturabhängigen Todesfälle – z.B. im Zeitraum von 2000 bis 2019 – langsam rückläufig ist: Es versterben zunehmend weniger Menschen an kalten Temperaturen, als im Gegenzug die Zahl der wärmeabhängigen Todesfälle wächst. Folglich eine Entwicklung, die den Klima-Alarmisten nicht so richtig in die Karten spielt, um es zurückhaltend zu formulieren.
Aber es kommt noch besser, denn trotz der zunehmenden Erwärmung ist es an den meisten Orten dieser Erde zu einem Rückgang auch der hitzeabhängigen Todesfälle gekommen, v.a. in den wohlhabenderen Ländern. Als wesentliche Ursachen dieser positiven Entwicklung kommen v.a. der zunehmende Einsatz von Klimaanlagen und Isolierungen in Betracht. Daneben spielen sicherlich aber auch unterschiedliche städtebauliche Anpassungen und ein verbesserter Zugang zum Gesundheitssystem eine Rolle.
Der einsame Spitzenreiter
Das Verhältnis zwischen der jährlichen Anzahl der Kälte- und Hitzetoten variiert von Region zu Region teils erheblich. Während es im globalen Maßstab 9,4 beträgt, es also 9,4-mal mehr Kälte- als Hitzetote gibt, liegt es in Nord-Europa bei 5,0, in Süd-Europa bei 3,6, in Nordamerika bei 8,0 und in Nordafrika bei 16,5. Einsamer Spitzenreiter ist Subsahara-Afrika mit einem Verhältnis von sage und schreibe 58,3. Das glaubt Ihnen kein Grüner und kaum ein Medienschaffender, klingt es in deren Ohren doch zu sehr nach einem schweren Fall von Verschwörungstheorie. Dessen ungeachtet kommt es in absoluten Zahlen in Subsahara-Afrika jährlich durchschnittlich lediglich zu geschätzt 18.000 Hitzetoten, aber zu gut einer Million Kältetoten – immer bezogen auf den Zeitraum von 2000 bis 2019.
Dass dabei auch physiologische Anpassungen des menschlichen Organismus im Sinne einer überwiegend gelungenen bzw. erfolgreichen Akklimatisation an warme oder auch sehr warme Temperaturen von Bedeutung sind, ist natürlich die nahe liegende Vermutung. Einschlägige Forschung dazu gibt es allerdings kaum. Angemerkt sei aus meiner Sicht noch, dass es zur Unterstützung des heldenhaften Klimakampfes von Regierungen, WHO und NGOs, ja des gesamten Klimawandelnarrativs, nicht wirklich hilfreich wäre, mitteilen zu müssen, dass große Teile der Menschheit sich immer besser an Wärme oder Hitze anpassen.
Eine interessante Korrelation
Die folgenden Befunde stützen die eben genannten Vermutungen über die große Fähigkeit des Menschen, sich klimatisch anpassen zu können. Es finden sich nämlich durchgängig sehr hohe, teils gar extrem hohe Korrelationen zwischen der Temperatur, die übers Jahr betrachtet mit der geringsten Sterblichkeit verbunden ist und der Temperatur, die am jeweiligen Ort am häufigsten vorkommt. Diese Korrelation ist in den Tropen am höchsten (r = 0,96), gefolgt von den Subtropen (r = 0,92) und den gemäßigten Zonen (r = 0,79). Die Bewohner der beiden wärmeren Klimazonen zeichnen sich folglich durch eine besonders geringe Vulnerabilität gegenüber warmen Temperaturen aus.
Oder etwas salopper formuliert: Die in den warmen Regionen dieser Erde lebenden Menschen kommen sehr viel besser mit warmen oder auch sehr warmen Temperaturen zurecht als die in gemäßigten oder kühlen Regionen. Ein Beispiel möge das anhand von zwei Extremen verdeutlichen, nämlich zwei Orten, die in sehr unterschiedlichen Klimazonen liegen. So erhöht eine Temperatur von 29°C (immer als Durchschnitt über 24 Stunden) in der kanadischen Stadt Winnipeg stark das Sterberisiko, während genau diese Temperatur in der unweit der mexikanischen Grenze in Arizona gelegenen US-Stadt Tucson mit dem geringsten Sterberisiko verbunden ist. Gleichzeitig sind 29 Grad die im Jahresverlauf am häufigsten gemessene Temperatur in Tucson.
In Deutschland liegt die am häufigsten gemessene Temperatur, die auch in Bezug auf das Sterberisiko die optimale Temperatur ist, im Mittel bei ca. 18 Grad, in einem Bereich zwischen gut 17 und knapp 19 Grad. In Italien beträgt diese optimale Temperatur ca. 22, in Australien ca. 23,5, in Südafrika 25, in Brasilien 26, in Paraguay ca. 27,5 und in Kuwait beachtliche ca. 31 Grad. Ein Kuwaiter, der seinen Lebensmittelpunkt nach Deutschland verlegen möchte, sollte sich das also sehr gut überlegen und sich gegebenenfalls v.a. warm anziehen.
