Thilo Schneider / 22.10.2021 / 10:00 / Foto: Timo Raab / 39 / Seite ausdrucken

Tanke für die Spende

Ich war wütend: „Sie sind eine freie Tankstelle, ich weiß nicht, ob sie sich von der NASA oder Versace beliefern lassen, aber knapp 10 Euro für einen Liter Diesel ist schlicht und ergreifend Raub!“

Verbrennerfahrer kennen das. Das Nähern der Nadel der Treibstoffanzeige gegen 0, wenn das Navi auch nicht mehr die Restreichweite angeben mag, verursacht ähnlich viel Stress wie das Warten auf eine freie Toilette nach dem Genuss von Sauerkraut mit Apfelmost. Und ich gebe zu, letztendlich war es meine Schuld. Ich war leichtsinnig. Der Tank des Renno war auf Reserve und ich musste tanken, wenn ich nicht liegenbleiben wollte.

Also ´runter von der Autobahn und flott in die nächste Dieselzapfstelle eingeschwenkt, den Tankdeckel mit einem glücklichen „Aaaah“ öffnen und Brennstoff saugen. Es war schön. Bis ich an der Kasse stand. Ich nannte den Namen meiner Säule und der junge Herr hinter dem Tankstellenbezahltresen sagte sachlich: „Das wären 40 Liter, das macht dann 398 Euro Zwounneunzig.“

Ich bin jetzt etwas älter, man hört ja irgendwann nicht mehr so gut, daher fragte ich nach: „398 Euro?„ „…und zweiundneunzig Cent!“, ergänzte der Befragte. Ich war immer noch verblüfft und irritiert: „Ja, aber sicher 398 Euro?“ „Ja, ganz sicher“, gab mein Tankstellenmensch seelenruhig zurück und deutete nach draußen auf die Tankstellensäule mit den Preisangaben. „Diesel: 9,973 Euro“ war da ganz deutlich zu lesen.

„Das muss ein Irrtum sein“, insistierte ich, „ich habe kein Kerosin getankt und selbst das ist billiger. Was ist in dem Diesel drin? Goldpartikel? Habe ich Gucci-Kraftstoff getankt? Was wird mit diesem Diesel normalerweise betrieben? Raumschiffe für die erste Marsmission?“ Der Tankwart seufzte: „Hören Sie: Ich mache die Preise nicht. Die kommen von dem Kraftstofflieferanten. Ich habe damit nichts zu tun!“ Gute Verteidigung, aber nicht mit mir! „Sie sind eine freie Tankstelle, Sie können sich den Lieferanten aussuchen, ich weiß nicht, ob sie da die NASA oder Versace genommen haben, aber knapp zehn Euro für einen Liter Diesel ist nicht einmal mehr Wucher: Das ist schlicht und ergreifend Raub!“ Ich war sehr wütend.

„Es ist tatsächlich, wenn Sie es so wollen, eine Spende.“

Der Tankmensch zuckte die Schultern: „Wir haben am Liter Diesel so um die 70 Cent Kosten inklusive Gewinn. Der Rest sind Steuern und Umweltabgaben.“ „Ja, sicher, aber die machen doch keine Neun Euro Dreißig aus!“, schleuderte ich ihm entgegen. „Neun Euro Siebenundzwanzig“, verbesserte er mich. „Scheißegal, ich zahle das nicht!“, brüllte ich ihn an, sofern eine Stoffmaske vor dem Mund das Brüllen zulässt. Wenigstens begann auch er nun, die Contenance zu verlieren: „Hören Sie: Entweder Sie zahlen das oder ich rufe die Polizei!“ „Pumpen Sie doch den Diesel wieder aus dem Tank! Ich zahle keinesfalls Dreihundertachtundneunzigzwoundneunzig für eine Tankfüllung. Mein Rechtsanwalt ist übrigens reich, der kann sich das leisten!“ Ich war sehr geladen.

Der Raum füllte sich mit Schweigen. Durch die offene Türe hörte man irgendwo einen Hund bellen. Ein Motorrad fuhr mit aggressivem Brummen vorbei. Mein Tankräuber änderte die Taktik: „Schauen Sie! Sie sind noch gut dran …“, er deutete wieder auf die Preisanzeige, „hätten Sie Super getankt, dann hätten Sie zwölf Euro pro Liter gehabt. Was ist also Ihr Problem?“ „Mein Problem ist, dass ich nie, nie, nie im Leben Treibstoff für mehr als knapp zwei Euro getankt habe! Wie kommen Sie auf diesen irrwitzigen Preis?“ „Also ist es bei Ihnen nur Gewöhnung?“, fragte er, ohne auf meine Frage einzugehen. „Was? Ja, nein, Ihre Preise sind Wahnsinn. Legen Sie mir mal Ihre Preisgestaltung vor!“ „Kann ich, wie gesagt, nicht. Wir kriegen unsere Preise vom Hersteller direkt!“

„Gut, nennen Sie mir den Hersteller. Ich werde seine Raffinerie abfackeln!“, forderte ich. Er lächelte nun tatsächlich, wie ich jetzt noch meine, etwas überheblich. „Wir beziehen unseren Kraftstoff von einer namhaften Umwelthilfeorganisation und leisten somit einen wertvollen Beitrag zum Umweltschutz!“, erklärte er. „Ja, aber von meinem Geld!“, erklärte ich zurück, „das ist Diebstahl, Betrug, Raub!“ „Es ist tatsächlich, wenn Sie es so wollen, eine Spende. Das haben wir eingepreist!“, gab er trocken zurück.

