Gunter Weißgerber / 29.07.2017 / 12:30 / Foto: Globetrotter19 / 22 / Seite ausdrucken

Tägliches Glockenläuten für Ungarn

Vielerorts im christlichen Europa läuten mittags die Glocken. Wahrscheinlich ist hierzulande den Wenigsten bewusst, dass damit seit über 500 Jahren einem Sieg der Ungarn gedacht wird, mit dem Europa erfolgreich gegen einen Einfall der Osmanen verteidigt wurde.

Papst Kalixt der III. ließ das Mittagsgeläut 1456 einführen, seither gehört es beinahe überall in Europa zum Alltag. Nur mit dem ursprünglichen Andenken an den Sieg der Ungarn über die Truppen von Sultan Mehmet II. verbindet es wahrscheinlich kaum noch ein Europäer. Mehmet setzte nach der Eroberung Konstantinopels seinen Vormarsch ins Zentrum Europas fort. 1456 belagerten seine Truppen die damals ungarische Stadt Griechisch Weißenburg (altungarisch: Nándorfehérvár, slawisch: Belgrad). Doch den ungarischen Verteidigern Belgrads gelang ein Sieg über Mehmets Verbände.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Europäern wissen viele Ungarn durchaus, warum mittags die Glocken läuten. So wie es wohl kaum einen Ungarn gibt, dem der Sieg Istvan Dobos‘ gegen die Türken in Eger 1552 unbekannt ist. Die Ungarn zahlten in den früheren Jahrhunderten für die Abwehr von Angriffen der Osmanen einen hohen Blutzoll, der immer noch im nationalen Gedächtnis ist. Dass viele Ungarn einen Abwehrreflex spüren, wenn es um die Aufnahme größerer Verbände jüngerer muslimischer Männer geht – letztlich liefe die von der EU angestrebte Umverteilung von Asylbewerbern und Zuwanderern darauf hinaus – hat deshalb oft mehr mit dem Mittagsgeläut, als mit dem im Westen als Populist geschmähten Viktor Orbán zu tun.

Das wissen viele Verantwortungsträger in den EU-Institutionen nicht. Dieses Nichtwissen kann man auch niemandem vorwerfen, Ignoranz hingegen schon. Denn die Frage, warum die Ostmitteleuropäer in, egal ob sie links oder rechts regiert werden, in massenhafter muslimischer Einwanderung schon eine Gefahr erkennen können, bevor man sie ausprobiert hat, wird ja oft gestellt. Im Westen versucht man sich die Probleme die schon entstanden sind hingegen schönzureden. Aber wer sich fragt, warum die da im Osten anders ticken, sollte auch offen für die Antworten sein.

Deutschland bestellt und die anderen sollen die Zeche mit bezahlen?

Der EU-Generalanwalt fragt lieber nicht nach solchen Ursachen. Für die Antwort, die er brauchte, reichte es, eine Studie in Auftrag zu geben, nach der die Klagen der Slowakei und Ungarns gegen die Umverteilung von 120 000 Zuwanderern  abzuweisen sei. Mit dieser Studie glaubt Generalanwalt Yves Bot die Ungarn und Slowaken beeindrucken zu können. Das ist beinahe lächerlich, wenn es der europäische Spitzenjurist nicht ernst meinen würde.

Auch die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, wonach die Dublin-III-Regeln nach wie vor gelten und damit der Status der Zuwanderer, die verteilt werden sollen, nicht nur rechtlich völlig ungeklärt ist, sondern es sogar feststeht, dass sich diese Menschen weitgehend illegal dort aufhalten, wo sie sind, gibt der Slowakei und Ungarn recht.

Wohlmeinende Medienleute lasen aus der Entscheidung auch heraus, dass Angela Merkel so hätte handeln dürfen, wie sie es im September 2015 tat. Auch das ist witzig. Die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland hätte vor ihrem Ja zur Völkerwanderung das deutsche Parlament befragen müssen. Dieses hätte zumindest in einem Entschließungsantrag Farbe bekennen und den Handlungsspielraum aufzeigen müssen. Aber leider – ein Trauerspiel des deutschen Parlamentarismus – die Abgeordneten ließen diese Entmachtung und Umgehung des Bundestags nahezu widerspruchslos geschehen. Wie ist es um eine Demokratie bestellt, die nicht einmal mehr von bezahlten Mandatsträgern verteidigt wird?

