Claudio Casula / 14.07.2021 / 12:00 / Foto: Tomaschoff / 187 / Seite ausdrucken

Tatü-tata, die Sprachpolizei ist da!

Eine Arbeitsgruppe der Bonner Gleichstellungsbeauftragten hat für die Beschäftigten der Stadtverwaltung einen Leitfaden für geschlechtergerechte Kommunikation erarbeitet. Das Ergebnis kann sich sehen lassen!

Es wird ja immer viel über die Bürokratie gemeckert. Umständlich, wenig effizient, langsam, so die gängigen Vorurteile. Da lässt eine Meldung aufhorchen, die der WDR vor einigen Tagen verbreitete: Die Bonner Gleichstellungsbeauftragte Stephanie Clemens-Krämer hat seit dem Winter gemeinsam mit fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Gender-Leitfaden ausgearbeitet.

Er führt rund 60 Formulierungen auf, die von den knapp 7.000 Beschäftigten der Stadtverwaltung in der externen und internen Kommunikation nicht mehr erwähnt werden sollen, um niemanden auszugrenzen. Im Durchschnitt hat also jede der sechs Personen der Arbeitsgruppe „seit dem Winter“ zehn Synonyme erarbeitet, sage und schreibe mehr als eines pro Monat, ein ganz erstaunlicher Output für die vielgeschmähten Beamten!

Aber auch qualitativ sieht man dem Resultat eine Menge Arbeit an: Aus „keiner“ wurde „niemand“, aus dem „Fahrzeughalter“ die „Fahrzeughaltende Person“, aus der „Teilnehmergebühr“ die „Teilnahmegebühr“, aus der „Rednerliste“ die „Redeliste“. Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Bündnis 90/Grüne, natürlich) steht voll dahinter, Sprache und Kommunikation seien ja ein Schlüssel zur Welt, man wolle die Menschen zum Nachdenken darüber animieren, wie sie Sprache anwenden könnten, ohne jemanden, und sei es unwissentlich, auszuschließen.

Im Leitfaden heißt es außerdem: „Weitere Formulierungsvorschläge sowie Tipps und Tricks rund um die geschlechterneutrale Sprache finden Sie auf der Website geschicktgendern.de.“

„Ich bin eine Person auf der Jagd“

Die Geschicklichkeit, geschlechtsneutral zu formulieren, besteht dort im Wesentlichen darin, eine Art Definition anstelle des Begriffs zu setzen („Amateur“ = „Neuling, Person ohne Vorkenntnisse“, „Jäger- und Sammler-Gesellschaft“ = „nomadisierende Gesellschaft, die sich von der Jagd und dem Sammeln von Pflanzen ernährt“) oder eine Person etwas machen zu lassen: „frisierende Person“ (Friseur), „hütende Person“ (Hirte), „Bienenzüchtende Person“ (Imker), „auskundschaftende Person“ (Spion), „poetische Person“ (Dichter). Deutschland, Land der poetischen und – mitunter schräg – denkenden Personen.

Wobei im Falle der Anwendung schon die eine oder andere Irritation aufkommen könnte. Statt „Abnehmer“ (Pl.) empfiehlt geschicktgendern.de „Abnehmende“, leicht zu verwechseln mit Personen, die auf Diät sind. Die „beobachtende Person“, die den „Augenzeugen“ ersetzen soll, könnte auch ein Voyeur sein, die „Fisch fangende Person“ nicht nur ein „Angler“, sondern auch ein Fischer, und dem robusten „Schlägertyp“ wird gar ohne Umschweife unterstellt, eine „gewalttätige Person“ zu sein, auch wenn er nur so aussieht.

Und soll, wer in seiner Freizeit als Jäger unterwegs ist, wirklich sagen: „Ich bin eine Person auf der Jagd“? Da gibt der Gesprächspartner doch gleich Fersengeld.

