Ulrike Stockmann / 28.11.2023 / 15:00 / Foto: Achgut.com / 27 / Seite ausdrucken

Tagesspiegel: Kassengift „Gendersprache“

Nach knapp drei Jahren Gendersprache zieht der Berliner „Tagesspiege“ jetzt die Reißleine: Kein Gendern mehr in der Print-Ausgabe. Denn dies sei der Hauptgrund für Print-Abo-Kündigungen. Entpuppt sich am Ende der schnöde Mammon als bester Schutz vor Ideologie?

Der Tagesspiegel ist ein Westberliner Traditionsblatt, das jedoch in den letzten Jahren vor allem durch politische Korrektheit und große Regierungskonformität auffiel. Wenig verwunderlich, dass dort Anfang des Jahres 2021 wie in vielen anderen großen Medien die „geschlechtergerechte Sprache“ sowohl im Print- als auch Online-Bereich eingeführt worden ist.

Für uns als Journalistinnen und Journalisten ist Sprache ein wichtiges Werkzeug. Unsere Sprache sollte so genau und so leicht verständlich wie möglich sein, sie sollte zeitgemäß, inklusiv, fair und undogmatisch sein. Dazu gehört für uns auch, dass unsere Sprache alle anspricht und zum Ausdruck kommt, dass alle gemeint sind, unabhängig von ihrem Geschlecht“, gab das Blatt damals bekannt. Und: „Als Redigierende sind wir ebenso sensibel und lassen den Autorinnen und Autoren so viel Freiheit wie möglich, ihre eigene Sprache zu finden. Es steht dem Redigierenden aber frei, zugunsten der Lesbarkeit einzelne Formen zu ändern.“ Inwiefern es für die jeweiligen Autoren wirklich möglich war, sich diesem neuen „Gruppenzwang“ zu widersetzen, bleibt wohl dahingestellt.

Lediglich Nachrichten, Teaser und andere kurze Texte sollten „keine neuen Formen geschlechtergerechter Sprache“ enthalten. Bei der Bekanntgabe der neuen Leitlinien hatte das Blatt die Leser dazu aufgefordert, ihre Meinung dazu abzugeben und einige Beispiele dieser Stimmen veröffentlicht. Von denen waren fast alle eine negative Reaktion auf die sprachliche Neuregelung.

Schnöder Mammon als bester Schutz

Daher ist es nicht sonderlich überraschend, dass der Tagesspiegel nun zumindest in der Printausgabe auf die Gendersprache wieder verzichtet. Die Bild-Zeitung berichtet von einem Rundschreiben, das am Montagmorgen an die Tagesspiegel-Mitarbeiter gerichtet worden sei: „Die Gender-Sprache sei einer der Mega-Gründe bei Beschwerden und Print-Abo-Kündigungen gewesen, hieß es aus der Redaktion.“

Demnach sei der Tagesspiegel-Führung nach knapp drei Jahren klar geworden, dass unter den neuen Sprachvorgaben die „Klarheit“ leide. Und die Abonnenten-Zahlen eben auch. Bis auf wenige Ausnahmen wolle man deshalb in der gedruckten Zeitung künftig auf das Gendern verzichten. Die Online-Berichterstattung sei von dem Schritt vorerst nicht betroffen. Man kann nur vermuten, warum diese Differenzierung stattfindet. Wahrscheinlich sind die Print-Abonnenten größtenteils ältere Semester, die gemeinhin am wenigsten Verständnis für neumodische Sprachverordnungen haben. Außerdem verzeichnete das Blatt im ersten Quartal dieses Jahres mehr als dreimal so viele Print-Abonnenten wie Online-Abonnenten, sodass man vermutlich glaubt, den digitalen Lesern auf der Nase herumtanzen zu können, da man mit ihnen weniger Geld verdient.