Gut dieser Bundestag ist ohnehin in wenigen Wochen Geschichte. Im Bundestagswahlkampf wird urplötzlich doch zaghaft über die Zuwanderer geredet, aber halt immer nur ein bisschen an der Oberfläche. Die neuralgischen Punkte, wie die konkreten Fehler 2015 und notwendige Maßnahmen zur Zuwanderungsregulierung bleiben ausgeklammert. Je mehr die Probleme unübersehbar werden, desto lauter wird „europäische Solidarität“ eingefordert, insbesondere von den Ost- und Ostmitteleuropäern. Doch wie soll eine europäische Solidarität bezüglich der Verteilung der Millionen unkontrolliert Zuwanderten organsiert werden, wenn die zur Solidarität Aufgeforderten vorher nicht  befragt wurden? Deutschland bestellt und die anderen sollen die deutsche Zeche mit bezahlen? Wer das glaubt, der kann nur Wahlkampf. Das Erwachen wird hart ausfallen.

Das verbale Verdreschen der Mittel-Ost-Euopäer ist dumm

Zufällig komme ich gerade aus Ungarn zurück. Wir waren einige Tage bei Freunden zu Gast und konnten jede Menge interessante Gespräche führen. Ungarn ist bunt, schwarze Niqabs und hellblaue Burkas fehlen einem da nicht, im Gegenteil. Ungarn ist so anziehend europäisch, wie es West-Europa und speziell West-Deutschland vor einiger Zeit für viele Mittel-Osteuropäer noch waren. Ich prophezeie einen Run auf Grundstücke und Eigentumswohnungen in den Visegradstaaten. Zumal die Wirtschaftsdaten gedeihen. Und sollten die Österreicher Kern oder Kurz Erfolg haben, würde ich auch Österreich in diesen Sog mit einbeziehen.

Man möchte deprimierten Deutschen zurufen: Leute, geht in die Visegradstaaten und lebt euer europäisches Leben wie bisher! Lest alles, was im Westen über die Visegradstaaten geschrieben wird – aber hinterfragt es! Das verbale Verdreschen der Mittel-Ost-Euopäer bei gleichzeitiger Schonung der „alteingesessenen“ westeuropäischen Staaten, die ebenfalls keine Zuwanderer aufnehmen, ist so ungleichgewichtig wie dumm. Auch weckt es das Interesse an den Gescholtenen. Nicht die Visegradstaaten erodieren die EU, es sind die Junckers und Asselborns die das zuverlässig erledigen.

Wer Europa in einen besseren Zustand bringen will, darf aus Brüssel gern eine Clearingstelle aber nicht die Hauptstadt Europas machen. Europa hat seine Hauptstädte und nur über sie wird Europa funktionieren. Wem der Brexit nicht reicht, der möge die Visegradstaaten ebenfalls rausekeln. Oder es auf den EUxit ankommen lassen: den Austritt aller anderen EU-Staaten mit alleinigem Verbleib Deutschlands und Luxemburgs in der EU.

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Susanne antalic / 29.07.2017

Wie war. Ich war vor kürzem in Prag. Prag ist sehr International geworden, man hört alle mögliche Sprachen, es giebt US Universitäten, viele Deutsche , Asiaten, Briten und Israelis studieren dort. Es leben viele Ukraiener und Russen dort, Kultur ist herrvoragend, man kan sogar Theater auf deutsch oder Englisch besuchen. Ich glaube nicht, dass sich diese Staaten, die gewonnene Freiheit nehmen lassen werden. Die Gefähr geht wieder aus Deutschland, wie die 2 Weltkriege davor. Dieses diffamieren dieser Staaten, begründen sich, meine Meinung nach, aus Ideologie und Neid. Mit D. geht es abwetrs ( Immigration in Sozialkassen, Kriminallität, Falsche Geldpolitik für das Volk, Zensur) und jetzt versucht die Politik und die Juristerei die Industrie kaput machen. Manschen geht es nicht schnell genug Deutschland zu ruinieren.

