Ulli Kulke / 27.11.2012 / 16:36 / 0 / Seite ausdrucken

Taumelnde Temperaturprognosen

Im letzten Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC aus dem Jahr 2007 hieß es noch, die wahrscheinliche Erwärmung des Globus um zwei Grad Celsius bis zum Jahr 2100, ausgelöst durch den menschlichen Kohlendioxid-Ausstoß, werde katastrophale Konsequenzen nach sich ziehen: Dürre, Fluten, Hitzewellen, und ein Drittel aller Arten werden aussterben. So katastrophal sieht man die zwei Grad heute nicht mehr, denn die Klimakonferenzen seither haben gezeigt: Der CO2-Ausstoß wird erst mal absehbar deutlich weiter ansteigen, das Schreckensszenario mit den zwei Grad war offenbar nicht ausreichend. Die zwei Grad wandelten sich deshalb in den Szenarien einiger tonangebender Institute von der Katastrophe unversehens zum angestrebten Ziel, um den Katastrophen-Verbraucher bei Laune zu halten. Merke: Es ist immer nur fünf vor zwölf, nach zwölf gibt es nicht, egal was geschieht und wie schnell die Uhr läuft.

Neue Devise also, vor zwei Jahren bei der UN-Klimakonferenz in Cancun beschlossen und verkündet: Der Mensch müsse dafür sorgen, das sich die Erde um zwei Grad erwärme und kein bisschen mehr, man müsse sofort und umfassend handeln, um das Ziel zu erreichen. Die Experten vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK), von der Weltbank jüngst mit einer Studie beauftragt, zogen also die Schraube weiter an. Jetzt werden drohende vier Grad in den Vordergrund gestellt, die unbedingt vermieden werden sollten. Die „Tipping Points“, bei denen das Klima umzukippen drohe, einst in der Nähe von zwei Grad verortet, lägen nun „weit dahinter“, im Bereich eben jener vier Grad. Haben sie damit jemand Angst eingejagt? Viel Beachtung hat die PIK-Studie nicht erhalten. Die tatsächlichen Temperaturen kommen sowieso längst nicht mehr hinterher. Hans Joachim Schellnhuber, Chef des PIK, schaut deshalb noch weiter nach vorn: Sechs Grad, wenn auch erst bis 2030, dann vielleicht aber auch acht Grad. Oder mehr.

Im Nachbarinstitut in Potsdam, im Geoforschungszentum (GFZ), haben die erfahrenen Geoforscher in den oberen Etagen sowieso vor zwei Jahren schon die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und einen Beschluss von Klimaforschern, eine bestimmte Gradzahl bei den Veränderungen der globalen Temperaturen anzustreben, als absurd angesehen.

Viele beteiligen sich derzeit an den Prognosen und Ratschlägen für die anzustrebenden Grad Celsius. Die Uni Bonn geht von 3,5 Grad bis 2100 aus, wenn wir so weiter machen wie bisher. Der Club of Rome hat genau nachgerechnet und kommt auf zwei Grad schon bis 2052, und 2080 sollen es dann 2,8 Grad wärmer sein als heute. Was die Großrechner der Klimaforscher eben hergeben. Die Verdoppelung des CO2 in der Luft ergibt mal 1,5 Grad Erwärmung, mal 4 Grad. Ein internationales Forscherteam in China kommt zu dem Ergebnis: Zwei Grad bis 2100 sind zu erreichen, wenn wir bis 2050 die Emissionen halbieren — und das alles mit 50prozentiger Wahrscheinlichkeit. Wer den letzten Zusatz nicht vergisst, ist sowieso stets auf der sicheren Seite.

Die Frage, wann es jetzt nach 14 Jahren Pause überhaupt mal wieder wärmer wird, will niemand beantworten, wie überhaupt die Prognose-Zielpunkte allesamt ausschließlich in ferner Zukunft liegen, und stets nach vorne mitwandern. Wissenschaftstheoretiker sprechen in so einem Fall eigentlich von unzulässiger Immunisierung der Hypothesen, weil die Falsifikation ausgeschlossen ist. Zu Vorhersagen für 2020 oder 2030 ist fast niemand bereit. Eine oder zwei Generationen will man ins Land gehen lassen, mindestens, bevor man seine Prognosen überprüfen muss – oder eben auch nicht mehr: Die meisten lieben als Zielzeitpunkt das Ende dieses Jahrhunderts. Da hat man dann doch aus früheren Zeiten gelernt. Etwa von Prognosen, wie sie der „Spiegel“ im Juli 1989 für den allzu nahen Zeitpunkt 2030 wagte, für den er einen Temperaturanstieg von 1,5 bis fünf Grad vorhersagte und sich dabei unter anderem auf das Goddard-Forschungszentrum der Nasa berief. Der seitherige Verlauf der globalen Temperaturen hat damit jedenfalls nichts zu tun.