So oder so ist es erstaunlich, wie bereitwillig ein Medium wie der Tagesspiegel marktwirtschaftliche Grundsätze zugunsten von Ideologie über Bord wirft. Denn spätestens nach den überwiegend negativen Leserreaktionen auf die Bekanntgabe hätte man voraussehen zu können, dass die Gendersprache geschäftsschädigend sein wird. Für diese Erkenntnis muss man kein Marktforscher sein. Abgesehen davon findet eine Umfrage nach der anderen heraus, dass die Mehrheit die Gendersprache ablehnt. Die Bild-Zeitung führt in ihrem Bericht stellvertretend eine INSA-Umfrage in eigenem Auftrag an, die im Juni zu dem Ergebnis gekommen sei, dass 52 Prozent die Gendersprache ablehnen und nur 18 Prozent sie befürworten, während 24 Prozent das Gendern „egal“ sei und 4 Prozent „weiß nicht“ angegeben hätten.

„Falls jemand noch ein Beispiel dafür braucht, dass der Markt regelt, nicht Verbote“, kommentiert Welt-Kolumnistin Anna Schneider die Angelegenheit auf Twitter. Vielleicht entpuppt sich am Ende ja der schnöde Mammon als bester Schutz vor ideologischer Übergriffigkeit.

 

Ulrike Stockmann, geb. 1991, ist Redakteurin der Achse des Guten. Mehr von ihr finden Sie auf ihrem YouTube-Kanal.

Foto: Achgut.com

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Thomas Szabó / 28.11.2023

52% gegen Gendersprache, 18% für, 24% neutral, 4% wissen nicht. Die Umfrage belegt, dass 46% der Befragten nicht imstande sind die Konsequenzen der Gendersprache zu Ende zu Denken. (Die fehlenden 2% wurden wohl von einem schwarzen Loch eingesogen.) Ich sprach mich sofort nach dem ersten Erscheinen der Gendersprache dagegen aus und machte mir sogar die Mühe ganz genau zu erklären warum. (Stellen wir uns die klassische Literatur in Gendersprache vor, unlesbar, ungenießbar, unsinnig. Kulturmenschen gendern nicht.) Ich machte mir damals noch keine Sorgen. Ich nahm nicht an, dass die intellektuelle Elite von Deutschland & Österreich auf diese oberflächliche Ideologie hereinfallen wird. Inzwischen haben alle wissenschaftlichen-, bildungs-, kultur-Einrichtungen den Schmarrn übernommen. Ich war gestern im Belvedere-Museum und ärgerte mich wieder einmal über die gegenderten Bildbeschreibungen. Die Kuratoren hatten Glück, dass ich sie nicht erspähte, sonst hätte ich ihnen recht unverblümt ins Gesicht gesagt, dass solche Banausen in einer Kultureinrichtung nichts zu suchen haben.

jan blank / 28.11.2023

Ach, ist das schön! Die Printmedien sind also tatsächlich von Kundenfeedback abhängig. Schade, dass das nicht auch für den ÖRR gilt. Den störts auch nicht wenn nur noch eine einzige dicke Lange mit ner Tüte Pommes vor der Schnute ihren selbst fabrizierten Senf glotzt.

Dr. Joachim Lucas / 28.11.2023

Diese Reißbrettsprache ist zum Scheitern verurteilt. Alle Versuche Sprache von oben zu lenken, zu verändern sind historisch gescheitert. Sie gehen genauso an der menschlichen Natur vorbei wie Veganismus, 63 Geschlechter, Heizen mit Sonne und Wind im kalten Deutschland und was sonst für Schnapsideen den vergrünten Hirnen entsprungen ist. Ich habe noch NIEMANDEN auf der Straße so vermurkst reden gehört. Ist nur was für Fanatiker. Dass diese Zeitung das erst durch Schmerzen merkt, zeigt beispielhaft, dass die meisten Menschen in D bei allen spinnerten Themen nur diesen Lernweg kennen.

Stephan Bender / 28.11.2023

„Die Gender-Sprache sei einer der Mega-Gründe bei Beschwerden ... gewesen, hieß es aus der Redaktion.“—- Es muss richtig “Hauptgründe” heißen. Das Wort “mega” steht für eine Million, und so viele Leser hat der “Tagespiegel” nicht.

