Mit aufmerksamen Zuhören und der Bereitschaft zum sachlichen Austausch von Argumenten lässt sich offenbar kaum öffentliche Aufmerksamkeit erzielen. Mit krawalligen Talkshows samt verbaler Entgleisungen für die “Nachberichterstattung” dagegen schon. Auffällig ist, dass der staatlich hochsubventionierte Talkshow-Zirkus im wesentlichen von ARD und ZDF inszeniert wird. Private Sender - mindestens ebenso auf maximale Aufmerksamkeitswerte fixiert und oft noch schriller als der Staatsfunk - halten sich hier zurück. Warum wohl?
Die Politik arbeitet schon lange mit psychologischer Unterstützung. Ihre Reflexionen sind brillant, wahrhaftig und in jedem politischen Diskurs zu beobachten - und gerade die von Ihnen analysierte Gesprächsführung ( wenn man es noch so nennen will ) in Talkshows ist politisch absolut gewollt. Libertäre Paternalismus und nudging waren erst die Anfänge der Manipulations- und Propagandamaschinerie. Sobald der Mensch auf der emotionalen Ebene angesprochen wird, setzt das Gehirn aus. Eine wundervolle evolutionäre Eigenart des Menschen, die, von der Politik erkannt, gnadenlos genutzt wird, um absoluten Schwachsinn gesellschaftsfähig zu machen. Alles bio, überall Windräder, arme Flüchtlingskinder mit passender Musik hinterlegt, sind nur einige Beispiele. Ihr Text müßte in Schulen Pflichtlektüre sein. Stattdessen lernen Kinder so zu schreiben wie sie ein Wort hören oder was nachhaltig ist und welche sexuellen Spielarten es auf dieser Welt geben kann. Prost Mahlzeit!
Guter Artikel. Herrn Matthias Tabek pflichte ich bei, ich handhabe es genauso.
Kürzlich ein Gespräch beim Italiener, es kam auf die Themen der Zeit. Das war ein Fehler, wenn man ein “Gespräch” als etwas auffasst, das gewöhnlich nicht damit endet, dass die Gesprächsteilnehmer danach aufspringen und beleidigt davonstürmen. Mich hat erstaunt, wie dünn die Haut derer geworden ist, die die richtige, moralisch hochwertige Meinung und Haltung innehalten. Nämlich so dünn, dass ein Gespräch gar nicht mehr möglich ist; denn man müsste, um ein Gespräch über die Themen der Zeit überhaupt mit den Dünnhäutigen führen zu können, auf nahezu alle Fakten verzichten, auf jeden Zweifel, jede Frage, jede Infragestellung, ja das Denken selbst müsste man einstellen. Jeder Dialog Platons wäre keine 2 Sätze weit gekommen unter diesen Prämissen. Karl-Otto Apel meinte in einem philosophischen Seminar, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass der Papst sich an einem philosophischen Diskurs beteilige, solange und wenn der Papst die Fallibilität jeder Aussage anerkenne. Oder anders gesagt: wenn der Papst alles ablegt, was ihn zum Papst macht und bereit ist, keine seiner Auffassungen als “unabänderlich wahr” jedem Zugriff des Diskurses zu entziehen, kann er mitquatschen. Und jetzt wird auch - denke ich - deutlich, woran all die schönen Theorien letztlich scheitern: Niemand ist zu einem solchen Diskurs in der Lage. Schon gar nicht die Anhänger der derzeit führenden Ideologie oder Glaubenslehre. Gerne höre ich zu. Dies setzt aber voraus, dass mein Gegenüber etwas zu sagen hat, das nicht nur aus gebetsmühlenartig wiederholten Bekenntnissen besteht. Wie es in Talkshows zugeht, weiß ich nicht, weil ich wegen Irrelevanz seit 30 Jahren derartiges nicht anschaue
Wer sich Talkschoffs antut, hat es auch nicht besser verdient. Die Bezeichnung macht doch schon klar, worum es geht: “Talken” wird “geschofft”. Präsentation von Eitelkeiten.
Lieber Herr Wegner ” Talkshows verhalten sich zu Debatte wie Pornographie zu Liebe. ” Ich glaube, dass dieser Satz alleine die Sache auf den Punkt bringt. Im Übrigen sind Ihre Ausführungen sehr differenziert und basieren auf sehr tiefen Erkenntnissen. Eindrücklich mal auf solche Weise eine tolle Information zu bekommen. Ich gehe mit Ihren Ausführungen völlig einig und danke Ihnen für die tiefgründige “Verpackung” dieser Fakten. b.schaller
Ein guter und nachdenklicher Text, der Grundsätzliches adressiert ... und bei sich selbst anfängt. Aber es gibt dennoch ein Problem. Denken wir an das Sprichwort: ‘Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.’ Will sagen, selbst wenn eine Seite bereit ist, wirklich zuzuhören, wird das noch nicht zum Erfolg führen. Denn es könnte von der Gegenseite als Schwäche verstanden werden. Aber auch dieses Argument kann keine Rechtfertigung sein, nicht selbst mit dem Zuhören anzufangen. Aber der Buchtipp ‘Mit Rechten reden: Ein Leitfaden’ verheißt nichts Gutes. In den Rezensionen steht z.B. bei der FAZ: ‘In einem fast schon heiteren Ton signalisieren sie, wie wenig sie selbst mit der hilflosen Entrüstung zu tun haben wollen, mit der große Teile der Öffentlichkeit artig das Geschäft der Provokateure betreiben.’ Klartext: Das Urteil ist gesprochen, der Meinungsgegner hat nichts zu sagen und es geht nur darum, jene auszugrenzen. Die Gräben werden noch ein wenig tiefer ausgehoben. Auch wenn die Neue Züricher Zeitung den Aufruf zu einer echten Debattenkultur sieht, schreibt die Junge Welt: ‘»mit Rechten reden« und zeigt sehr gut, dass die Rechten außer dunkel dräuenden Gefühlen nicht viel zu bieten haben, aber das immer erfolgreicher.’ Die Zielgruppe scheint damit klar umrissen: Es adressiert die Guten, die sich ihrer korrekten Position der Ausgrenzung versichern wollen. Herr Wegner: Gegen einen derartigen Mainstream anzuschreiben gleicht eine Don Quixoterie.
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