Die Luft war durch meine Spende sofort besser geworden

„Ich will aber nichts spenden, ich wollte nur tanken. Sie haben mich ja nicht einmal GEFRAGT, ob ich was spenden will!“ Jetzt wurde auch er wieder aggressiv und endlich kam der Grund hinter dem Vorwand zur Sprache: „Ja, das höre ich jedes verdammte Mal. Ich habe früher jeden gefragt, ob er eine freiwillige Klimaabgabe beim Tanken leisten möchte und jedes, wirklich jedes Mal haben alle Nein gesagt. Ich habe die Faxen dick, wir legen jetzt die Spende auf den Literpreis um, Ihr fahrt da herum mit Euren großkotzigen Autos …“, er illustrierte „großkotziges Auto“, indem er mit den Armen  halbkreisförmig neben den Körper schlenkerte, zur Decke blickte und mit dem Mund ein O bildete und zwei Trippelschritte nach vorne machte, „… die Umwelt ist Euch völlig wurst, Ihr fahrt da einfach nur stumpf durch die Gegend – ja, Ihr werdet spenden. Spenden, spenden und nochmal spenden!“

Und da, ich kann das zugeben, fühlte ich mich plötzlich sehr gut. Okay, der Literpreis war faktischer Wahnsinn, aber irgendwie stimmte es ja: Die Luft war durch meine Spende sofort besser geworden. Und mein Gewissen auch. Ich steckte die Kreditkarte in den Zahlautomaten, nahm für jeweils 40 Euro noch zwei Päckchen Zigaretten und für 15 Euro einen Mars-Riegel mit und erkaufte mir so die moralische Freiheit. Tu Gutes, tank teuer.

(Weiterer hochpreisige Artikel des Autors unter www.politticker.de)  

 
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Foto: Timo Raab

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Peter Holschke / 22.10.2021

Der Liter Rapsöl kostet bei allen Supermärkten gleichgeschaltete 1,19 Euro oder so. Jedenfalls überall gleich. Weiß ich nicht so genau, ich vermeiden Rapsöl zum Essen. Aber man kann damit auch tanken.

Heiko Stadler / 22.10.2021

@Jörg Themlitz: Ich beneide Sie um Ihre haltbare Maske. Meine erste Einwegmaske hielt nur ein halbes Jahr, dann rissen die Henkel ab. Die jetzige Maske ist erst acht Monate jung und noch richtig gut in Schuss. Ist schone Sie, indem ich sie mit einer Hand immer etwa einen Zentimeter von der Nase weg ziehe.

Heiko Stadler / 22.10.2021

Wir sollten die “Luftbrücke” nach Polen oder Tschechien nutzen und dort Tank und 20-Liter-Kanister füllen. So eine Luftbrücke gegen den sozialistischen Irrsinn hilft, wenn man lang genug durchhält. Für die, die zu weit im Westen wohnen, empfehle ich Salatöl bei eBay in der günstigen 10-Liter-Flasche.

Johannes Schuster / 22.10.2021

Mit so einer Zwangsspende ist der Vertrag hinfällig (culpa in contrahendo) und ich berufe mich auf Verschulden bei Vertragschluß und erkläre Aufrechnung mit dem Abtanken, dann tanke ich jedesmal gratis - LMAA. Ich würde totsicher die Sache mit der Spende als Leistungsschuld der AGB und damit als Einigungsmerkmal gegen die Aufklärungspflicht auslegen und dann noch eine Barbiegebühr oben drauf koten. Dann würde ich nicht nur Tanken, sondern bekäme noch Kohle raus. Die Spende ist ein - Nicht - Diesel - Partikel im Vertrag und dieser Teil müsste auf dem Schild ausgewiesen werden. Ist er es nicht, gilt die Verkehrstitte als ausgemachte Blusenfüllung und ich hätte nur den Marktwert zu zahlen und der Betreiber wäre wegen Steuerhinterziehung dran, wenn die Spende als Teil des Kraftstoffpreises geführt würde, dann wäre sie nicht mehr steuerlich vom Trägergut abgetrennt. Dem Bruder würde ich im Namen des weisen Diesel den Hintern frittieren.