Horst Jungsbluth / 28.11.2023

Als ehemaliger Leser des “Tagesspiegel”, der vom “Spiegel” einst als rechtsliberal bezeichnet wurde, konnte ich wie viele langjährige Stammleser feststellen, dass dieser gegen Ende der neunziger Jahre plötzlich wie ein linkes Kampfblatt agierte und erlebte dann fassungslos, dass diese Zeitung mit dem Start der SPD/AL-Koalition 1989 sich für die abscheulichen Verbrechen dieses Senats einspannen ließ, der ziemlich ungeniert eine Politik gegen die Bürger betrieb, die es NVA und Stasi ermöglichen sollte, Westberlin militärisch zu besetzen. Zur Erinnerung: Dieser Senat verfolgte nach einem Strategiepapier mit gefälschten!!! Vorschriften und unzutreffenden Gründen unter schlimmstem Missbrauch der Verwaltungsvorschriften unbescholtene Bürger wie Verbrecher, während diese unbehelligt ihren schmutzigen Geschäften nachgehen konnten, da diese sich so vorzüglich zur Einschüchterung der Bürger eigneten und die Justizsenatorin “Täter interessanter als Opfer” fand.  Der “Tagesspiegel” war wie in der DDR die Medien stramm und fest auf der Täterseite. Kleines Beispiel: Als ich darauf aufmerksam machte, dass es gar keine Wohnungsnot gäbe -dieses Thema war damals in Berlin das, was heute der Klimaschutz ist-, da wurde der für diesen Bereich tätige Redakteur C. v. L. durch den eigentlich für Soziales zuständige B. K. ersetzt, der sofort einen Beitrag lancierte, dass das Wohnungsamt Schöneberg einen Gelähmten eine Wohnung verschafft habe, um von den kriminellen Machenschaften dieses Amts abzulenken. Tatsächlich war das aber ein alter Fall und der gleiche Beitrag erschien in dieser Zeitung bereits lange Monate zuvor.  Ich glaube fast alle die, die in beiden Diktaturen vorauseilend “Heil Hitler” oder später “mit sozialistischem Gruß” agiert haben, sind jene, die heute die “Gendersprache” durchsetzen wollen.

Marc Jenal / 28.11.2023

I have a dream: Ich hoffe irgendwann kommt der Tag, an welchem fast sämtliche Medien die nach dem Muster “betreutes Denken” für Kleinkinder, Halbschlaue und Traumtänzer nach der Vorgabe von Lobbygruppen oder quasi-religiösen Selbstzerstörungsbewegungen ihre Themen auswählen und Gehirnwäsche-Artikel schreiben daran nachhaltig zu Grunde gehen oder rechtzeitig beginnen wieder für normale Menschen normal zu schreiben. Bei den GEZ-Schmierfinken wird das leider nicht passieren, sofern sie nicht vor ein Strafgericht gestellt werden, da ihr Einkommen unabhängig der Qualität sprudelt und sich gar vermehrt, so lange sie die gerade Regierenden mit Lobhudeleien und die Konkurrenz mit Teufelsaustreibung berücksichtigen. Die werden höchstens an ihrem vielen Geld ersticken. Für die Privaten besteht aber noch Hoffnung. Insofern weil die Realität und die Zielvorgaben bis zum bitteren Ende wie vor ein paar Jahrzehnten immer weiter auseinander driften. So weit, dass selbst der beste Parteisoldat irgendwann nicht mehr ohne rot zu werden oder ohne starke Drogen seine unglaubwürdigen Diffamierungen und seine Durchhalteparolen verbreiten kann. Das Gendern ist nur ein peinlicher Blödsinn ausgedacht von Idioten für Idioten, um Gleichgesinnte schneller zu erkennen und durch dogmatisches Affentheater von den tatsächlichen Problemen/der eigenen Unfähigkeit/Quote/falscher Prioritätensetzung abzulenken.

J. Harms / 28.11.2023

Das was Budweiser, Disney & Co. in den USA schon schmerzhaft lernen mussten (GO WOKE, GO BROKE) ist die einzige Möglichkeit dieser geistigen Gaga-Diarroe einen wirksamen Riegel vorzuschieben! Am Ende zählt eben nur der schnöde Mammon. Wer das nicht verstehen will oder kann, muß eben mit den wirtschaftlichen Konsequenzen leben.

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