Sowieso ist es frappant, dass bei all den Prognosen, egal ob eineinhalb, zwei, sechs oder acht Grad die Angaben offenbar absolut gesetzt werden. In diesen Vorhersagen, so stellen sie sich jedenfalls nach außen dar, spielen natürliche Einflüsse auf das Weltklima gar keine Rolle mehr. Weggerechnet, herausgekürzt. Als hätte es sie nie gegeben, die gehörigen Schwankungen der Temperatur in den vergangenen Jahrtausenden. Übrig bleibt: Das Klima wird allein vom Menschen gemacht.

Dabei hat die Forschung darüber, wie sich die Sonnenaktivität über die Wolkenbildung auf die Entwicklung der Temperatur auf der Erde auswirkt, in den letzten zwei, drei Jahren hoffnungsvolle Ergebnisse gezeigt, etwa am CERN-Forschungszentrum in Genf, oder am National Space Institute in Dänemark; ihre Korrelationen über viele – durchaus klimabewegte – Jahrhunderte stimmen, die theoretische Physik wird immer besser verstanden, die ersten empirischen Bestätigungen stehen.

Zur Mitarbeit am nächsten Sachstandsbericht des IPCC, an dem viele hundert Forscher beteiligt sind, ist aus diesen weltweit ansonsten anerkannten Instituten niemand geladen.

Zierst erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Ulli Kulke / 30.11.2023 / 12:00 / 45

Beim Thema Klimawandel kühlen Kopf bewahren

Heute beginnt die Weltklimakonferenz in Dubai. Ein guter Anlass, das Buch „Der Mensch-Klima-Komplex“ vorzustellen. Der Autor Hans von Storch ist Insider, hat selbst an Berichten des UN-Klimarates IPCC…/ mehr

Ulli Kulke / 24.04.2023 / 06:00 / 163

Die doppelte Berlin-Blockade – eine bizarre Koinzidenz

Ausgerechnet nur wenige Wochen vorm großen Jahrestag 75 Jahre Berlin-Blockade, mitten in der Vorbereitung dazu, will die „Letzte Generation“ Berlin erneut rundum blockieren. Komplett lahmlegen,…/ mehr

Ulli Kulke / 20.07.2021 / 06:20 / 162

Die unbeantwortete Frage aller Klimafragen

Wie hoch ist eigentlich der menschengemachte Anteil an der Klimaerwärmung? 99 Prozent? 80 Prozent? Die Hälfte, nur ein oder eher zwei Drittel? Keiner weiß es.…/ mehr

Ulli Kulke / 10.02.2021 / 06:00 / 98

Klima: „Langjähriges Mittel” jetzt kürzer!

Die Klima-Angst geht um. Nein, nicht in der Weise, dass die veröffentlichten Temperaturdaten noch schneller in die Höhe schnellen. Im Gegenteil. Die Gefahr heute: Gewisse,…/ mehr

Ulli Kulke / 19.12.2019 / 06:25 / 101

Inseln versenken mit Claudia Roth

Stell dir vor: Der Sahel ergrünt und die Pazifik-Inseln wachsen. Und keiner geht hin und guckt mal nach. Was haben Claudia Roth und Claas Relotius…/ mehr

Ulli Kulke / 27.01.2019 / 06:27 / 61

Klima: Mit Relotius unter dem Meeresspiegel

Zwanzig Jahre ist es inzwischen her, dass der WWF Deutschland mich bat, für ein voluminöses Coffeetable-Buch („Zu neuen Ufern“) einen langen Essay über die untergehenden…/ mehr

Ulli Kulke / 26.06.2018 / 06:03 / 26

Die Sonnenallergie der Klimaforscher

Auch wenn der Einfluss der Sonne auf die Klimaschwankungen in den letzten Jahrzehnten etwas in den Hintergrund gerückt ist: Es gibt sie, die Forscher, die…/ mehr

Ulli Kulke / 10.08.2017 / 06:25 / 8

Al Gott vom Planeten Ich

Ganz voll war der riesige Zoopalast nicht. Aber die vielen jungen Fans des Gurus waren unüberhörbar. Superstar-Atmosphäre mit Pfiffen, Kreischen und Popcorn. Die Al Gore-Show.…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com