Dirk Jungnickel / 22.10.2021

Demnächst werden an Tankstellen und in Restaurants Abwasser - Abgaben /Spenden verlangt. Dafür werden in die Pissoirs für maskuline Besucher Meßgeräte eingebaut, die festeren Bestandteile werden für sämtliche Individuen vor dem Herunterspülen mittels Scanner “eingepreist”. Noch ist nicht entschieden, ob die Umweltspende dann auf die Rechnung geschlagen wird oder gleich auf dem Örtchen per EC oder Visa - Karte abgebucht werden kann. Die Klima - Sekte besteht aber darauf, dass diese Aufwendungen nicht von der Steuer abgesetzt werden können…

Jörg Themlitz / 22.10.2021

Das mit der “Stoffmaske” gefällt mir. Meine erste und einzige Stoffmaske von März 2020 nutze ich immer noch. Der Umwelt zu liebe. Spenden? Völlig uneigenützig habe ich meine Impfdosen für Afrika gespendet. Gutes Gewissen! Und nicht wie die eingenützigen im Smart Telefonierer, weißen, alten Männer, mit fragwürdiger Bildung und unklaren Verbindungen zu Pillendrehern, die Impfdosen für sich beanspruchen. Ob bei denen rassistische Motive im persönlichen Überlebenskampf eine Rolle spielen, weiß ich nicht.

S.Buch / 22.10.2021

Merke: Ablasshandel läuft! ;-)

Markus Kranz / 22.10.2021

Mmh, aber könnte man nicht, also unter der Hand, also so quasi als Geschenk, dem anderen etwas Tchechisches Benzin schenken und dann schenkt man eben eine Haxe Schweinskotelett mit ein paar Geldscheinen zurück. Also so quasi am großen Bruder der Umweltorganisation vorbei? Das wäre ja auch eine Spende, ich würde meinem Mitmenschen etwas spenden und er mir und das Tollste: Die Umweltorganisation würde uns beiden quasi auch etwas spenden. Genug dicke BMWs haben die ja, die sollten auch etwas für die gute Luft tun.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Thilo Schneider / 10.03.2024 / 13:30 / 23

Seelenstriptease eines Falschtankers

Neulich, nach dem Besuch einer Tankstelle, ging es meinem Renno gar nicht gut, der gute alte Diesel war kurz vorm Exitus. Hier erzähle ich, warum. Und…/ mehr

Thilo Schneider / 30.01.2024 / 16:00 / 20

Jahrestag: Die Schlacht von Stalingrad geht zu Ende

Heute vor 81 Jahren ernannte Hitler General Paulus, der mit seiner 6. Armee in Stalingrad dem Ende entgegensah, zum Generalfeldmarschall. Denn deutsche Generalfeldmarschälle ergaben sich…/ mehr

Thilo Schneider / 26.01.2024 / 16:00 / 20

Anleitung zum Systemwechsel

Ein echter demokratischer Systemwechsel müsste her. Aber wie könnte der aussehen? Bei den Ampel-Parteien herrscht mittlerweile echte Panik angesichts der Umfragewerte der AfD. Sollte diese…/ mehr

Thilo Schneider / 18.01.2024 / 16:00 / 25

Neuer Pass für einen schon länger hier Lebenden

Ich will einen neuen Reisepass beantragen. Doch um ihn zu bekommen, soll ich den abgelaufenen mitbringen, ebenso meine Heiratsurkunde und Geburtsurkunde. Warum muss ich mich…/ mehr

Thilo Schneider / 16.01.2024 / 15:00 / 73

Zastrow-FDP-Austritt: „Ich will den Leuten noch in die Augen schauen können“

Holger Zastrow, Ex-Bundesvize der FDP, kündigt. In seiner Austrittserklärung schreibt er: „Als jemand, der in der Öffentlichkeit steht und durch seinen Beruf mit sehr vielen…/ mehr

Thilo Schneider / 11.01.2024 / 14:00 / 64

Was würden Neuwahlen bringen?

Kein Zweifel, die Ampel hat fertig. „Neuwahlen!“ schallt es durchs Land, aber was würden die angesichts der aktuellen Umfrageergebnisse bringen, so lange die „Brandmauer“ steht…/ mehr

Thilo Schneider / 10.01.2024 / 14:00 / 35

Das rot-grüne Herz ist verletzt

Die Leute begehren auf, vorneweg die Bauern. Es wird viel geweint. In Berlin, Hamburg, München und Stuttgart. Aus Angst. Aus Angst, von den Futtertrögen des…/ mehr

Thilo Schneider / 24.12.2023 / 12:00 / 25

Meine Agnostiker-Weihnacht

Herrgottnochmal, ich feiere tatsächlich Weihnachten. Wenn es doch aber für mich als Agnostiker eigentlich „nichts zu feiern gibt“ – warum feiere ich dann? Die Geschichte…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com