Der Blick in die Glaskugel
Trotz der geschilderten, doch sehr eindeutigen Entwicklung der temperaturbedingten Sterberaten in den letzten beiden Jahrzehnten prognostizieren, so Patrick Brown, die meisten der Studien, die einen Blick in die Glaskugel wagen, einen Anstieg der Sterbefälle infolge nicht optimaler Temperaturen für den Rest dieses Jahrhunderts. Solche Ergebnisse werden dann natürlich auch dazu verwendet, den drohenden ökonomischen und sozialen Schaden durch den Klimawandel zu untermauern. Die entsprechenden Schätzungen variieren allerdings stark. Der wesentliche Grund für die teils erheblich differierenden Prognosen sei, ob und in welchem Maße eine Anpassung an den Klimawandel bzw. eine Erhöhung der gesellschaftlichen (und menschlichen) Widerstandsfähigkeit in Rechnung gestellt wird.
Auch wenn langjährige Trends natürlich nicht unbedingt auch zukünftig stabil bleiben müssen, erscheint es – und da stimme ich mit Patrick Brown absolut überein – nicht sonderlich plausibel, dass sich in den nächsten Jahrzehnten die bisherige Entwicklung der Sterbefälle in Folge nicht optimaler Temperaturen drastisch ändert oder gar umkehren könnte. Letzteres würde ja bedeuten, dass die Anpassungsfähigkeit des Menschen in biologischer und technischer Hinsicht weitgehend an ein Ende gekommen wäre.
Aber verlassen wir jetzt einmal die Literatur-Übersicht aus dem Breakthrough Institute und riskieren einen kurzen Blick in die einschlägige, aktuelle Prognoselandschaft. Was könnte dafür geeigneter sein, als der gerade erschienene Lancet Countdown zu Gesundheit und Klimawandel, in dem die Beziehung zwischen Gesundheit und Klimawandel anhand von 42 „Indikatoren“ näher analysiert werden soll. Den Countdown des vergangenen Jahres hatte ich ja bereits seinerzeit etwas genauer unter die Lupe genommen. Der damalige Titel Klima-Alarmismus auf höchstem Niveau charakterisiert auch den 2024er Countdown sehr treffend.
Zur, wie es dort heißt, „hitzebezogenen Sterblichkeit“ findet sich (u.a.) Folgendes: „Bei fortgesetzter globaler Erwärmung legen die Klima-Vorhersagen für Europa eine voranschreitende Verminderung der kältebezogenen Todesfälle nahe, bei gleichzeitigem Anstieg der hitzebezogenen Todesfälle, wobei eine Studie aus 2021 darauf hinweist, dass die hitzebezogenen Todesfälle seit etwa 2010 begonnen haben, die kältebezogenen zu übertreffen.“ Eine ausgesprochen steile These, die zudem verdächtig vage formuliert wird – zumal für einen Trend, der doch angeblich schon seit 15 Jahren besteht.
So schummelt Lancet
Wir kommen also nicht umhin, die angegebene Quelle – die o.g. „Studie aus 2021“ – einmal genauer anzuschauen. Damit tun wir etwas, was der normale Lancet-Leser oder auch ein einschlägiger Wissenschaftsjournalist nur eher selten machen dürfte. Und, was finden wir in der Studie? Zunächst, dass von 2010 überhaupt keine Rede ist, stattdessen aber festgestellt wird, dass der Anstieg der hitzebezogenen Todesfälle in der „zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts“ beginnen werde, den Rückgang der kältebezogenen Todesfälle zu übersteigen. Das gelte v.a. für die Mittelmeergebiete, wo der Anteil der hitzebezogenen Todesfälle ab der „Mitte des 21. Jahrhunderts“ beginnen werde, die Gruppe der kälteassoziierten Todesfälle zu übersteigen, allerdings nur unter der Annahme des – selbst von Teilen der Klimakirche als völlig unrealistisch betrachteten – extremen CO2-Emissions-Szenario RCP8.5. Beim etwas blanderen RCP6.0-Szenario würden sich diese Veränderungen bei den Todesfällen erst am Ende des Jahrhunderts einstellen. Wohl dem, der über solche Glaskugeln verfügt!
Zur Ehrenrettung der Autoren dieser Studie sei jedoch noch auf ihre weitere Relativierung der Ergebnisse hingewiesen, die Lancet seinen Lesern ebenfalls verschweigt. Diese Relativierung hätte nach meinem Empfinden allerdings in die Zusammenfassung bzw. das Abstract gehört, also an eine prominentere Stelle. Aber, immerhin: Am Ende der Diskussion ihrer Ergebnisse gestehen die Autoren ein, dass es mittlerweile zunehmende Evidenz dafür gäbe, dass Anpassungsprozesse die Vulnerabilität der Bevölkerung gegenüber Kälte und Hitze reduzieren würden. Wenn sie, so die Autoren, in ihrer Studie diese Anpassungsprozesse berücksichtigt hätten, dann hätten die Ergebnisse u.a. einen geringeren Anstieg der hitzeassoziierten Todesfälle ergeben.
Da bleibt nur zu hoffen, dass die Autoren des Lancet-Countdowns angesichts ihres 173 Titel umfassenden Literaturverzeichnisses und ihrer sonstigen beruflichen und privaten Verpflichtungen es einfach nicht geschafft haben, alle zitierten Arbeiten auch tatsächlich sorgfältig zu lesen. Dann nämlich wäre ihre Wiedergabe der Ergebnisse der „Studie aus 2021“ bloß fahrlässig erfolgt, ansonsten doch wohl eher aus niederen Beweggründen.
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Meins ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie, Geriater und apl. Professor für Psychiatrie. In den letzten Jahren überwiegend tätig als gerichtlicher Sachverständiger im zivilrechtlichen Bereich.