Nun hat Johanna Usinger, die Betreiberin der von der Bonner Gleichstellungsbeauftragten empfohlenen Website, zwar einige originelle Synonyme kreiert (die Marktschreier etwa wurden zu „Angebotsausrufenden“ und der Ritter ein „Mensch in Rüstung“), doch zu einigen Wörtern fiel ihr noch kein passender Begriff ein: Bürgerbüro, landwirtschaftliche Erzeuger, Fachwirt, Gatte, Gefreiter, Insider, Justiziar, Narr (Karneval). Das lässt sich gendern! Wenn Sie weiterhelfen können, teilen Sie das doch bitte Frau Usinger per Kontaktformular mit, dann tragen Sie zu einem größeren Umfang des Genderwörterbuchs bei und machen die Welt ein bisschen geschlechtergerechter.

Auch „Spaßverderber“ vermochte Frau Usinger bislang noch nicht zu ersetzen. Ich schlage „Gendersprachschaffende“ vor. Gern geschehen.

Foto: Tomaschoff

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Leserpost

netiquette:

Daniel Hoffmann / 15.07.2021

Wenn nur noch von Personen die Rede ist, fühle ich mich als Mann ausgegrenzt - die Person ist schließlich weiblich. Und da das männliche Substantiv ‘Mensch’ keine Frauen einschließt, muss man doch zukünftig vom Dreiklang “Person, Mensch und Individuum” sprechen, oder nicht?

Winston Schmitt / 14.07.2021

Die deutsche Sprache ist wunderbar differenziert. Leider wird sie, wie so vieles in diesem Land nicht in Ehren gehalten. Den Franzosen käme so etwas nicht in den Sinn. Hier in Dummland ist es sogar normal, dass z.B. bei der damaligen Ausrichtung des Grand Prix d"Eurovision de la Chanson in Deutschland die Moderatoren das ganze in englischer Sprache moderierten und genauso ist es normal, dass der VW Vorstand seine Visionen auf Englisch vorträgt und simultan ins deutsche übersetzen läßt. @ Wolfgang Rodenbacher, Sie haben leider recht.

Klaus Schmid / 14.07.2021

Man stelle sich die Armen vor die bei diesem Gender-Chaos Deutsch lernen wollen bzw. müssen. Die werden doch wahnsinnig.

Peer Doerrer / 14.07.2021

Möge der Islam über uns kommen und mit ihm die Peitsche für diese “Weiber “,  die unsere schöne deutsche Sprache und Kultur so abartig verhunzen und zerstören .

Jener Ari / 14.07.2021

Die Bonner Gleichstellungsbeauftragte Stephanie Clemens-Krämer/in ... so viel Zeit muss sein!

Ede Kowalski / 14.07.2021

Das Gendern hat auch seine Vorteile. Ein Satz und ich weiß sofort das mein Gegenüber nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.

Karlheinz Patek / 14.07.2021

@Dieter Weiss. Genau. Und was macht man mit Mückinnen und Zeckinnen. Schnell und ohne Ankündigung? Die einzige Lösung. Das ist nicht lustig. Wartet bis die Schulbücher und der Unterricht umgestaltet sind, und die Kinder nach Hause kommen und so quatschen. Und Papa und Papa-inn ermahnen “doch nicht so falsch zu sprechen”. Was machen sie dann? Dagegen arbeiten? @J. Gospodin. Einen gendergerechten Roman könnte keiner mehr flüssig lesen? Kann auch anders kommen. Dass nicht gendergerecht formulierte Romane und Romaninnen gar nicht mehr veröffentlicht werden dürfen, und der alte geschriebene Kram und Kraminn nur noch in Bibliotheken für wissenschaftliche Zwecke und Zweckinnen einsehbar ist, aber nicht für den Normalbürger und die Normalbürgerin. Der/Die /Das wäre gefährdet. Das hört erst alles auf wenn das Land wirtschaftlich am Boden liegt. Ganz am Boden. Dann können wir uns um die Mückinnen und Zeckinnen kümmern.

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