L.N. Cavar / 29.07.2017

Sehr geehrter Herr Weißgerber, ein ausgezeichneter Artikel zur traurigen Situation. Vielen Dank!  Ich komme aus einem der osteuropäischen EU-Länder. Vor einiger Zeit habe ich mich mit der Phraseologie in verschiedenen slawischen Sprachen beschäftigt ... und die von Ihnen geschilderten Erfahrungen der Völker aus der Osmanischen Zeit spiegeln sich nach wie vor in den Sprichwörtern und Redewendungen dieser Sprachen - interessanterweise mit den größten Überschneidungen über Sprachgrenzen (slawische) sowie Sprachfamiliengrenzen (slawisch-finnougrisch) hinweg. Die Gemeinsamkeit bestand in der Erfahrung mit osmanischer Besatzung. Neben der Asylzuwanderung haben wir in Deutschland (noch immer) eine recht hohe Zuwanderungsquote aus EU-Ländern. Diese Gruppen zeichnen sich auch durch eine höheren Anteil an Hochschulzugangsberechtigten aus, als wir sie unter Einheimischen haben (was nicht zuletzt auch den m.E. gerechteren Schulsystemen geschuldet ist). Diese gut qualifizierten, europäisch sozialisierten Menschen arbeiten hier (zumindest anfangs) meist unter ihrer Qualifikation und zahlen in unsere Sozialversicherungskassen ein. Ohne das Zauberwort “Asyl” steht ihnen ja auch keine Vollversorgung zu. Ich denke, dass die meisten aber dennoch gerne arbeiten und früher oder später versuchen, ihre Qualifikation auch beruflich zu nutzen. - Die erste für Deutschland negative Entwicklung wird sein, dass sich diese Menschen andere Länder aussuchen werden (und auch Großbritannien wird nicht gerne auf diese Zuwanderer verzichten, auch hier hatten wir eine sehr verzerrte Darstellung in den MSM). - Das nächste Phänomen mit jeder weiteren Zuspitzung der Lage in Deutschland wird sein, dass die hier gut integrierten Beitragszahler aus diesen Ländern wegziehen werden (ob zurück in die Herkunftsländer oder andere, sichere Staaten). Dies wird nicht aus Undankbarkeit oder fehlender Solidarität geschehen, sondern auch wegen der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit (auch wenn diese durch die Asylpolitik befeuert wird) - Und schließlich bin auch ich fest davon überzeugt, dass auch Deutsche Familien abwandern werden. Manche nach Kanada, Australien und Neuseeland ... aber auch die Visegradstaaten und Österreich werden künftige Auswanderungsziele der Leistungsträger sein. Wer hätte sich das in den 60er, 70er-Jahren vorstellen können, als die (damals noch sehr gut geregelte) Arbeitsmigration in die BRD so richtig Fahrt aufnahm. Ich habe noch ein ganz klein wenig Hoffnung, dass sich das Blatt noch wenden könnte. Wer weiß ... vielleicht geschieht noch ein Wunder? L.N. Cavar

Winfried Sautter / 29.07.2017

Respekt für die mittel- und osteuropäischen Staaten. Aber sie waren ja schon zu Zeiten des Warschauer Paktes anders als die MusterschülerInnen aus der ehem. DDR. Von denen eine uns heute regiert ...

S.Schleitzer / 29.07.2017

Richtig, Herr Weißgerber, die Ungarn haben ihre Geschichte nicht nur nicht vergessen, sondern sie haben sogar daraus gelernt. Sie haben sich weder durch Besatzung durch die Osmanen noch durch aufgezwungenen Kommunismus ihre Identität und ihre Kultur nehmen lassen. Sie haben maßgeblichen Anteil daran, dass wir in einem friedlichen Westeuropa in nie gekannter Freiheit und Wohlstand aufwachsen durften. Wer das für sich und seine Kinder auch in Zukunft haben möchte, wird hierher kommen müssen, denn der eingeschlagene Kurs im alten Europa ist nicht mehr korrigierbar.

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